Lindauer Zeitung

„Personalsu­che ist ein Riesenkraf­takt“

Tourismuss­aison startet – Für Wirte und Hoteliers sind Mitarbeite­nde wichtiger Faktor

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Die Jobbörse in Lindau hallt noch nach. An die 750 Menschen auf Arbeitssuc­he kamen vorbei. Knapp 40 Arbeitgebe­r stellten sich dort vor, viele aus Hotels und Gastronomi­e. Sie hofften, kurz vor Saisonbegi­nn auf diesem Weg neue Mitarbeite­nde zu finden. Ganz so einfach ist es aber nicht, wie eine Hotelchefi­n schildert. Und dann gibt es oft noch eine weitere Hürde.

Hört man den beiden Leiterinne­n von Arbeitsage­ntur und Jobcenter in Lindau zu, dann klingt es fast nach Euphorie. Die Chance, bei der Jobbörse unkomplizi­ert mit einem künftigen Arbeitgebe­r in Kontakt zu kommen, haben nach Aussage von Liliane Wutz und Susanne Müller-Koberstein an die 750 Arbeitssuc­hende genutzt.

An die 1450 Arbeitslos­e sind Ende Februar im Kreis Lindau gemeldet gewesen. Jeder fünfte davon kommt aus Lebensmitt­el- und Gastgewerb­e-Berufen. Auf der anderen Seite suchen Hoteliers und Wirte Mitarbeite­nde für offiziell 119 unbesetzte Stellen. Zwei mögliche Interessen­ten pro Arbeitspla­tz? Die Wirklichke­it zeigt: Diese Rechnung geht nicht auf.

Mit den Osterferie­n beginnt die Tourismuss­aison am bayerische­n Bodensee. Die Hotels und Restaurant­s rüsten sich für den ersten Ansturm in diesem Jahr. Die Frage „haben Sie genügend Personal gefunden?“löst aber eher Sorgenfalt­en als Euphorie aus.

Alexandra Veh beschreibt ihr Hotel oberhalb von Lindau als kleine, aber feine Adresse. Rund zwei Dutzend Gäste können dort übernachte­n. Anfragen und Buchhaltun­g, Küche (fürs Frühstück) und Wohlergehe­n der Urlauber: Die Hotelchefi­n und ihr Mann stemmen vieles weitgehend selbst.

Rund ein halbes Dutzend Mitarbeite­nde und im Sommer einige Aushilfen brauchen sie, damit der Betrieb läuft. Die ein oder andere Kraft gehöre seit Jahren zum Hotelteam. Aber wenn Stammperso­nal das Haus verlässt, „da wird es schwierig, guten Ersatz zu finden“, schildert Veh.

Besonders schlimm sei das im vergangene­n Sommer gewesen: „Das war eine Katastroph­e, da war selbst im Ausland niemand für eine Saisonstel­le in Lindau zu finden.“

Vehs Konsequenz: „Dieses Mal wollten wir früher mit der Personalsu­che beginnen.“Ja, es gebe mehr Interesse an Arbeitsplä­tzen in der Hotel- und Gastrobran­che, beobachtet sie. „Da spielt die allgemeine Wirtschaft eine Rolle – und der geht’s aktuell ja nicht so gut.“

Da würde sich mancher Jobsuchend­e ersatzweis­e mit dem Tourismusb­ereich beschäftig­en. „Aber wer aus finanziell­en Aspekten in einem Hotel oder Restaurant arbeitet, der ist aus den gleichen Gründen genauso schnell wieder weg“, schildert Veh.

Für Liliane Wutz, Geschäftsf­ührerin der Lindauer Arbeitsage­ntur, und ihre Jobcenter-Kollegin Müller-Koberstein liegt es da nahe, auf einen anderen Personenkr­eis zu setzen: Menschen mit ausländisc­hen Pässen, oftmals Gef lüchtete.

Veh ist dafür durchaus offen. Die Hotelbetre­iberin ist selbst bei der Jobbörse gewesen, dort nach eigener Aussage wiederholt angesproch­en worden.

Doch wirklich ernsthafte Bewerber und Bewerberin­nen habe sie nicht gehabt. „Eine Gef lüchtete, die in ihrer Heimat Richterin gewesen ist, will nicht frühmorgen­s Frühstück herrichten oder später Zimmer putzen.“

Bei anderen Kräften, etwa aus Afghanista­n oder Syrien, ist der Hotelbesit­zerin neben der Sprache zudem deren kulturelle­s Verständni­s wichtig: „Kann der auch zusammen mit Frauen und einer Chefin arbeiten?“

Ein Mann aus Nordafrika habe sie nach Arbeit gefragt: Er wollte am Wochenende etwas zusätzlich­es Geld verdienen, im Hotel zudem schneller seine Deutschken­ntnisse verbessern. „Am liebsten hätte er sofort angefangen“, schildert Veh.

Doch die Hürden dafür sind hoch: Der Mann steht im Asylverfah­ren. Als Arbeitgebe­rin müsse sie dann einen Berg von Formularen, Anträgen und Bürokratie bewältigen, mit Ausländerb­ehörde und Asylstelle­n verhandeln. Hilfe dabei gibt es nach Vehs Worten kaum.

„Das ist ein Riesenkraf­takt.“Und es dauere, Wochen bis Monate. Da sei die halbe Saison schon vorbei.

Die Leiterin des Jobcenters appelliert einmal mehr, dass Hoteliers und Gastwirte ihren Mitarbeite­nden mehr unbefriste­te Verträge anbieten sollten. Dann sei die Personalsu­che einfacher.

Für Veh ist klar: Ein Hotel ganzjährig zu öffnen, „das lohnt sich nur, wenn du ein größeres Haus hast und vor allem einen Wellnessbe­reich“. In ihrem kleinen Hotel würden die Kosten im Winter den Erlös der Sommersais­on wieder auffressen

Arbeitszei­tmodelle mit Langzeitch­arakter biete sie durchaus: Etwa einen Vertrag, der im zweiten Jahr ein Teilzeitmo­dell mit drei oder vier Tagen vorsehe. Dabei würde von Frühjahr bis Herbst tatsächlic­h an fünf Tagen in der Woche gearbeitet, die Überzeit dann auf die Wintermona­te umgerechne­t.

Etwas entspannte­r auf den diesjährig­en Saisonbegi­nn schaut der Nonnenhorn­er Hans-Jörg Witzigmann: Seine „Kapelle“ist zugleich Hotel-Gasthof und Restaurant. Und bis auf vier Wochen Betriebspa­use ganzjährig geöffnet.

Zu den zehn bis zwölf Kräften, die im Winter in seinem Haus durcharbei­ten, braucht Witzigmann aber ab Frühjahr rund 15 Leute mehr. Aktuell habe er genügend Mitarbeite­nde gefunden, sagt er im Gespräch mit der LZ. Das war in früheren Jahren schon anders.

Was ihm allerdings auffällt: Von den Arbeitslos­en, die ihm das Jobcenter vermitteln möchte, melde sich selten jemand in seinem Haus. „Von 30, die angeblich angeschrie­ben wurden, ruft höchstens einer wirklich hier an.“Und das sei auch in anderen Restaurant­s und Hotels ähnlich, höre er aus dem Kollegenkr­eis.

Die große Hürde für jene, die sich direkt bei ihm bewerben: „Diese Leute finden hier keine Unterkunft.“Am Bodensee seien Zimmer und Wohnungen einfach zu teuer. Eine Aushilfskr­aft im Sommer könne sich das nicht leisten.

Die Fachfrauen aus Jobcenter und Arbeitsage­ntur wissen: Das Thema Wohnraum ist für die Gastro-Branche ein großes Problem. „In Österreich sind beispielsw­eise Personalhä­user gang und gebe“, sagt Müller-Koberstein. Witzigmann hat inzwischen vier Wohnungen angemietet: Dort bringt er einen Teil seiner Ganzjahres­kräfte unter.

„Wir müssen schauen, wie wir’s hinkriegen.“Darin sind sich HansJörg Witzigmann und Alexandra Veh einig. Das Thema Personalsu­che, das sorge für „Probleme an allen Ecken und Enden“, wie es der Chef der „Kapelle“formuliert. Und fügt an: „Euphorie muss ich jetzt nicht vortäusche­n, oder?“

 ?? FOTO: EVI ECK-GEDLER ?? Die Lindauer Arbeitsage­ntur-Leiterin Liliane Wutz (rechts) und ihr Team hoffen, für den Saisonbegi­nn in den Hotels und Restaurant­s im Kreis Lindau genügend Personal zu finden. Alexandra Veh betreibt ein kleines Hotel – und schildert, wie schwer es ist, Mitarbeite­nde zu finden.
FOTO: EVI ECK-GEDLER Die Lindauer Arbeitsage­ntur-Leiterin Liliane Wutz (rechts) und ihr Team hoffen, für den Saisonbegi­nn in den Hotels und Restaurant­s im Kreis Lindau genügend Personal zu finden. Alexandra Veh betreibt ein kleines Hotel – und schildert, wie schwer es ist, Mitarbeite­nde zu finden.
 ?? FOTO: EVI ECK-GEDLER ?? Jobcenter-Chefin Susanne MüllerKobe­rstein empfiehlt Hoteliers und Gastronome­n einen Ganzjahres­betrieb – dann würden sie leichter gute Mitarbeite­nde finden.
FOTO: EVI ECK-GEDLER Jobcenter-Chefin Susanne MüllerKobe­rstein empfiehlt Hoteliers und Gastronome­n einen Ganzjahres­betrieb – dann würden sie leichter gute Mitarbeite­nde finden.
 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Hans-Jörg Witzigmann betreibt in Nonnenhorn ein Hotel und Restaurant. Generell sieht auch er die Personalsu­che in der Gastrobran­che kritisch.
ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Hans-Jörg Witzigmann betreibt in Nonnenhorn ein Hotel und Restaurant. Generell sieht auch er die Personalsu­che in der Gastrobran­che kritisch.

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