Lindauer Zeitung

„Dortmund muss, der VfB muss etwas weniger“

Marc Ziegler hütete sowohl für Stuttgart als auch den BVB das Bundesliga-Tor – Heute formt er den DFB-Nachwuchs

- Von Felix Alex

DORTMUND - Sie sind die letzte Hürde zwischen Ball und Tornetz und nicht selten im Mittelpunk­t des Geschehens – Torhüter. Marc Ziegler erlebte zwischen 1994 und 2013 in der Bundesliga die verschiede­nen Epochen des Torwartspi­els, heute formt der 47-Jährige beim DFB die Elite seines Fachs. Vor dem Duell seiner Ex-Clubs hat der gebürtige Saarländer mit der „Schwäbisch­en Zeitung“gesprochen.

Herr Ziegler, Sie waren beinahe 20 Jahre Profitorwa­rt, spielten insgesamt neun Jahre beim VfB Stuttgart und drei Jahre beim BVB, fangen wir bei den Torhütern an. Wer hat derzeit den besseren Schlussman­n im Kasten?

Dortmunds Gregor Kobel und Stuttgarts Alexander Nübel sind zwei unterschie­dliche Torhüter und dennoch beide auf ihre Art klasse. Greg ist sehr spektakulä­r, dynamisch und auch verbal sehr präsent. Alex ist der etwas ruhigere, aber nicht weniger effektive Torhüter, der viel mit seiner Ruhe und souveränen Ausstrahlu­ng regelt.

Braucht eine Spitzenman­nschaft denn heutzutage keinen Vulkan mehr zwischen den Pfosten, um Großes zu schaffen?

In unserer DFB-Torhüter-DNA haben wir den extrem wichtigen Baustein „Persönlich­keit“– und da ist jeder einzigarti­g. Man kann nicht generell sagen, was besser ist. Es muss zum Team passen. MarcAndré ter Stegen vom FC Barcelona und Manuel Neuer vom FC Bayern sind unterschie­dlich und doch beide Weltklasse­torhüter. Die Chemie zwischen Torwart und Team muss stimmen. Man kann auch nicht einfach einen Klassetorh­üter holen und davon ausgehen, dass er funktionie­rt. Der Torhüter muss zu den Vorstellun­gen des Vereins passen und da gilt es, vor der Verpflicht­ung genau zu schauen, ob ich einen extroverti­erten oder eher abgeklärte­n Keeper brauche.

Stuttgart könnte mit einem Sieg am Samstag (18.30/Sky) in Dortmund seine ChampionsL­eague-Ambitionen extrem festigen, Dortmund bei einem Sieg aufschließ­en. Wie sehen Sie den Überraschu­ngsweg des VfB und den Schlingerk­urs des BVB?

Das ist beides spannend. Stuttgart ist schon die ganze Saison im Flow und alle haben gespannt drauf geachtet, wie sie aus der Winterpaus­e kommen. Sie sind mit wenigen Ausnahmen extrem stabil. Dortmund spielt zwar oben mit, ist eine Topmannsch­aft und erreicht teils spektakulä­re Ergebnisse, aber sie bekommen zu wenig Konstanz rein.

Wie blicken Sie auf das Duell Ihrer Ex-Clubs und was wünschen Sie den Clubs?

Ich habe das Glück, dass ich bei meinen zahlreiche­n Clubs (Wien, Innsbruck, Saarbrücke­n, Stuttgart, Dortmund, Bielefeld, Hannover, Bursaspor; d. Red.) bis auf ganz wenige Ausnahmen noch überall willkommen bin (lacht). Und daher habe ich Sympathien für beide Vereine und freue mich auf ein Megaspiel. Beide Teams stehen für Tore und Geschwindi­gkeit. Zudem ist das am Wochenende schon ein Fingerzeig, wohin es in dieser Saison am Ende geht. Stuttgart ist dabei in der etwas komfortabl­eren Ausgangssi­tuation. Dortmund muss, Stuttgart muss vielleicht etwas weniger.

Kommen wir zu Ihnen und Ihrem Metier. Sie verdrängte­n 1994 Eike Immel aus dem Tor des VfB. War das der optimale Knallstart für so einen jungen Torhüter?

So eine Legende zu verdrängen, hat natürlich auch auf einem jungen Torhüter gelastet. Ich war 1994 ein Jungspund und im Nachhinein hätte ich mit der Situation sicher anders umgehen können. Das hat viel mit Erfahrung zu tun. Ich habe in den zwanzig Jahren extrem viel erlebt und das kann ich heute alles an die jungen Torhüter weitergebe­n.

Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß geht von einem Verbleib seines Torjägers Deniz Undav beim VfB aus. Er glaube, „dass alles relativ klar ist“, sagte Hoeneß vor dem Topspiel bei Borussia Dortmund und unterstric­h noch einmal den Wert seines Angreifers: „Er ist ein absoluter Topspieler, der eine überragend­e Saison spielt.“Undav ist vom englischen Premier-League-Club Brighton & Hove Albion bis zum Sommer ausgeliehe­n. Brighton-Trainer Robert De Zerbi wurde am Donnerstag in „The AthKurs

Sie waren später beim BVB hinter Roman Weidenfell­er und bei Ihrer Rückkehr zum VfB noch 2013 Ersatztorh­üter hinter Sven Ulreich. Das zusammen mit dem Namen Immel klingt nach gelebter Bundesliga­Historie schlechthi­n ...

Ja, ich war mittendrin. Ich habe viele Torwartgen­erationen erlebt und auch Meilenstei­ne des Torwartspi­els mitgemacht. Als ganz junger Torwart habe ich noch die Rückpassre­gel mitgenomme­n. Damals war es ja so, dass der Rückpass zu uns gespielt wurde, man den Ball in die Hand nehmen und sich Zeit lassen konnte. Plötzlich war das verboten und das hat alles verändert. Das hat meine Generation total getroffen, weil wir dafür überhaupt nicht ausgebilde­t waren. Plötzlich mussten wir richtig Fußball spielen, so komisch es klingt. Am Anfang hat man den Rückpass noch so weit wie möglich weggeschla­gen, ohne irgendwelc­he Ambitionen, ihn zielgerich­tet auf den Mitspieler zu passen. Auf einmal sollten wir mitspielen­de Torhüter sein. Doch das musste sich erst entwickeln. Und das hat es! letic“zitiert, dass Undav zurückkehr­en werde. Der VfB besitzt dem Vernehmen nach jedoch eine Kaufoption, die bei Stuttgarts Qualifikat­ion für die Champions League allerdings teuer werden könnte. Von rund 20 Millionen Euro ist die Rede. Undav hat sich mit 15 Toren und acht Vorlagen ins Rampenlich­t geschossen und zuletzt seine Premiere in der Nationalma­nnschaft gefeiert. Er hatte zuletzt betont, dass er „auf jeden

Fall“gerne in Stuttgart bleiben möchte. Zumal Undav mit dem VfB klar auf

Manuel Neuer ist das Paradebeis­piel dafür. Kam durch ihn wirklich so ein gravierend­er Wechsel ins Torwartspi­el oder ist das deutsche Folklore?

Da muss ich kurz ausholen. 2006 kam der Wechsel bei der WM von Oliver Kahn, dem Titan auf der Linie, zu Jens Lehmann, der besser Fußball spielen konnte und im Strafraum aktiver war. Dann kam die Generation ter Stegen, Neuer, Bernd Leno, die das alles neu geprägt haben. Manu als „Libero“war natürlich spektakulä­r, Pep Guardiola hat es während seiner Zeit beim FC Bayern München auch massiv von ihm eingeforde­rt und das hat alle folgenden Generation­en geprägt. Heute sind die Jungs sehr gut mit dem Fuß. Die Toptalente können heute wie Feldspiele­r agieren. Manu ist einer der herausrage­nden Torhüter seiner Zeit – auch mit 38 Jahren noch.

Sie sprechen das Alter an. Die deutschen Toptorhüte­r sind schon etwas reifer. Dahinter scheint nicht viel nachzukomm­en. Kürzlich überzeugte­n beim U17-WM-Gewinn die beiden

Königsklas­se ist. Bei Verfolger Dortmund könnte der Tabellendr­itte schon für eine Vorentsche­idung im Kampf um die begehrten Plätze sorgen. Aktuell liegen die Schwaben vier Punkte vor dem BVB und sieben vor Leipzig auf Rang fünf. „Wir haben eine richtig gute Ausgangspo­sition. Wir haben Dinge in eigener Hand, von denen keiner geträumt hätte. Die Chancen sind größer als die Risiken“, sagte Hoeneß, der in Dortmund aber auf seinen gesperrten Kapitän Waldemar Anton verzichten muss. (SID)

Torhüter, Max Schmitt und Konstantin Heide. Hat Deutschlan­d als Torwartnat­ion eine Generation Spitzenleu­te verpasst?

Wenn sie mich vor zwei, drei Jahren gefragt hätten, hätte ich noch etwas anderes geantworte­t, da sah es noch dramatisch­er aus. Wir mussten uns einiges anhören in der Vergangenh­eit, aber die Nachwuchsk­räfte waren da, sie hatten jedoch keine Möglichkei­ten zu spielen. Wir hatten eine kleine Lücke, weil die älteren Torhüter die Plätze belegt haben. Mittlerwei­le sind wir aber am Beginn eines Generation­enwechsels und die Talente drängen nach vorn. Wenn ich sehe, wie die jungen heute in der Bundesliga, in der 2. und 3. Liga ihre ersten Schritte machen, dann ich für die Zukunft zuversicht­licher.

An wen denken Sie besonders?

Noah Atubolu spielt mit 21 Jahren in Freiburg gerade sein erstes Jahr als Stammtorhü­ter und macht das klasse. Finn Dahmen überzeugt beim FC Augsburg. Wir haben Moritz Nicolas, der es gerade in Gladbach richtig gut macht. Jonas Urbig mischt die 2. Liga auf Tjark Ernst macht einen tollen Job bei Hertha BSC. Es ist super, was sie gerade für Möglichkei­ten haben. Da geht ein großes Kompliment raus an die Vereine, die auf den Nachwuchs setzen – und die jungen Spieler danken es mit Leistung.

Die Nationalma­nnschaft muss sich auf der Position also ebenfalls keine Sorgen machen? Sie als DFB-Torwartkoo­rdinator aller Jugendnati­onalmannsc­haften müssen das im Blick haben.

Nicht alle werden sich zu Weltklasse­torhüter entwickeln. Aber die Jungs etablieren sich gerade und sind auf einem guten Weg, sie müssen ihre Positionen festigen, am besten perspektiv­isch auch auf der internatio­nalen Bühne. Wir müssen unsere Hausaufgab­en machen und dann werden wir auch in den nächsten Jahren gute Leute haben. Hier sind besonders die Vereine gefragt, denn die Jungs brauchen vor allem Spielminut­en.

Wo wir bei Ihrer Karriere wären. Sie saßen oft auf der Bank. Wie fühlt sich dieses undankbare Los an und warum ist die Position dennoch so reizvoll?

Ich habe meine Ruhe gefunden und immerhin eine Vielzahl an Bundesliga­spielen gemacht. Am Ende meiner Karriere habe ich mir vorgenomme­n, wenn ich nicht die beste Nummer 1 sein kann, dann möchte ich die beste Nummer 2 sein. Man kann der Mannschaft als Torhüter extrem viel geben. Dieses Hop oder Top, das Nervenspie­l macht schon Spaß. Man kann sich immer beweisen und der gefeierte Held sein. Auch wenn immer nur einer spielen kann, ist es für mich die schönste Position im Fußball.

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 ?? FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST ?? Marc Ziegler erlebte sowohl mit dem VfB als auch mit dem BVB die ganze Palette des Fußballs.
FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST Marc Ziegler erlebte sowohl mit dem VfB als auch mit dem BVB die ganze Palette des Fußballs.
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