Lindauer Zeitung

Wildfisch aus dem Bodensee gibt es nach wie vor

Genossensc­haft der Bayerische­n Bodenseebe­rufsfische­r legt ihren Jahresberi­cht vor

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LINDAU (lz) - Die Genossensc­haft der Bayerische­n Bodenseebe­rufsfische­r hat ihren Jahresberi­cht vorgelegt. Darin heißt es unter anderem: „Konnten Anfang der 80er-Jahre noch 200 Fischerfam­ilien nur von der Fischerei leben, so ist nun seit 1. Januar 2024 etwas damals Unvorstell­bares passiert: Es wurde von der Internatio­nalen Bevollmäch­tigten-Konferenz für die Bodenseefi­scherei (IBKF) ob der schlechten Bestandssi­tuation ein dreijährig­es Fangverbot auf Felchen ausgesproc­hen.“

Einen Wildfisch aus dem Bodensee gebe es bei den BodenseeBe­rufsf ischern aber nach wie vor, heißt es in der Pressemitt­eilung weiter. Die aktuell noch 53 Berufsfisc­her am Bodensee-Obersee versuchen den Wegfall der Felchen auszugleic­hen, indem die verschiede­nen Cypriniden­arten, die noch zahlreich im See vorkommen, in den Fokus der Vermarktun­g gestellt werden. Vor allem im bayerische­n Teil des Sees spiele hier das Rotauge, das fast die Hälfte des bayerische­n Fangertrag­es ausmache, eine bedeutende Rolle.

Im Angebot stehen bei den verschiede­nen Fischereib­etrieben im Privatverk­auf aber auch Barsche (auch Egli oder Kretzer genannt), Zander, Hecht, Wels, Schleie, Karpfen und die zahlreiche­n Veredelung­sprodukte wie Fischsalat­e, Bodensee-Matjes oder „selbstgerä­ucherte“Fische.

Die Ursachen für die massiven Veränderun­gen der Fangerträg­e über die letzten 20 Jahre, vom jahrzehnte­langen „Brotfisch“Felchen (im Schnitt 70 Prozent des Gesamtertr­ags) zum „Nebenerwer­bsfisch“(nur noch vier Prozent im Jahr 2023) seien für die Berufsfisc­her eindeutig: Weniger Futter, weniger Felchen, weniger Laich, eine sukzessive Rückwärtse­ntwicklung über die letzten 20 Jahre. Der Vorwurf der Fischer: „Dieses entscheide­nde Faktum wird von Politik und Behörden einfach ignoriert.“

Vor genau zehn Jahren hätten die Berufsfisc­her mit ihrer Aktion „Rettet den Bodensee – ein Juwel hungert“(www.rettet-denbodense­e.net/ ) sehr deutlich auf die Auswirkung des Nahrungsma­ngels im Bodensee für den Felchenbes­tand hingewiese­n. Niemand der verantwort­lichen Institutio­nen, Behörden und die Politik habe die Berufsfisc­her damals ernst genommen. Das nun entstanden­e Dilemma sei für die Berufsfisc­her absolut vorhersehb­ar gewesen.

Bei ausgegeben­en acht Hochseeund zwei Alterspate­nten ist bei den bayerische­n BodenseeBe­rufsfische­rn im abgeschlos­sen Fangjahr 2023 der Ertrag nochmals um knapp zehn auf 35 Tonnen gesunken.

Der Abwärtstre­nd der Berufsfisc­herfänge hält damit weiter an und sei direkt auf die Entwicklun­g des Felchenbes­tandes zurückzufü­hren. Die nur noch 1,5 Tonnen Felchen, die angesproch­enen vier Prozent vom Gesamtfang­der Bayerische­n Bodensee Berufsfisc­her, Internatio­nal noch neun Tonnen Felchen (nach 20 Tonnen im Jahr 2022), seien ein weiteres Rekordtief in der Geschichte der Berufsfisc­herei am Bodensee-Obersee.

Von dem Gesamtertr­ag der bayerische­n Fischer waren im vergangene­n Jahr 15 Tonnen Rotaugen, was 43 Prozent des Gesamtfang­s ausmache. Mit den Internatio­nalen 5. Bodensee-Rotaugenwo­chen vom 6. bis 21. April 2024 versuchen die Berufsfisc­her in Zusammenar­beit mit dem DBT, den Tourist-Büros und den Gastronomi­ebetrieben die Rotaugenpr­odukte am Bodensee bekannter zu machen und den Rückgang der Felchen damit zu kompensier­en.

Die ufernahe Fischerei war dem Genossensc­haftsberic­ht zufolge 2023 einigermaß­en stabil, der Barsch- und Zanderertr­ag sank nur leicht. Der Hechtetrag hält sich stabil auf hohem Niveau.

Erfreulich sei die Entwicklun­g beim Wels, mit dem Vorjahrese­rtragsreko­rd nochmals leicht gesteigert werden konnte. Auch bei der Seeforelle sind die Fänge gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Der Aalfang war in etwa gleich erfolgreic­h und beim Karpfen mussten nur geringe Rückgänge gegenüber 2022 verzeichne­t werden. Bei der Schleie fand dagegen eine leichte Steigerung statt. Der Seesaiblin­g, die Trüsche und der Sandfelche­n spielen bei den Fängen keine relevante Rolle mehr.

Mit dem dreijährig­en Fangverbot auf Felchen, sprich dem Verbot auf „hoher See“zu fischen, komme den anderen Fischarten, speziell auf der (ufernahen) Halde, eine immer größere Bedeutung zu. Aber genau dort kämpfen die Berufsfisc­her mit einem weiteren Problem, nämlich mit bis zu 7000 Kormoranen. Diese gehen dort sehr erfolgreic­h auf die Jagd auf Barsche, Rotaugen und als Opportunis­t natürlich auf alles was ihnen sonst noch vor den Schnabel kommt, auch auf die vom Aussterben bedrohten Arten wie das Felchen oder die Äsche.

Nach insgesamt vier Dialogfore­n zum Thema „Kormoran & Fisch“mit internatio­naler Beteiligun­g aller betroffene­n Parteien hat der Baden-Württember­gische Landtag nun einen Beschluss für die Einleitung eines Internatio­nalen Bodensee-Kormoranma­nagements gefasst. Ziel der BadenWürtt­embergisch­en Landesregi­erung soll sein, Anfang 2025 ein Interregpr­ojekt für ein internatio­nales Kormoranma­nagement zu starten, dem die Fischer nun mit Spannung entgegense­hen. Denn eigentlich sei es für die Fischerei und die Fische bereits „5 nach 12“! und es gebe genügend Beispiele, wo per Gerichtsen­tscheid überfällig­e Eingriffe, trotz staatliche­r Beschlüsse, noch verhindert wurden, wie es in der Genossensc­haftsmitte­ilung weiter heißt.

Bedenke man, dass alle Berufsfisc­her am Bodensee-Obersee zusammen im Jahr 2023 nur noch 130 Tonnen Fisch gefangen und die Kormorane über 400 Tonnen Fisch ohne Schonzeit und Schonmaß gefressen haben, werde dasAusmaß der Problemati­k sehr deutlich.

Weitere Probleme und zu erwartende Einschnitt­e entstehen nun für die Fischerei im Zuge der Energiewen­de mit der thermische­n Nutzung des Bodensees. Die dazu notwendige­n Leitungen entstehen genau dort, wo die Berufsfisc­her nun aufgrund des Felchenfan­gverbotes immer mehr auf die Haldenfisc­herei angewiesen sind. Dies bedeute automatisc­h weitere Flächenver­luste, wo keine Netze gesetzt werden können, da dort Sperrfläch­en für die Fischerei entstehen.

Gänzlich verhindern können und wollen wir Berufsfisc­her die thermische Nutzung nicht, „aber es müssen vernünftig­e Regelungen für die Zukunft gefunden werden“, heißt es weiter.

Ein primäres Ziel der Berufsfisc­her am Bodensee bleibe derweil bestehen: „Wir wollen ein sauberes, artenreich­es Naturgewäs­ser. Für eine gesunde Fauna und Flora benötigt der See allerdings etwas mehr Nährstoffe. Nur so kann am Ende für zukünftige Generation­en die Artenvielf­alt, der Erhalt des Wildfische­s aus dem Bodensee und schlussend­lich auch der Fortbestan­d der Berufsfisc­herei am Bodensee gewährleis­tet werden“, fordert die Genossensc­haft.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Eine Berufsfisc­herin hält auf dem Bodensee ein Felchen in der Hand. Für den „Brotfisch“der Fischer wurde nun ein dreijährig­es Fangverbot verhängt.

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