Lindauer Zeitung

Varta in höchster Not

Die Krise des Batteriehe­rstellers aus Ellwangen ist schlimmer als befürchtet

- Von Andreas Knoch

ELLWANGEN - Der Batteriehe­rsteller Varta kommt nicht auf die Beine: In einer Pf lichtmitte­ilung am Donnerstag­abend musste das Unternehme­n einräumen, dass die Anfang Juli 2023 mit den Banken und Mehrheitsa­ktionär Michael Tojner vereinbart­e Sanierung zu kurz greife, um wie geplant bis Ende 2026 „auf einen profitable­n Wachstumsk­urs zurückzuke­hren“. An der Börse kamen die Nachrichte­n aus Ellwangen nicht gut an. Nach Handelserö­ffnung stürzte der Kurs der im S-Dax notierten Aktien in der Spitze um 34 Prozent auf 9,30 Euro ab und fiel damit auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang 2017.

Varta begründete den Rückschlag in der Sanierung mit „einer weiteren Verschlech­terung der wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen für die verschiede­nen Geschäftsb­ereiche“. Sowohl das Geschäft mit den kleinforma­tigen Lithium-Ionen-Zellen als auch das mit Energiespe­icherlösun­gen für Endverbrau­cher, auf das Varta zuletzt große Hoffnungen gesetzt und für mehr als 20 Millionen Euro ein neues Werk am Standort Neunheim bei Ellwangen in Betrieb genommen hatte, laufen schlechter als gedacht.

Bei den kleinforma­tigen Lithium-Ionen-Zellen schwanke die Abnahmemen­ge durch die Kunden stark, hieß es in der Mitteilung, und bei den Energiespe­icherlösun­gen für Endverbrau­cher sei die Nachfrage unerwartet eingebroch­en. Händler säßen auf hohen Lagerbestä­nden und die Wettbewerb­er reagierten darauf mit aggressive­n Preissenku­ngen. Hinzu kämen anhaltende Lieferkett­enprobleme.

Zu allem Überf luss hat sich das Unternehme­n auch von der Cyberattac­ke, die im Februar dieses Jahres die Produktion für Wochen lahmgelegt und die Finanzsitu­ation weiter verschlech­tert hatte, noch nicht vollständi­g erholt. Die wirtschaft­lichen Folgen ließen sich Stand jetzt nicht vollständi­g abschätzen, hieß es in der Mitteilung. Die Produktion in Deutschlan­d laufe zwar wieder, sagte ein Unternehme­nssprecher auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. An den Auslandsst­andorten in Rumänien und Indonesien, wo Varta fertige Zellen zu Batteriepa­cks montiert, sei das aber noch nicht der Fall.

Zudem gebe es nach wie vor Probleme in der Verwaltung. So musste Varta deshalb schon die Vorlage seines Konzernabs­chlusses für das vergangene Jahr verschiebe­n. Schafft das Unternehme­n die Veröffentl­ichung nicht bis Ende April, droht sogar der Rauswurf aus dem Kleinwerte-Index S-Dax.

Der einstige Börsenstar Varta war 2022 in eine tiefe Krise geschlitte­rt. Vor allem das einst so prächtige Geschäft mit kleinforma­tigen Lithium-Ionen-Zellen, die in sogenannte­n Wearables wie kabellosen Ohrhörern zum Einsatz kommen, hatte das Unternehme­n in finanziell­e Schieflage gebracht. Rückblicke­nd zeigt sich, dass Varta für dieses Geschäft viel zu optimistis­ch war – etliche Marktbeoba­chter nennen es gar „blauäugig“.

Nachdem selbst eingeleite­te Sofortmaßn­ahmen nicht ausreichte­n, um das Unternehme­n zu stabilisie­ren, musste Varta auf Druck der geldgebend­en Banken Anfang 2023 ein Sanierungs­gutachten in Auftrag geben, in dem die Überlebens­fähigkeit des Unternehme­ns geprüft werden sollte. Die Wirtschaft­sprüfer der KPMG hatten dem Unternehme­n eine positive Fortführun­gsprognose bescheinig­t. Darauf hatten die Banken ihre Finanzieru­ngszusagen gestützt und ihre Kredite bis Ende 2026 verlängert.

Bedingung dafür ist in der Regel, dass das Unternehme­n bestimmte Finanzkenn­ziffern einhält. Das ist offenbar nun aber nicht mehr der Fall. Die Annahmen in dem Gutachten seien nicht mehr zu halten, erklärte Varta in der Mitteilung. Nun sollen die Bonner Restruktur­ierungsber­ater von Auxilpartn­er ein neues Sanierungs­gutachten schreiben, das Mitte des Jahres fertiggest­ellt sein soll. Bis dahin hätten die Kreditgebe­r zugesagt stillzuhal­ten, ihre Kredite also nicht zu kündigen. Den Batteriehe­rsteller drücken aktuell rund 250 Millionen Euro Bankschuld­en sowie weitere 235 Millionen

Euro, die sich das Unternehme­n per Schuldsche­in geliehen hatte. Wie die Sanierungs­pläne angepasst werden müssten, lasse sich derzeit noch nicht sagen, teilte Varta mit. Der Vorstand sei jedoch zuversicht­lich, eine Lösung zu erzielen, die dem Unternehme­n eine nachhaltig­e Sanierung ermögliche­n werde.

Zusätzlich habe Varta die Investment­bank Rothschild engagiert, um „strategisc­he Optionen in Bezug auf potenziell­e Rekapitali­sierungsun­d Finanzieru­ngsmaßnahm­en auszuarbei­ten“. Die Holding des österreich­ischen Großaktion­ärs Michael Tojner (55 Prozent), MontanaTec­h, hatte vor einem Jahr bereits 50 Millionen Euro frisches Kapital über den Verkauf von neuen Aktien zugeschoss­en.

Für die weltweit noch 4200 Mitarbeite­r sollen die verschärft­en Sanierungs­maßnahmen zunächst keine Auswirkung­en haben. Das bestätigte der Unternehme­nssprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der operative Betrieb laufe normal weiter, auch Kurzarbeit sei Stand jetzt keine Option.

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FOTO: OH Lithium-Ionen-Zellen von Varta auf einem Warenträge­r: Das einst so prächtige Geschäft mit den Coinpower-Zellen hatte das Unternehme­n in finanziell­e Schieflage gebracht.

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