Varta in höchster Not
Die Krise des Batterieherstellers aus Ellwangen ist schlimmer als befürchtet
ELLWANGEN - Der Batteriehersteller Varta kommt nicht auf die Beine: In einer Pf lichtmitteilung am Donnerstagabend musste das Unternehmen einräumen, dass die Anfang Juli 2023 mit den Banken und Mehrheitsaktionär Michael Tojner vereinbarte Sanierung zu kurz greife, um wie geplant bis Ende 2026 „auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren“. An der Börse kamen die Nachrichten aus Ellwangen nicht gut an. Nach Handelseröffnung stürzte der Kurs der im S-Dax notierten Aktien in der Spitze um 34 Prozent auf 9,30 Euro ab und fiel damit auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang 2017.
Varta begründete den Rückschlag in der Sanierung mit „einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Geschäftsbereiche“. Sowohl das Geschäft mit den kleinformatigen Lithium-Ionen-Zellen als auch das mit Energiespeicherlösungen für Endverbraucher, auf das Varta zuletzt große Hoffnungen gesetzt und für mehr als 20 Millionen Euro ein neues Werk am Standort Neunheim bei Ellwangen in Betrieb genommen hatte, laufen schlechter als gedacht.
Bei den kleinformatigen Lithium-Ionen-Zellen schwanke die Abnahmemenge durch die Kunden stark, hieß es in der Mitteilung, und bei den Energiespeicherlösungen für Endverbraucher sei die Nachfrage unerwartet eingebrochen. Händler säßen auf hohen Lagerbeständen und die Wettbewerber reagierten darauf mit aggressiven Preissenkungen. Hinzu kämen anhaltende Lieferkettenprobleme.
Zu allem Überf luss hat sich das Unternehmen auch von der Cyberattacke, die im Februar dieses Jahres die Produktion für Wochen lahmgelegt und die Finanzsituation weiter verschlechtert hatte, noch nicht vollständig erholt. Die wirtschaftlichen Folgen ließen sich Stand jetzt nicht vollständig abschätzen, hieß es in der Mitteilung. Die Produktion in Deutschland laufe zwar wieder, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. An den Auslandsstandorten in Rumänien und Indonesien, wo Varta fertige Zellen zu Batteriepacks montiert, sei das aber noch nicht der Fall.
Zudem gebe es nach wie vor Probleme in der Verwaltung. So musste Varta deshalb schon die Vorlage seines Konzernabschlusses für das vergangene Jahr verschieben. Schafft das Unternehmen die Veröffentlichung nicht bis Ende April, droht sogar der Rauswurf aus dem Kleinwerte-Index S-Dax.
Der einstige Börsenstar Varta war 2022 in eine tiefe Krise geschlittert. Vor allem das einst so prächtige Geschäft mit kleinformatigen Lithium-Ionen-Zellen, die in sogenannten Wearables wie kabellosen Ohrhörern zum Einsatz kommen, hatte das Unternehmen in finanzielle Schieflage gebracht. Rückblickend zeigt sich, dass Varta für dieses Geschäft viel zu optimistisch war – etliche Marktbeobachter nennen es gar „blauäugig“.
Nachdem selbst eingeleitete Sofortmaßnahmen nicht ausreichten, um das Unternehmen zu stabilisieren, musste Varta auf Druck der geldgebenden Banken Anfang 2023 ein Sanierungsgutachten in Auftrag geben, in dem die Überlebensfähigkeit des Unternehmens geprüft werden sollte. Die Wirtschaftsprüfer der KPMG hatten dem Unternehmen eine positive Fortführungsprognose bescheinigt. Darauf hatten die Banken ihre Finanzierungszusagen gestützt und ihre Kredite bis Ende 2026 verlängert.
Bedingung dafür ist in der Regel, dass das Unternehmen bestimmte Finanzkennziffern einhält. Das ist offenbar nun aber nicht mehr der Fall. Die Annahmen in dem Gutachten seien nicht mehr zu halten, erklärte Varta in der Mitteilung. Nun sollen die Bonner Restrukturierungsberater von Auxilpartner ein neues Sanierungsgutachten schreiben, das Mitte des Jahres fertiggestellt sein soll. Bis dahin hätten die Kreditgeber zugesagt stillzuhalten, ihre Kredite also nicht zu kündigen. Den Batteriehersteller drücken aktuell rund 250 Millionen Euro Bankschulden sowie weitere 235 Millionen
Euro, die sich das Unternehmen per Schuldschein geliehen hatte. Wie die Sanierungspläne angepasst werden müssten, lasse sich derzeit noch nicht sagen, teilte Varta mit. Der Vorstand sei jedoch zuversichtlich, eine Lösung zu erzielen, die dem Unternehmen eine nachhaltige Sanierung ermöglichen werde.
Zusätzlich habe Varta die Investmentbank Rothschild engagiert, um „strategische Optionen in Bezug auf potenzielle Rekapitalisierungsund Finanzierungsmaßnahmen auszuarbeiten“. Die Holding des österreichischen Großaktionärs Michael Tojner (55 Prozent), MontanaTech, hatte vor einem Jahr bereits 50 Millionen Euro frisches Kapital über den Verkauf von neuen Aktien zugeschossen.
Für die weltweit noch 4200 Mitarbeiter sollen die verschärften Sanierungsmaßnahmen zunächst keine Auswirkungen haben. Das bestätigte der Unternehmenssprecher der „Schwäbischen Zeitung“. Der operative Betrieb laufe normal weiter, auch Kurzarbeit sei Stand jetzt keine Option.