Gehader um das Gasnetz
Diskussion um die Wärmewende kocht hoch – Wie es in der Region mit der Versorgung weitergehen soll
RAVENSBURG/BALINGEN/AALEN Augsburg will bis in zehn Jahren einen großen Teil seines Gasnetzes stilllegen. Derlei Meldungen geisterten in dieser Woche durch den Äther. Doch das stimmt so nicht. „Wir legen unser Netz nicht still, bauen es auch nicht zurück, kündigen keinen Gaskunden und drehen auch niemandem den Gashahn zu“, sagt Jürgen Fergg, Pressesprecher der Stadtwerke Augsburg auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Doch trotzdem kommt mittlerweile viel Bewegung in die Diskussion um den Weiterbestand der Gasnetze, auch in der Region.
Wieso gibt es die Diskussion um die Gasnetze?
Grund ist zum einen das Wärmeplanungsgesetz, das der Bundestag bereits im November des vergangenen Jahres beschlossen hat. Dadurch ist jede Kommune dazu verpflichtet, bis 2028 einen konkreten Plan darüber aufzustellen, wie sie ihre Haushalte und Unternehmen zukünftig mit möglichst billiger und gleichzeitig klimafreundlicher Wärmeenergie versorgen will. Zum anderen hat sich das Land Baden-Württemberg das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein. Beide Regelungen wirken sich auf die Gasnetze im Land aus. Denn das Heizen mit Gas ist klimaschädlich. Sowohl bei der Gewinnung als auch beim Transport und bei der Verbrennung entstehen klimaschädliche Gase.
„Wenn die Gasversorgung in bestimmten Gebieten keine Rolle mehr spielt, weil es andere Alternativen gibt, muss man sich die Frage stellen, was mit den Gasnetzen geschieht. Dies ist eine Aufgabe, die Gemeinden gemeinsam mit den Versorgern vor Ort lösen müssen“, sagt Torsten Höck, Geschäftsführer des Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft in Baden-Württemberg. Aufgrund dieser Fragen sei die kommunale Wärmeplanung so wichtig. Jede Gemeinde, jede Stadt und jedes Stadtviertel hätten unterschiedliche Voraussetzungen.
Wie reagieren die Stadtwerke in der Region?
In vielen Orten bietet die Fernwärme eine praktische Option, die Wärmeversorgung klimaDementsprechend freundlicher zu gestalten. So auch in Ravensburg. Die Technischen Werke Schussental (TWS) bauen das entsprechende Netz aktuell in der Innenstadt aus. Das Gasnetz bleibt trotzdem zunächst bestehen. „Es gibt derzeit noch keine konkreten Planungen zur Stilllegung des Gasnetzes in Ravensburg oder in Teilen davon“, sagt Helmut Hertle, Geschäftsführer der TWS.
Klar sei aber auch, dass an den Orten in Ravensburg, an denen gerade die Fernwärme ausgebaut wird, nicht mehr in das bestehende Gasnetz investiert wird. „In diesen Gebieten garantieren wir aber eine Übergangszeit für mindestens fünf Jahre für die Versorgung von Gebäuden mit bestehenden Gas-Hausanschlüssen“, so Hertle.
Auf der Ostalb gibt es derweil schon konkretere Pläne zur Stilllegung des Netzes. Der Aalener Netzbetreiber Terranets habe angekündigt, ab 2040 kein Erdgas mehr durch die städtischen Netze leiten zu wollen, wie ein Sprecher der Stadtwerke Aalen mitteilt. sei eine Gasheizung für Neubauten auch keine Option mehr. Für Bestandsgebäude komme es auf die konkrete Situation an. „Grundsätzlich muss jeder Gebäudebesitzer die alternativen Optionen prüfen und eine individuelle Lösung finden, hier lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen“, so der Sprecher der Stadtwerke Aalen.
Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, bereits bis 2035 klimaneutral zu werden. Dafür hat Aalen einen Energieleitplan aufgestellt, in dem aktuell erörtert wird, wie die einzelnen Stadtteile am klimafreundlichsten beheizt werden können.
Auch in Balingen macht man sich Gedanken über nachhaltigeres Heizen. „In Erfüllung unserer gemeinsamen Verpflichtung zur Gestaltung der Energiewende hat die Stadt Balingen einen Klimaschutzmanager eingestellt“, erklärt eine Sprecherin der Stadtwerke Balingen. Schlüsselinstrument sei hierbei die kommunale Wärmeplanung. „Durch diese Planung sind wir auf einem guten
Weg, die notwendigen Informationen und Daten zu sammeln, die es uns ermöglichen werden, fundierte Entscheidungen über die Zukunft unserer Energieinfrastruktur zu treffen“, so die Sprecherin. Pläne, das örtliche Gasnetz abzuschalten, gebe es indes nicht.
Gibt es einen Anschlusszwang an die Fernwärme?
Die TWS sagt hierzu klar: nein. „Hausbesitzer haben weiterhin die Möglichkeit, sich alternativ für eine eigene dezentrale Wärmeerzeugung zu entscheiden, wie beispielsweise für eine Wärmepumpe. Es herrscht kein Anschlusszwang“, sagt Helmut Hertle. Für viele Menschen, die aktuell in der Region mit Gas heizen, wird es allerdings entscheidend sein, ob zukünftig Wasserstoff durch das bestehende Netz geleitet werden kann. Die Voraussetzungen dafür sind gut.
„Die Transformation der Gasverteilnetze auf 100 Prozent Wasserstoff ist technisch ohne Probleme umsetzbar. Schon heute sind 97 Prozent aller Rohrleitungen in den Verteilnetzen H2-ready“, sagt Andreas Schick, Geschäftsführer der Netze-Gesellschaft Südwest.
Die Stadtwerke Aalen verweisen darauf, dass die Umstellung auf Wasserstoff davon abhängig sei, ob die Stadt an die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL) angeschlossen werden könne.
Entgegen ihrem Namen soll die Pipeline ab 2030 nämlich Wasserstoff transportieren. Auch die Stadtwerke Balingen sprechen von einem „BackboneNetz“, also einer übergeordneten Wasserstoff-Infrastruktur, die erst noch geschaffen werden müsse, bevor konkrete Überlegungen angestellt werden. Die TWS haben es indes bereits geschafft, einen Anschluss des mittleren und unteren Schussentals an das neue Wasserstoff-Kernnetz zu erwirken. „Derzeit werden die konkreten technischen Konzepte erarbeitet, um einen möglichst kostengünstigen Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff zu ermöglichen“, sagt Geschäftsführer Hertle.