Wie Antibiotika wirksam bleiben sollen
Forscher versuchen zu verhindern, dass Keime resistent werden – Wie es gelingen könnte, zeigt eine Studie aus den USA
Es war einer der ganz großen Meilensteine in der Geschichte der Medizin, als im Jahr 1941 zum ersten Mal das Antibiotikum Penicillin gegen Infektionen mit krankmachenden Bakterien eingesetzt wurde. Heute wird diese Waffe gegen die gefährlichen Mikroorganismen allerdings allmählich stumpfer, weil Bakterien inzwischen recht häufig Widerstandskräfte entwickeln und manche Mikroorganismen sogar mehreren solcher Antibiotika trotzen.
Das Problem wird global immer größer. Allein 2019 sollen auf der Welt 1,27 Millionen Menschen durch solche Resistenzen gestorben sein, erklärt eine Forschungsgruppe um Andrew Myers von der Harvard University in Cambridge in der Zeitschrift „Science“. Der Wissenschaftler stellt gleichzeitig einen neuen Wirkstoff vor, der solche multiresistenten Keime effektiv abwehrt.
„Das ist ein sehr schönes Paper, das einen Weg zu Antibiotika aufzeigt, die auch mit solchen multiresistenten Keimen fertigwerden“, erklärt Mark Brönstrup. Der Chemiker leitet die Abteilung für Chemische Biologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und sucht dort nach neuen, wirksamen Mechanismen, um die gefährlichen Keime unschädlich zu machen. An der Studie der USGruppe aber war der HZI-Forscher nicht beteiligt.
„Mit gezielten Berechnungen zur Verbesserung altbekannter Wirkstoffe haben sie ein Molekül so designt, dass es sich zielgenau an die Ribosomen genannten Proteinfabriken der Zellen anheftet und so die Bakterien außer Gefecht setzt“, ergänzt Simon Heilbronner. Der Mikrobiologe forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München vor allem über Möglichkeiten, Infektionen mit Staphylococcus aureus Bakterien zu verhindern, die Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln können, und war an der Studie der Gruppe um Andrew Myers ebenfalls nicht beteiligt.
Entstanden sind viele Antibiotika in der Natur: „Mikroorganismen produzieren dort Wirkstoffe,
mit denen sie Konkurrenten an der Vermehrung hindern oder diese zerstören“, erklärt der LMUForscher. Als diese Substanzen verwendet wurden, um in der Medizin gefährliche Infektionskeime zu bekämpfen, wurden diese Antibiotika manchmal sogar als wahre Wundermittel betrachtet.
Allerdings funktionieren die Prozesse der Evolution auch im menschlichen Körper, und in den mit Antibiotika beharkten Mikroorganismen entstanden mit der Zeit Veränderungen, mit denen die Auswirkungen der Wirkstoffe abgemildert oder sogar vermieden werden können.
Diese ersten Resistenzen bekämpfte die Forschung, indem sie zum Beispiel die natürlichen Wirkstoffe mit den Mitteln der Chemie veränderte und so die Antibiotikawirkung wieder herstellte. Ein Wettlauf zwischen den gefährlichen Keimen und der Forschung hatte begonnen, in dem die Mikroorganismen relativ gute Chancen hatten.
Andrew Myers und sein Team wollen das jetzt mit einem neuen Ansatz aufbrechen. Die Gruppe ging zunächst von einem Wirkstoff aus, der in den Ribosomen die Produktion von Proteinen blockiert und so die betroffenen Mikroorganismen außer Gefecht setzt. Die US-Gruppe hat nun im Verlaufe ihrer Forschungen, in denen sie darauf abzielte, die Anpassungsfähigkeit der Mikroorganismen zu durchbrechen, mithilfe von Computerberechnungen ein kaum bewegliches, relativ steifes Molekül produziert, das sehr passgenau ist. Es hängt sich besonders gut an das Ribosom und kann so die gefährlichen Keime gezielt ausschalten. „Diese Versteifungsstrategie ist sehr interessant und könnte auch für andere Wirkstoffe verwendet werden“, sagt Mark Brönstrup.
Auch das könnte ein Weg sein, zukünftige Resistenzen wieder auszuhebeln. Denn von einem sind beide deutsche Forscher überzeugt: Auch an den in den USA entwickelten neuen Wirkstoff Cresomycin, der in allen Untersuchungen sehr gut abgeschnitten hat, werden die Bakterien sich anpassen und mit der Zeit neue Resistenzen entwickeln. Denen man mit den von Andrew Myers vollsynthetischen Verbindungen ein wenig aus dem Weg gehen könnte, um neue oder bessere Antibiotika zu entwickeln. Auf diese aber ist die Medizin des 21. Jahrhunderts angewiesen, weil sie ohne gut funktionierende Antibiotika in einigen Bereichen nicht auskommt.
So wird bei Transplantationen das Immunsystem des Empfängers stark gedämpft, damit es das neue Organ nicht gleich wieder abstößt. Um in dieser Situation Bakterieninfektionen zu verhindern, erhalten die Betroffenen Antibiotika, die möglichst auch mit Resistenzen fertig werden sollen.