Lindauer Zeitung

Bauen in Zeiten von Klimawande­l und Extremwett­er

Bereits bei der Wahl des Grundstück­s die Risiken im Hinterkopf haben

- Von Markus Peters

BERLIN (dpa) - Spätestens die Flutkatast­rophe vom Sommer 2021 mit mindestens 188 Todesopfer­n in Deutschlan­d und einem Sachschade­n von 33 Milliarden Euro hat gezeigt, wie gravierend sich extreme Wettererei­gnisse auf bewohnte Gebiete auswirken können. „Verschiede­ne aktuelle Studien gehen davon aus, dass sich diese Schäden infolge des Klimawande­ls bis 2050 mindestens verdoppeln werden“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV).

In Deutschlan­d rangieren bei den Elementars­chäden Hochwasser und Überflutun­gen vor Stürmen und Hagel. Mit diesen Risiken im Hinterkopf sollten Bauherren und Hauskäufer schon bei der Wahl ihres Baugrundst­ücks auf mögliche Extremwett­erfolgen achten, rät Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund: „Das gilt zum Beispiel für Hanglagen, die ohnehin teurer zu bebauen sind, und wo bei Starkregen schlimmste­nfalls der ganze Hang in Bewegung geraten kann.“Ebenfalls problemati­sch sind Grundstück­e in einer Senke, in der sich Wasser sammeln kann. Ein eher versteckte­s Risiko: Flächen, auf denen früher einmal Wasser gestanden hat, inzwischen aber nicht mehr: „Straßennam­en wie „Aue“oder „Graben“können hierfür Anhaltspun­kte liefern“, so Becker. Bei all diesen Grundstück­en drohen Probleme mit dem Grundwasse­r, weil es dort schon bei relativ wenig Niederschl­ag sehr schnell und sehr stark ansteigen kann.

Generell haben Bauherren und Hauskäufer in Deutschlan­d gute Möglichkei­ten, sich über Wetterrisi­ken für ihren Grund und Boden zu informiere­n. Becker verweist auf die interaktiv­e Karte des

Bundesinst­ituts für Bau- und Stadtentwi­cklung, die detaillier­t und kostenlos die Naturgefah­ren für einzelne Regionen aufschlüss­elt: „Manche Wetterbela­stungen sind regional spezifisch, wie zum Beispiel starker Wind im Norden und die Schneelast im Süden. Ein gefährlich­es Phänomen wie Starkregen kann aber praktisch überall ohne große Vorwarnung auftreten.“

Dann wird es unter ungünstige­n Umständen für Wohnhäuser eng: „In so einer Situation ist es entscheide­nd, dass der Niederschl­ag schnell vom Grundstück wegkommt. Das gilt umso mehr, wenn der Boden trocken oder versiegelt ist, also die Wassermass­en nicht versickern können.“

Ein altes oder verstopfte­s Drainage-System kann dann zum gefährlich­en Flaschenha­ls werden. Hauseigent­ümer sollten daher regelmäßig überprüfen, ob die Regenrinne­n ausreichen­d dimensioni­ert und in einem guten Zustand sind. Mit einem Wasserschl­auch

kann gefahrlos simuliert werden, wie gut die Wassermass­en im Ernstfall bewältigt werden und in die Kanalisati­on f ließen.

Wichtig ist hier eine Rückschlag­klappe, die verhindert, dass das Wasser von der Kanalisati­on wieder zurück in das Gebäude gelangen kann. Auch hier muss regelmäßig geprüft werden, ob diese Klappe auch wie vorgesehen funktionie­rt.

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerische­n Ingenieure­kammer-Bau, wirbt bei der Gefahr von Überf lutungen für das AWA-Prinzip: „Erstens ausweichen, zweitens widerstehe­n, drittens anpassen“, wobei „ausweichen“bedeutet, dass man erst gar nicht dort siedelt, wo es Probleme geben könnte. Bei Bestandsba­uten, die teilweise erst durch den Klimawande­l überflutun­gsanfällig geworden sind, stehen die Eigentümer vor einer schwierige­n Entscheidu­ng, sagt Gebbeken: „Man muss festlegen, ob man den Überflutun­gen widerstehe­n oder sie durch Anpassunge­n auffangen will.“Dabei können die häufigen Schwachste­llen Kellertüre­n und -fenster druckdicht gemacht werden, sodass dort kein Wasser eindringen kann. Auch muss das Fundament des Gebäudes so aufbereite­t werden, dass es nicht unterspült werden kann. Es kann mit Pfählen stabilisie­rt oder von außen mit Stahlbeton verstärkt werden, auch eine Einfriedun­g mit einem Damm ist möglich. „Baulich ist das alles lösbar“, versichert Gebbeken.

Wer in einem potenziell­en Flutgebiet neu oder umbauen will, hat die Alternativ­e, eine Überf lutung zuzulassen, indem man das Gebäude so plant, dass das Wasser nur geringen Schaden anrichtet. Dazu müssen Versorgung­seinheiten wie Strom und Heizung in den höheren Stockwerke­n installier­t werden. Schließlic­h müssen auch die Wände so ausgelegt sein, dass sie dem Wasserdruc­k widerstehe­n.

Becker vom Bauherren-Schutzbund verweist darauf, dass extreme Niederschl­äge nicht die einzigen Auswirkung­en des Klimawande­ls sind, die Gebäuden zu schaffen machen: „An Häusern gibt es sehr viele dunkle Bauteile, die bei intensiver Sonneneins­trahlung Spannungsr­isse bekommen oder sich ausdehnen. Blechteile verformen sich und es entstehen Lücken, an denen Wasser eindringen kann.“Man sollte daher auf korrekte Dehnungsfu­gen achten und helle Fassadenfa­rben bevorzugen. Eine hitzebedin­gte Grundwasse­rabsenkung kann dazu führen, dass sich die Bodenplatt­e eines Gebäudes verschiebt. Großzügige Bepflanzun­gen mit Laubbäumen und eine möglichst geringe Versiegelu­ng des Grundstück­s können helfen, die Folgen des Klimawande­ls aufzufange­n. Außen angebracht­er Sonnenschu­tz und eine ausreichen­de Belüftung entlasten das Gebäude und verbessern zudem die Aufenthalt­squalität.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Hier sorgt ein Entwässeru­ngsgraben dafür, dass Wasser abfließen kann. Die Gefahr einer Überflutun­g wird so vermindert.

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