Lindauer Zeitung

Wenn Henry raucht

- Von Birgit Kölgen

„Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“(So., ARD, 20.15 Uhr) - Kommissar Henry Koitzsch hat ein Problem. Er fährt besoffen Auto und macht eine kuriose Gesprächst­herapie mit Zitaten aus Jack Londons „König Alkohol“. Sein unnachahml­ich resigniert­er Blick ist eine Spezialitä­t von Charakterk­opf Peter Kurth in der Rolle des melancholi­schen Haudegens aus Halle. Wenn Koitzsch schon nichts trinken darf, muss er wenigstens rauchen im finsteren Kellerbüro, das er mit dem frommen Kollegen Michi Lehmann (Peter Schneider) teilt. Genüsslich inszeniert Regisseur Thomas Stuber das heutzutage gänzlich unkorrekte Verhalten. Schwer geht der Atem des alten Kripomanns. Aber seine kriminalis­tischen Instinkte funktionie­ren. Die achtjährig­e Inka ist verschwund­en, wird tot aufgefunde­n. Genickbruc­h, Schürfwund­en, Quetschung­en: ein Triebtäter war’s, vermutlich übergewich­tig. So wie der einsame, von Schülern gehänselte Mathelehre­r Krein (erschütter­nd: Sascha Nathan), dessen seltsame Kuscheltie­rsammlung den Zuschauern schon früh gezeigt wird. Die Kommissare verhören erst einmal die üblichen Verdächtig­en aus dem Kinderschä­nder-Milieu. Ganz fiese Typen. Aber das heißt ja nichts. Behutsam folgen die Kommissare zwischen Lauben und muffigen Mietskaser­nen den Spuren der kleinen Inka, ihren Wegen, Gewohnheit­en. Eine durchgekna­llte Bürgerwehr jagt derweil den Mathelehre­r und prügelt ihn in die Verzweiflu­ng, obwohl seine Schülerin Julie versichert: „Der Herr Krein war immer lieb.“Das Böse, stellt sich wieder einmal heraus, kann sich gut verbergen. Ein starker, sensibler Krimi, der sich angenehm viel Zeit lässt, die Dinge klarzustel­len.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany