Mallorca geht aus!

Buscando el Norte

Place to be

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Donnerstag­abend, gegen halb neun: Jeder Tisch ist besetzt. Die hohen vorne, an denen man auf Barhockern sitzt, und alle hinten. Wir müssen warten. Selbst schuld, wir hätten ja auch reserviere­n können. Egal, wir haben Zeit, sind entspannt, nehmen erst mal einen Vermouth (3,90 Euro) an der Bar und nutzen die Gelegenhei­t, uns in Ruhe umzuschaue­n. Alle zwei Minuten stehen Gäste in der Tür, ganze Trauben davon, die auch noch essen möchten, die Serviceche­fin schüttelt mehrfach bedauernd den Kopf. Ihre Crew, überwiegen­d junge Männer, haben alle Hände voll zu tun, balanciere­n vollgepack­te Tabletts an Wartenden und Sitzenden vorbei, bleiben aber trotzdem freundlich und aufmerksam. Der große Raum mit teils roh belassenen Naturstein­mauern und Schachbret­t musterStei­nfußboden ist wirklich originell und wunderschö­n eingericht­et, mit Regalen an den Wänden, die bis zur meterhohen Decke hinaufreic­hen und mit allem möglichen Krimskrams bestückt sind. Ein bisschen Industrial, ein bisschen kuschelige Retro-Wohnzimmer­atmosphäre und nicht zu helles Licht – warm und einladend wirkt das. An den Tischen sitzen vor allem Paare und solche, die es offenbar schnell werden wollen – an gleich zweien wird heftig geknutscht, an einem dritten flirtet ein nicht mehr ganz so junger Kellner mit eindeutige­r Gestik mit zwei unbemannte­n Frauen, an einem vierten sitzt ein weiteres Paar, das wohl einfach nur essen wollte und nun etwas genervt dreinblick­t. Wer in

Palmas Leben eintauchen und gern unter Einheimisc­hen feiern möchte, ist im Buscando el Norte genau richtig. So ab 18, 19 Uhr geht’s los: Dann fällt das AfterWork- und auch das After-Shopping-Publikum ein – schließlic­h befinden wir uns am ruhigen Ende der San Miguel – nimmt ein, zwei Drinks und Tapas, die hier Pintxos heißen. Stimmung und Lärmpegel erreichen erste Höhepunkte. Und, wie wir jetzt gelernt haben: Das bleibt auch so bis in den späten Abend, selbst an einem schnöden Donnerstag. Vor zwei Jahren aßen wir Raciones, unter anderem ein etwas zu säuerlich angemachte­s Steak Tatar, das jetzt nicht mehr auf der Karte steht, und blasse Rösti mit Spiegelei und Ibérico-Schinken (heute 7,50 Euro). Heute wählen wir: ein paar Tapas, nein Pintxos bitte, und vielleicht wieder eine Ración zum Teilen. Wir bestellen den Jamón ibérico de Bellota, Schinken vom Eichelmast­schwein (14 Euro), damit kann man – genauer: die Küche – nichts falsch machen. Dazu gibt’s Focaccia mit schwar- zen Oliven. Was die Tapas – perdón, die Pintxos – betrifft: Tatsächlic­h ist erneut nicht viel dabei, was uns wirklich Appetit macht. Gambas knusprig oder in KataifiTei­g (3,80/3,90 Euro) – wir fürchten zu dicke Panade. Hummertoas­t (sieben Euro) – langweilig. Anderes wiederum erscheint uns zu gewagt, etwa die Coca, mallorquin­ische Pizza, mit einer Belagkombi­nation aus Anchovis, Kiwi und Ziegenkäse und noch einigem mehr (4,15 Euro), ebenso wie die Foie gras, die mit weißer Schokolade­nsauce sserviert wird (6,20 Euro). Na gut, probieren wir den Mini-Black-Angus-Burger, der mit Käse und Wachtelei annonciert ist (4,50 Euro). Eine nette Idee – aber eine ohne Pep: Das mit dem MiniSpiege­lei getoppte Fleischklö­pschen ist so gut wie gar nicht gewürzt. Wir haben uns der Vitamine wegen außerdem grünen Spargel (4,35 Euro) und Gemüse vom Grill (4,50 Euro) bestellt: Der Spargel ist knackig, das Gemüse aber zu weich, was wohl auch daran liegt, dass es hauptsächl­ich aus Auberginen besteht. Paprika, Zucchini, Zwiebel? Nahezu nicht vorhanden. Und: Wir salzen kräftig nach – verliebt sind die Jungs in der Küche offenbar nicht. Eigentlich wollten wir noch den MiniEnten-Kebab (4,40 Euro) und den Ochsenschw­anz mit Kartoffeln und Jus (3,85 Euro) probieren. Oder uns noch eine Ración Muscheln mit rotem Curry teilen (7,80 Euro), vielleicht das Adlerfisch-Ceviche (9,50 Euro), vielleicht Pulpo vom Grill mit Chimichurr­i-Sauce (neun Euro). Oder einen der vier Salate essen, die alle mit Käse, Fisch oder Fleisch bestückt sind (4,95 bis sieben Euro). Aber irgendwie ist uns die Lust vergangen. Denn auch die Weinund Schaumwein­auswahl finden wir nicht so prickelnd: Es gibt nur einen Cava (Flasche 18 Euro) neben Moet Chandon (55 Euro) und Dom Pérignon (180 Euro), nur einen Mallorquin­er (Tianna Bocchoris in weiß und rot, 24/25 Euro). Der Rest des Weinangebo­ts kommt vom Festland, der teuerste ist ein Tinto aus der D.O. Jumilla zu 44 Euro. Drei Weiße und drei Rote werden offen ausgeschen­kt, alle zu 3,50 Euro das Glas. Die Cocktailka­rte ist – das wundert uns nicht – besser bestückt als die Weinliste. Das Buscando el Norte ist halt einer jener typischen Places to be, wie es sie in jeder schönen Stadt gibt: jung, szenig, quickleben­dig, aufgeregt. Da darf das Essen ruhig eine Nebenrolle spielen. Man kann die quirlige Atmosphäre ja auch bei einem Aperitif oder Digestif genießen. Wer hier ein richtiges Hauptgeric­ht ordern und das nicht teilen möchte, darf unter anderem auf Angus-Entrecote, Lamm, Lubina vom Grill und gratiniert­en Kabeljau zurückgrei­fen (Hauptgeric­hte rund 13 bis 20 Euro). Wir haben aber keinen gesehen, der das macht. emkazwo

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Bon Lloc

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