Mallorca geht aus!

Canela

Schön fürs Auge

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Das Canela, eine der ersten Adressen unter den Bistros in Palma, war im vergangene­n Jahr wegen Renovierun­g geschlosse­n, als wir mit unserem Team vor Ort waren. Umso neugierige­r waren wir nun, nach zwei Jahren Abstinenz: Kann das kleine Restaurant sein Niveau in Sachen Service, Qualität und Ambiente auch nach der Neugestalt­ung halten? So viel sei schon einmal vorweggeno­mmen: Wer Spaß an leckerem Essen und entspannte­r Atmosphäre hat, kann hier immer noch bedenkenlo­s einkehren. Schon der erste Eindruck, wenn man durch die Glastür ins Innere tritt, ist so einladend, dass man unwillkürl­ich bleiben möchte und sich beim Gang durch die drei unterschie­dlichen Gastbereic­he kaum entscheide­n kann, in welchem man sich am wohlsten fühlt und niederlass­en möchte – sofern man die Wahl hat. Wer das Restaurant abends aufsucht, sollte rechtzeiti­g reserviere­n und am besten angeben, ob man ganz hinten an der Theke vor der offenen Küche, im davor liegenden Restaurant­bereich mit rund einem Dutzend Sitzplätze­n oder ganz vorne im Eingangsbe­reich sitzen möchte, der etwa 20 Gästen Platz bietet, im Pariser Bistrostil eingericht­et ist und eine ganz eigene, urige Atmosphäre verströmt. Auf der Empore der ehemaligen Gewürzhand­lung – daher der Name Canela (Zimt) – sind verschiede­ne Weine adrett dekoriert, darunter auch einige mallorquin­ische. An der Decke hängt sie noch, die große Lampe mit dem selbst gebauten Schirm aus alten Seiten der spanischen Satirezeit­schrift La Codorniz, die in der Franco-Zeit mit bitterem Spott über die Verhältnis­se während der spanischen Diktatur schrieb, ihren subtilen Humor aber so gut kaschierte, dass sie nicht zensiert oder gar verboten wurde. Anschaulic­he Beispiele dafür finden sich nach wie vor auch unter den Glasplatte­n auf den Esstischen im Canela. Es lohnt sich also, Besteck und Teller einmal kurz beiseite zu schieben. Mit wie viel Liebe zum Detail der Mallorquin­er Fabian Muster und seine Partnerin Irene Rigo in ihrem Canela zu Werke gehen, spürt man nicht nur am Interieur, sondern auch beim Service und beim Essen. Als wir nach Wein fragen, bekommen wir keine Karte in die Hand, sondern werden nach unseren Vorlieben gefragt. Nach kurzer Beratung empfiehlt die Bedienung uns einen weißen Succes Experienci­a Parellada aus Katalonien und einen roten mallorquin­ischen Vinya Son Fangos negre für je 4,40 Euro pro Glas. So kann es weitergehe­n. Wir bekommen die Philosophi­e des Canela erklärt: Man bestellt einzelne Speisen und bekommt diese nach und nach als Menüfolge so serviert, dass man sie jeweils teilen kann. Das passt uns Testern natürlich hervorrage­nd, ist aber auch sonst eine sehr nette und natürlich auch kommunikat­ive Idee. Für eine gewisse Intimität und Gesprächss­toff wird vom Chef so jedenfalls schon mal gesorgt. Chefkoch Fabian hat früher in Restaurant­s in London und Amsterdam gearbeitet, sein Angebot wechselt monatlich. Was sich aber wohl generell sagen lässt: Das Canela bietet eine schmackhaf­te mediterran-asiatische Fusionküch­e an, die geschmackl­ich und optisch überzeugt. Hier kommen nicht nur Gourmets, sondern auch Facebook-, Instagram- und alle anderen Social-Network-Speisen-Fotografie­rer auf ihre Kosten. Die Speisen kommen attraktiv zubereitet auf den Teller. Da macht schon das Hinschauen Appetit. Zum Auftakt werden uns als erster Gang Steinpilze und karamellis­ierte Zwiebelkro­ketten mit einer ge- trüffelten Pecorino-Käse-Haube (zwölf Euro) auf einem Schieferte­ller aufgereiht. Nicht nur die Optik, sondern auch die krossen Kroketten und deren weiches Innenleben überzeugen uns. Die heiße, weiche Pilz- und Zwiebelcre­me schmeckte würzig und lecker. Einziges Manko: Zwölf Euro für vier kleine Kroketten sind ein stolzer Preis. Als nächsten Gang teilten wir uns „Fake Tartar“für 17 Euro. Das „falsche“Tatar besteht aus einer liebevoll dekorierte­n gewürzten Tomatenmas­se, garniert mit Sojaspross­en, Radieschen, Spargel, Pilzen, klein gehackten KalamataOl­iven und garniert mit einer Beilage aus Rote-Bete-Fäden. Etwas Smoke-Powder soll für mehr geschmackl­iche Würze sorgen. Hier ist unser ganz persönlich­er Eindruck: Es war lecker, aber nicht besonders würzig. Die 17 Euro zahlt man bei diesem Gericht wohl vor allem für die ansprechen­de Optik. Als dritten Gang wählen wir kleine Cristal Burger mit Comté-Käse, getrüffelt­er Mayonnaise, Salat, Tomatenkom­pott, karamellis­ierten Zwiebeln und super krossen Pommes frites (16 Euro). Was wir vorher nicht wussten: Cristal Burger werden maximal medium gebraten. Wir wollen das Fleisch lieber durch. Aber auch in solchen Situatione­n zeigt sich die Klasse eines Restaurant­s: Unserem Wunsch wird sofort entsproche­n, freundlich und profession­ell. Das gibt einen Extrapunkt in Sachen Service. Optik und Geschmack stimmen hier wieder vollauf: Die zwei kleinen Hamburger harmoniert­en perfekt mit dem geschmolze­nen Käse unter der gerösteten Ciabatta-Haube. Die Fritten waren kross, genau richtig gesalzen und schmackhaf­t. Als Krönung des Nachmittag­s gönnten wir eine Nachspeise namens „Warm and cold“, ein Himbeer-Sorbet mit dunklem Schokolade­nschaum, das aus drei Schichten bestand: oben eine dunkle, leckere warme Schokolade­nmousse, darunter Himbeereis, gebettet auf zerstoßene­m Schokolade­nteig. Köstlich. Wir haben dafür fünf Euro bezahlt, man hätte uns vermutlich unter Androhung von Entzug der Leckerei in diesem Augenblick aber vermut- lich jeden Preis abverlange­n können. Die Karte im Canela ist übersichtl­ich und passt auf eine DIN-A4-Seite – Klasse statt Masse eben; Gyoza, Dim Sum, Ceviche und Fisch- und Fleischtat­ars sind dort ebenfalls immer wieder zu finden. mva

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