Peix Vermell
Guter Fisch, gute Leute
Hier wird der Fisch zum Maß aller Dinge. Das wird uns schon im Eingangsbereich klar, wo Schwarz-Weiß-Fotos den Fang eines 1,6 Tonnen schweren Haifisches dokumentieren – 1963 war das, in der Bucht von Alcudia. Der zähnestarrende Kiefer des Monsterfisches weist uns den Weg durch die Mauern des Stadtpalastes zum Gastraum mit rustikalem Tonnengewölbe. Alle Tische sind besetzt. Bis auf einen, und der ist für uns reserviert. Mit ausgesprochener Freundlichkeit begleitet man uns zu unserem Platz und plaudert in perfektem Deutsch über dies und das. Das Peix Vermell, der Rote Fisch, ist wohl eine der angesagtesten Adressen Palmas für Liebhaber klassischer Fischzubereitungen. Da gibt’s zur Vorspeise etwa Tintenfisch auf mallorquinische Art (16 Euro) und Miesmuscheln „a la marinera“(14 Euro) sowie die kostbaren Garnelen aus Sóller, die gegrillt und nach Tagespreis offeriert werden. Und zum Hauptgang könnte man Wolfsbarsch, Steinbutt, Dorade und Baby-Calamares vom Grill ordern, aber auch Seezunge à la meunière, Seehecht auf mallorquinische Art oder Kabeljau mit Erbsenpüree und Speck (Hauptgerichte 19 bis 23 Euro). Beilagen wie Kartoffeln, Reis, Spargel und Salat werden zwar separat berechnet, was aber bei Preisen von drei bis vier Euro locker zu verschmerzen ist. Auch Spaghetti mit Muscheln und Knoblauch sind zu haben (13 Euro). Und wer keinen Fisch mag, lässt sich stattdessen ein Steak oder ein Filet auf den Grill legen, genießt Omelette oder vegetarische Pastavarianten und als Starter vielleicht einen der fünf Salate, die allesamt ohne Protein-Beigabe auskommen (fünf bis sieben Euro), Pimientos de Padrón (zehn Euro) oder Foie-gras-Kuchen (15 Euro). Wir lieben Fisch und schlagen zu: Als Starter ordern wir Shrimps in Knoblauchöl (14 Euro) und den gegrillten Tintenfisch mit hausgemachter Mayonnaise (15 Euro). Der Hauptgang soll Wolfsbarsch in der Salzkruste (55 Euro für zwei Personen) sein. Doch zunächst werden uns Brot mit Oliven und Kräuterquark aufgetischt. Dann kommt der Wein, der herrlich frische Blanc de Blancs von Macia Batle (Prensal Blanc und Chardonnay, Flasche 22 Euro) – auch der Wein ist hier ein mallorquinischer Klassiker. Überhaupt ist die Auswahl an Inseltropfen groß: Sogar der Malvasia aus Banyalbufar wird hier entkorkt, den es sonst meist nur in Banyalbufar selbst zu trinken gibt (Flasche 26 Euro). Aber auch sehr kostbare Tropfen, etwa von Vega Sicilia, wären zu haben. Wir sind mit dem Blanc de Blancs glücklich, und unser Kellner bedankt sich für unsere Wertschätzung seiner Weinempfehlung. Gracias, danke, merci und spaciba – dass er auch das Russische beherrscht, ist kein Wunder, schließlich kommt er aus Bulgarien. Und weil das Publikum so international ist wie der Tourismus auf der Insel, kann er es gut gebrauchen – als Servicekraft im Peix Vermell sollte man Europas Sprachen auf dem Schirm haben. Küchenchef Tony Caldentey gebührt natürlich ebenfalls Lob: Die Shrimps und der Tintenfisch jedenfalls schmecken hervorragend. Was dürfen wir wohl von unserem Barsch erwarten? Aus statistischer Sicht so einiges. Denn an zwei von den zehn Tischen im Restaurant wurde in der Zwischenzeit der Fisch in der Salzkruste aufgetragen. Und jetzt sind wir als Nummer drei an der Reihe. Unser Kellner schiebt einen Servierwagen ins Gewölbe. Messer, Gabeln liegen griffbereit ne- ben einer großen Platte, auf der sich ein beachtlicher Salzberg türmt. Mit einigen geschickten Schlägen mit dem Messergriff knackt der Kellner die Kruste, beseitigt das Salz und fördert so unser Abendessen an den Tag. Mit der Präzision eines Chirugen wird das Meerestier filetiert, dann sein weißes Fleisch auf den Tellern arrangiert. Das feinfaserige Fleisch ist von feinem, aromatischen Geschmack. Das Garen in der Salzkruste macht es bekanntlich noch schmackhafter. Dazu gibt es knackfrisches Saisongemüse und Kartöffelchen. Als der Kellner unseren Hauptgang abräumt, zitiert er seinen Chef: „Bon peix per bona gent!“, soll der immer sagen, was übersetzt bedeutet, guter
Fisch für gute Leute. Das freut uns doch sehr. Da uns der Fisch wohlig gesättigt hat, entscheiden wir uns für eine Crema catalana mit frischen Erdbeeren (4,50 Euro, süße Desserts vier bis fünf, Käse sieben Euro). Außerdem ist es der 19. März, der Namenstag des Heiligen Josef. Und was hat der bitteschön mit der Crema zu tun? Auch darüber weiß unser sprachgewandeter Bulgare Bescheid. In Katalonien nennt man die Süßspeise mit der festen Karamellschicht auch Crema de Sant Josep. Und auf die will niemand an dessen Festtag verzichten. Auch wir nicht! hü