Baiben
Alles neu, alles richtig gut
Natürlich waren wir neugierig auf den Nachfolger des legendären Tristán. Das gehörte schließlich jahrzehntelang zu Puerto Portals wie die Kathedrale zum Stadtpanorama von Palma. Unvergessen die Reportage, bei der wir dem damals mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Gerhard Schwaiger und seiner Küchencrew bei der Präzisionsarbeit über die Schulter schauen durften – das muss 2005 gewesen sein. Und gerne erinnern wir uns an die vielen guten Essen und schönen Stunden im Tristán Bistro. Alles Geschichte. Im Herbst 2016 gab es einen kompletten Neustart für die prominenteste Location des Nobel- hafens. Dass dahinter nicht irgendwer steht, sondern
Fernando P. Arellano, über dessen Restaurant Zaranda im exklusiven Hotel Castell Son Claret gleich zwei Sterne strahlen, sorgte natürlich einmal mehr für Aufsehen. In seinem Baiben zelebriert der höchstdekorierte Koch der Insel allerdings keine Hochküche, sondern verfolgt eher einen lässigen kulinarischen Kurs. Aber der Reihe nach: Unser erster Besuch hier fällt auf einen Sonntagmittag. Da ist in Portals erwartungsgemäß Einiges los, auch deshalb, weil der Frühling heute sehr mild gestimmt ist. Dennoch sind wir erstaunt, denn so quirlig haben wir dieses Lokal, das direkt am Hafenbecken mit den hier ankernden millionenschweren Jachten liegt, noch nicht erlebt. Schon rein optisch geht es jetzt bunter zu. Mit einem Design-Crossover irgendwo zwischen 60ern und 80ern zeigt sich das Interieur, mit futuristisch unter der Decke ankernden Leuchtobjekten, bequemen Stühlen in Petrol und Altrosé sowie den farbigen Glaskreisen, die teils die langen Fensterfronten aufpeppen, alles andere als langweilig. Ein vielköpfiges Service-Team ist comme il faut, aber ohne angestrengte Attitüde für die Gäste da. Das Publikum ist noch immer international. Zu unserer Linken speist ein britisches Ehepaar im gesetzten Alter. Rechts plaudert eine Runde sportlich gekleideter deutscher Herren über schnittige Motorjachten. Doch offenkundig haben auch die Mallorquiner das Baiben für sich entdeckt und genießen hier im Kreis von Freunden und Familie das sonntägliche Mahl. Der Atmosphäre bekommt das. Und passend zu allem lädt Arellanos Küchenkonzept schließlich zu einem entspannten kulinarischen Weltenbummel ein. Dabei kann man sich an die klassische Abfolge von Vorspeise und Hauptgang halten. Muss man aber nicht. Die Speisekarte bietet „für den kleinen Hunger“zum Beispiel eine Portion edlen Joselito-Schinken, Patatas bravas mit scharfer Sauce und rote Garnelen im Pergamentmantel mit einem Mango-Ingwer-Dip (28/8/18 Euro). Unter der Überschrift „Roh“listet sie – unverzichtbar – ein Ceviche von Küstenfischen ganz nach Marktangebot oder auch rohe Kibbeh vom Rind (Tatarbällchen) mit Joghurt-Sauce (je 16 Euro). Es gibt Fingerfood wie Tacos mit pikantem SpanferkelConfit, mit Tintenfisch gefüllte kreolische Mais-Empanadillas (=kleine Teigtaschen) und maurisch gewürzte Spieße vom iberischen Schwein (vier Stück pro Portion, je zwölf Euro). Als „leichte Vorspeisen“werden naturgemäß Salate offeriert. Etwa einer mit Baby-Spinat, eingelegtem Hering und Roter Bete oder auch – in Abwandlung des klassischen Vitello tonnato – ein Salat von der Kalbszunge (je 15 Euro). Wer es üppiger mag, kann unter anderem mit marokkanischer Pastete von Huhn und Foie gras beginnen (19 Euro). Allseits beliebte Pasta, unter anderem Buccatini all vongole, ist natürlich auch zu haben und ausdrücklich als hausgemacht annonciert (18 Euro). Auch das spanische Leibspeisen-Pendant fehlt nicht. Die Reisgerichte kommen dabei unter anderem mit Ente, Gemüse und Garrofon-Bohnen (=spezielle Sorte dicker weißer Bohnen) nicht ganz alltäglich daher (ab zwei Personen 21 Euro pro Person). Fisch und Fleisch kommen vom Grill, wie die ganze Seezunge mit Nussbutter und Kapern, das Rib-Eye-Steak vom Aberdeen Angus oder das Stubenküken Rancher Style (36/40/20 Euro). Puh, da hat man die Qual der Wahl. Wir starten mit dem Trio von libanesischen Mezze und krossem Durum-Brot (acht Euro). Köstlich. Die orientalischen Dips Muhammara, Hummus und Baba Ganoush schmecken aromatisch und leicht, zum Weglöffeln lecker. Wir tauchen zum wiederholten mal das knusperdünne Fladenbrot hinein, da
kommen unsere Moules frites auf den Tisch (16 Euro). Kleine feine Miesmuscheln baden in delikater Currysauce. Die Pommes sind, wie sie sein sollen: außen knusprig mit weichem Kern, goldgelb und kein bisschen zu fettig. Das Ganze ist zudem auf hübschem Keramikgeschirr angerichtet – da hat auch das Auge Spaß. Apropos: Brot, Aioli und Co. kamen zuvor ebenfalls auf besonders nette Weise auf den Tisch. In einer Art Holzkistchen und auf einer rotweiß karierten Serviette sind ein Fläschchen Solivellas-Olivenöl, ganze Tomaten – nebst rustikalem Messer zum Aufschneiden – warmes Brot im Leinensäckchen und ein Schälchen mit appetitlicher Knoblauchcreme zusammengestellt (drei Euro pro Person). Und dann hat der im Ganzen am Spieß gegrillte Wolfsbarsch seinen Auftritt. Unser Exemplar hat ein stolzes Gewicht von etwas über einem Kilo und bei sieben Euro pro 100 Gramm so auch seinen Preis. Aber nach zahlreichen Lubinas in der Salzkruste wissen wir, dass er bei einem Flossentier von dieser Qualität nicht ungewöhnlich hoch ist. Kurz im Ganzen präsentiert und dann fachgerecht filetiert, ist dieser pure Fischgenuss jeden Cent wert. Alternativ zum anvisierten Salat empfiehlt uns die umsichtige und eloquente Restaurantleiterin das Wokgemüse. Und das ist mit seiner wunderbaren Asiawürze eine tolle Empfehlung. Eine gute Handvoll Beilagen steht als Ergänzung zu den Grillgerichten zur Wahl
(drei bis fünf Euro). Bei unserem feinen Fisch gehören zwei automatisch dazu. Nebst dem asiatischen Gemüsepfännchen schmeckt uns sattgrüner Spargel mit Biss. Jetzt braucht es zur Abrundung auch noch etwas Süßes. Und der ohne Mehl gebackene Zartbitter-Schokoladenkuchen mit warmem flüssigen Kern und erfrischendem Limettensorbet ist eine Wucht (zehn Euro). Bleibt noch zu sagen, dass das umfangreiche Angebot beim Wein vom offenen soliden Verdejo für sechs Euro das Glas bis zu Edeltropfen wie dem Pingus aus Ribera del Duero reicht, bei denen die Preise pro Flasche schon mal vierstellig werden können. Mallorca ist bestens vertreten mit Bodegas wie Ribas, Tianna Negre, Can Majoral oder Anima Negra. Unser Memories de Biniagual in Rosé schmeckte zu Muscheln und Fisch wunderbar (Flasche 23 Euro). Für alle, die vornehmlich auf ein gepflegtes Getränk hier vorbeischauen mögen, gibt es außerdem das BrassBaiben, für das Rafa Martin, Chef des berühmten Brassclub in Palma, eigens eine Reihe Cocktails kreiert hat. An der schicken Bar ist man natürlich auch richtig für den Aperitivo und einen Absacker. emkazwo