Olivera
Wahre (Service-)Wunder
So darf man sich wohl das Paradies vorstellen. Zumindest in seiner mallorquinischen Form. Schon vom Bergdorf Es Capdella aus zeigen sich weit unten in einem grünen Tal die Türme und Zinnen des Castell Son Claret. Der Adelssitz, dessen Ursprünge bis in das 15. Jahrhundert zurückreichen, wurde vom Hamburger Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne in ein First-Class-Boutique-Hotel umgewandelt. Seit 2013 steht es gut betuchten Mallorca-Urlaubern offen, die nicht nur den Luxus lieben, sondern auch höchsten Wert auf kulinarische Genüsse legen. Folgerichtig bietet das Haus zwei Restaurants der gehobenen Klasse: als lukullischen Olymp das mit zwei MICHELINSTERNEN dekorierte Zaranda unter der Regie des Starkochs Fernando Pérez Arellano (siehe ebenda) sowie das nicht minder feine Olivera mit typisch spanisch-mediterraner Küche – ein herrliches Ausf lugsziel für sonnige Nachmittage. Wir haben uns einen solchen für unseren Besuch ausgesucht. Und schon, als wir aus unserem Auto steigen, betört ein Duft von Zitronen und Kräutern, wie man ihn nur an warmen Tagen im mallorquinischen Hinterland genießen kann. Vom Parkplatz führt ein kurzer Weg durch einen Garten mit inseltypischem Baumbestand. Welch eine Pracht: Mandel-, Oliven- und Orangenbäume, Bergamotte, Vetiver, Jasmin, Koriander und Rosen. Nur das Gezwitscher der Vögel ist zu hören. Ruhe und dezente Eleganz empfängt uns im Castell. Das so freundliche wie unkomplizierte Personal geleitet uns zu unserem Tisch auf der Terrasse des Olivera. Und uns eröffnet sich die grandiose Kulisse des Tramuntana-Gebirges mit ihrem zweithöchsten Gipfel, dem Galatzó. Dann kommt schon die Bedienung an unseren Tisch, korrekt in Schwarz und Weiß gekleidet. Mit einem Lächeln wird die Speisekarte präsentiert und der Sonnenschirm in die uns angenehmste Position gerückt. Wir blättern in der Karte: Da sich die Küche des Olivera auf die mallorquinisch-spanischen Traditionen bezieht − wenn etwa Ibérico von Pa amb Oli begleitet wird (25 Euro) – und dabei auch die arabischen Einflüsse nicht außen vor lässt, finden wir dort auch Keftas vom mallorquinischen Lamm mit Fladenbrot, Hummus und Tsatsiki (19 Euro) und eine in marokkanischen Gewürzen marinierte und in einer Tajine zart geschmorte Milchlammschulter mit Ratatouille und Couscous (für zwei Personen 49 Euro). Daneben gibt's typische Bistro-Klassiker, die ein HotelRestaurant bieten muss: Pasta und Risotti (18 bis 24 Euro), Wiener Schnitzel (23 Euro), diverse Steaks (acht bis elf Euro pro 100 Gramm), Caesar-Salat (18, mit Hühnchen 22 Euro), Burrata von menorquinischen Kühen (hausgemacht und für zwei Personen, 32 Euro) sowie Austern (halbes Dutzend 32 Euro). Schon stellt die aufmerksame junge Frau aus Berlin duftendes, warmes Brot aus der schlosseigenen Bäckerei auf den Tisch. Spätestens in diesem Moment muss sie gemerkt haben, dass mit meiner Test-Partnerin irgendetwas nicht stimmt. Und tatsächlich können wir ihre Frage, ob denn alles so recht sei, nicht mit einem „Ja, danke“beantworten. Meine Begleitung hat sich am Vorabend den Magen verkorkst, und ihr steht nicht der Sinn nach einem mehrgängigen Menü. Das Lächeln der Kellnerin weicht einem mitfühlenden Blick. Und mit dem Hinweis: „Ich frage mal nach, was die Küche da machen kann“, verschwindet sie in den Gängen des Castells. Ich beschäftige mich derweil mit weiteren verlockenden Angeboten der Karte wie Patatas bravas (16 Euro), Frühlingsrollen mit Langustinen aus Andratx, Sojasprossen-Salat und Mango-Ingwer-Dip (26 Euro) sowie Entrecote mit Chimichurri-Sauce (28 Euro). Und als unsere Bedienung mit einer großen Tasse Kamillentee (natürlich kein Beutelaufguss) zurückkommt, bestelle ich Bernsteinmakrelen-Ceviche mit Avocado (18 Euro) und Brust vom freilaufenden Huhn, mit Zitrone gebraten (24 Euro).
Wirklich guter Service beweist sich in brenzligen Situationen. Der Tee tut meiner Begleitung gut, und so erwacht auch bei ihr doch noch der Appetit. Und als man das köstliche Ceviche mit der in Zitronensaft marinierten und dadurch leicht gegarten Makrele serviert, war die Küche bereits beauftragt, eine HühnerConsommé, die übrigens nicht auf der Karte stand, vorzubereiten. Die Suppe überzeugt im Geschmack und sättigt dank der Nudeleinlage. Meine Hühnchenbrust ist wunderbar fest und aromatisch im Geschmack, die goldbraun gebratene Haut kross und mit leicht säuerlichem Zitronengeschmack. Dazu gibt es knackiges Saisongemüse und würzige Kräuterkartoffeln. Kein Wunsch bleibt offen. Schließlich teilen wir uns eine Tarte von Zitronen aus den Schlossgärten mit Blaubeeren (zwölf Euro). Köstlich! Das Süppchen wirkte Wunder. Die Welt ist wieder im Lot. Und uns ist klar: Im Olivera werden sogar Wunder wahr – kleine zumindest. hü