Es Raco des Teix
15 Jahre Sterneküche
Auf keinen Fall sollte man versuchen, an Deiàs Hauptstraße einen Parkplatz zu finden – ein schier aussichtsloses Unterfangen –, sondern lieber früh kommen und direkt vor dem Restaurant parken. Josef Sauerschell, der mit seinem Es Raco des Teix seit 15 Jahren den Michelinstern verteidigt, denkt an alles. Vor mehr als drei Jahrzehnten kam er auf die Insel, begann zu kochen, hat sie wachsen sehen, die hiesige Gastronomie, erst als angestellter Koch, dann als Unternehmer. Moden und Trends sind vorübergezogen an der Gourmetadresse am Hügel, die 1999 eröffnet wurde und 2002 den Stern gewann. Doch was wäre Sauerschell ohne die adäquate Unterstützung im Service? Seine Frau Leonor Payeras, meist Nori genannt, liest den Gästen jeglichen Wunsch von den Augen ab. Und wenn wir diesen Mittagsbesuch als Maßstab nehmen, gibt es nicht zu knapp Sonderwünsche. Mal will ein weiblicher Gast besonders gesund speisen, mal klagt sein männliches Pendant über einen angegriffenen Magen. Wir klagen nicht, sondern versuchen uns lieber an feinem Brot, an Olivenöl von Es Verger (wir wählen es aus vier Sorten aus) sowie den ersten Happen. Schinkenkrokette, Gef lügelleberparfait, Spinat-Schinken-Quiche: Das ist nicht spektakulär kreativ, aber einwandfrei gemacht. Wäre ja noch schöner, wenn Sauerschell nicht wüsste, wie es geht! Mediterran verfeinerte Klassik könnte man nennen, was der neben Gerhard Schwaiger berühmteste kochende Deutsche Mallorcas auftischt. Terrine von Gänseleber und Kalbsbries mit Feigen vielleicht, Pot au feu vom Hummer oder Seezunge mit Pilzcreme und Lauch. An Produkten wird nicht gespart, was die gehobenen Preise erklärt. Man kann billiger genießen auf Mallorca. Aber kann man auch besser essen? Die Ballotine von der Wachtel ist ein erster Fingerzeig, ein starker Auftritt, ein Manifest. Ballotine serviert ja kaum noch jemand, aber hier ist der runden Abwandlung einer Terrine handwerkliche Perfektion zu attestie- ren, sie wird mit Bohnensalat und saftigem Wachtelf leisch angerichtet. Wir vertiefen uns in den ausgeschenkten Cava, bewundern die Aussicht von der Terrasse und beginnen, uns wie zu Hause zu fühlen. Dort freilich gäbe es nicht eine so ausgezeichnete Auswahl an glasweise gereichten Sherrys: vom knackig-jugendlichen Tio Pepe bis zum mindestens 30 Jahre alten Noe, einem markant süßen Luxus-PX von González Byass, ist vieles vorhanden. Trockener Sherry würde auch zu den geräucherten Sardinen mit Olivenöl (fabelhaft) passen, womöglich sogar zum Steinbutt mit Zitronenkruste. Obwohl man da auch zu einem frischen Weißwein von der Insel oder von anderswo greifen könnte. Die Auswahl an Flaschen ist sehr gut, nicht exzessiv, aber man findet fast alles, wonach man sucht und vieles mehr. Und was den Fisch angeht, müssen wir sogar ausholen: Er ist von perfekter Frische, exzellent gegart, mit schaumiger Sauce und hübsch tourniertem Gemüse angereichert. Sterneküche auf die klassische Art! TramuntanaLammkarree mit Kapern und Couscous hat ebenfalls Klasse; die Rosinen passen gut zum Fleisch, und von der Jus würden wir gern einen Löffel mehr zu uns nehmen, als vorhanden ist. Baileys-Käsekuchen mit Basilikum-Zitronen-Eis und vielen Deko-Beeren ist dann zwar gut, wirkt aber insgesamt ein bisschen zu süß, um mit den anderen Gängen mithalten zu können. Die Auswahl an Süßweinen per Glas, an Gins oder Obstbränden tröstet aber locker über den kleinen Durchhänger hinweg. Wir vermuten ja, dass dies einer der letzten Orte der Insel ist, an dem wirklich gern und ausgiebig Digestifs bestellt werden. Würden wir auch machen – vielleicht den WILLIAMSBIRNENJAHRGANGSBRAND oder den Monkey 47 –, wäre da nicht die bevorstehende Rückfahrt hinab nach Palma. Wir nehmen zwar keinen Rausch, aber wenigstens gute Erinnerungen an ein Restaurant mit, das unseretwegen gern weitere 15 Jahre den Stern tragen dürfte. wf