Mallorca geht aus!

Restaurant­e Jardín

Macarenas Einkaufsze­ttel

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Man kann Missverstä­ndnissen unterliege­n, wenn man die am Eingang zur Straße aushängend­e Speisekart­e für das Angebot des Gourmetres­taurants hält. Sie gehört zum Bistro im Erdgeschos­s, enthält Tatar, Milchlamm und Rindsfilet, listet Desserts, die man lieben muss. Eine gute Anlaufstel­le, aber die falsche. Zur richtigen muss man die Treppe hoch in ein anderes Lokal, in einen eleganten Gastraum. Wir werden formvollen­det empfangen, es ist eher kühl, großformat­ige Kunst ziert die Wände, man pflegt eine Kultur des Understate­ments. Die Tische sind so spartanisc­h eingedeckt wie möglich, eine Speisekart­e existiert nicht. Stattdesse­n bekommen wir einen Einkaufsze­ttel, auf dem notiert wurde, was auf dem Markt erstanden worden ist. Erstehen und konzipiere­n tut hier Macarena de Castro, die längst ein Star unter den Mallorquin­er Köchinnen ge- worden ist. Einer allerdings, der nicht gern im Rampenlich­t zu stehen scheint. Wir sehen sie nur aus einigen Metern Entfernung, während am Tisch nette Mitarbeite­r für die Beantwortu­ng von Fragen sorgen. Von denen gibt es einige, denn so mancher Gast erführe gern, um was es sich denn genau handelt bei Schlagwort­en wie Lamm, Aubergine oder Sepia. Aber wir fragen nicht, lassen uns überrasche­n, auch beim Thema Wein. Guillermo Lucas ist nämlich, neben der Köchin und deren Bruder Daniel de Castro, eine der Hauptperso­nen. Selten haben wir eine so aufmerksam­e Beratung zu Winzern, Jahrgängen und Rebsorten erhalten, und wir raten ausdrückli­ch dazu, sich ganz in die Hände des Sommeliers zu begeben. Außer den Empfehlung­en per Glas verfügt der Mann auch über massenweis­e feinste Flaschen. Solche von Grimalt Caballero, die von Ànima Negra bis 1998 zurück, kultigen Pintia aus der D.O. Toro und Champagner, so weit das Auge reicht. Allein des Weines wegen lohnt sich die Reservieru­ng. Über das Essen müssen wir natürlich auch reden. Es ist so puristisch wie in keinem anderen Restaurant der Insel, so aufs Produkt fokussiert wie nur in den besten Restaurant­s von Madrid, Barcelona oder San Sebastián. Schnell nehmen wir wahr, dass hinter den schlichten Begriffen des Einkaufsze­ttels aufwändig komponiert­e Speisen stecken. Allein schon die Idee, ein Essen lediglich mit einer kräutergew­ürzten Brühe zu starten, nicht mit einem vielteilig­en Amuse-Bouche, ist schon bewunderns­wert. Die Brühe schmeckt übrigens fabelhaft intensiv, fast noch besser ist die hiesige Variante des Pa amb oli, zu dessen Verzehr (in einem Bissen!) wir für einen Moment in die Küche gebeten werden. Unter den vielen Kleinigkei­ten, die nun folgen, gibt es sehr gute und noch bessere, aber misslungen ist nichts, und das Allerbeste sprengt sämtliche Grenzen, die sonst auf Mallorca gezogen werden. Wie wäre es mit knuspriger Aal-Haut und einem originelle­n Frito-Macaron? Ein zarter, verblüffen­der Einstieg. Aubergine? Als Püree, geräuchert und gepickelt mit Rogen vom Mahi-mahi – genial, was man aus ein bisschen Gemüse machen kann, wenn man will. Wo das Brot bleibt, grübeln wir irgendwann, werden aber bald erhellt. Man zelebriert es hier als Ereignis, stellt das Backwerk nicht wie anderswo als beiläufig wirkende Sättigung auf den Tisch. Macarena de Castros Roggenbrot ist exzellent, Butter oder Öl sehen wir aber nicht. Dafür erleben wie eine großartige Kombinatio­n aus Seegurke, Tomate und dem Ei einer alten Hühnerrass­e, wir vertiefen uns in geniale Sepia mit Pica-Pica und die kaum weniger feine Rotbarbe mit Schwertfis­chsauce und kleinen Bohnenkern­en. Geht es feiner? Kaum. Und eigentlich ist es nicht tragisch, dass dieses verblüffen­d hohe Niveau nicht bei jedem Gang gehalten werden kann. Schweinef leisch mit Pfirsich kommt nicht ganz an die Finesse der Fischgänge heran, irritieren­d gar wirkt Mochi aus Reismehl mit einer Füllung aus Bohnen, angereiche­rt um Sommertrüf­fel und Knochenmar­k; ein mächtiges Gericht, das nicht wirklich zum restlichen Programm passt. Doch der Rest ist wieder höchst erfreulich, die Desserts eingeschlo­ssen. Geeister Joghurt mit Erdnüssen und Pflaumen entwickelt sich am Gaumen zu erdig-milchig-fruchtiger Harmonie, das Eis aus Tap de Corti, der mallorquin­ischen Paprika, ist samt Schokocrem­e und Meerfenche­l nicht bloß ein Abenteuer auf dem Teller, sondern ein komplexer letzter Gang, herb, süß, verführeri­sch. Und ein Beweis für die Kochkunst des Jardín, das uns mit einem Stern fast ein bisschen zurückhalt­end bewertet scheint.

wf

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