Bar Esperanza
Vom Testesser zum Gastronom
Man muss sich das so vorstellen: Ein Restauranttester kennt alle Finessen der Wirte, die meisten Befindlichkeiten der Gäste, kann wie kein Zweiter gutes Essen von schlechtem unterscheiden. Also sollte sich doch ein Gastrokritiker am besten eignen, um ein Restaurant zu betreiben. De facto allerdings kommen nur wenige aus der Branche auf die Idee, die Seiten zu wechseln, und noch weniger tun es tatsächlich. Clemens Komossa, der sein Leben lang immer wieder auch in Küche und Service tätig war, ist einer, des es umgesetzt hat – und das mit Erfolg, wie wir beim Besuch festellen konnten. Doch zunächst mussten wir seine Umsetzung finden, was sich als nicht ganz einfach herausstellte. Die Website war nicht fertig, die Ausschilderung suboptimal. Und wer kommt schon auf der Suche nach guter Küche nach Ses Covetes? Doch als wir da waren, ahnten wir schon, dass die Sache Hand und Fuß hatte, dass Komossa und Partnerin Valeska Kraft die Sache klug angepackt hatten. Lockeres Strandrestaurant-Flair bietet die große Terrasse, am Mobiliar merkt man, dass nicht gespart wurde. Ein schöner Holzfußboden, Holzbänke und -stühle, aber auch gemütliche Polster und viele Kissen. Man fühlt sich wohl und findet schnell einen Platz. Und einen Wein, denn der Wirt hat mehr Riesling auf der Karte als vermutlich 99,9 Prozent der mallorquinischen Gastronomie. Solchen von Schäfer-Fröhlich von der Nahe (20 Euro für den knackig-trockenen Fröhlich trocken), den von Markus Molitor (der sogenannte Schiefersteil war für 24 Euro zu haben) oder gar das Forster Ungeheuer von Aufsteiger von Winning aus der Pfalz (53 Euro). Stimmt die Getränkeauswahl, wird der Kunde zum Stammgast – eine Binsenweisheit in Restauranttesterkrei-
sen! Eine andere ist, dass sich Köche gefälligst Mühe zu geben haben bei der Zusammenstellung der Speisekarte. Im Esperanza haben sie es getan. Rote-BeteCarpaccio mit Nüssen und Ziegenkäse (9,50 Euro) stand auf der in einen Klemmhefter gesteckten Karte, Ceviche vom Adlerfisch (15 Euro) oder Angus-Cheeseburger (12,50 Euro). Ein bisschen südamerikanisch, leicht asiatisch, immer wieder mallorquinisch – eine vibrierende Mischung. Wir gingen aber aufs Ganze, bestellten nach Brot, einem exotisch anmutenden Dip, herzhaft gewürzten Oliven und Rote Bete das Entrecote mit hausgemachten Pommes frites. 19,50 Euro kostete es. Das
Fleisch war zart und saftig, wurde in einer schier riesigen Menge zugeteilt, auch die Fritten schmecken klasse. Wir lehnten uns zurück, nahmen einen Schluck Riesling und fanden, dass gute Gastronomie ganz einfach ist – wenn man sich auf sie versteht. Zum Schluss noch Schokokuchen mit Eis (acht Euro), auch keine Kleinigkeit, auch fein. Und der allerletzte Beweis, dass Quereinsteiger die Gastronomie berei- chern, egal, ob in Düsseldorf oder in einer Ecke Mallorcas, die auch Gourmets künftig ansteuern sollten. wf