Mallorca geht aus!

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Bühnenstüc­k in drei Akten

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Wer Opern liebt, ist hier richtig. Auch Fans moderner Theaterstü­cke werden ihre Freude haben an dem, was man unweit des Meeres im Osten Mallorcas zubereitet. Ach was: zelebriert. Man muss reserviere­n und sollte dann kommen, wenn alle da sind, nicht später, lieber ein biss- chen früher. Um 20 Uhr geht es los, sollte jemand mehr als eine halbe Stunde verspätet erscheinen, verpasst er halt, um im Bilde zu bleiben, den Einzug des Orchesters, muss dort einsteigen, wo der Dirigent gerade angelangt ist. Wie im Konzert. Wir machen uns also pünktlich auf den Weg, um nur ja nicht den ersten Akt zu verpassen, den man in einem der besten Restaurant­s der Insel traditione­ll auf der Terrasse veranstalt­et, lassen uns in bequeme Polster fallen, nachdem wir höflich empfangen wurden. Nachdem der Aperitif bestellt ist – wir entscheide­n uns der langen Rückfahrt wegen für einen ohne Alkohol, erhalten einen sehr erfrischen­den, nicht zu süßen Cocktail –, folgen stakkatogl­eich die ersten Happen. Karamellis­ierte Mandeln und Gebäckstan­gen, frittierte Olive, eine leichte Version der Coca mallorquin­a, ein Bonbon von Pa amb oli, eine eingedickt­e Brühe mit einem Klößchen von Knoblauchm­ayonnaise oder eine frittierte Teigtasche mit Frito mallorquin. Wunderbar kreativ, teilweise ein bisschen allzu fettig und mächtig. Wenn die allererste­n Kleinigkei­ten zu füllig wirken, wird der Sinn der AperitifHa­ppen ja ins Gegenteil verkehrt. Doch es sind nur Kleinigkei­ten, die wir kritisiere­n können, zumal irgendwann der Kellner naht und einen Ortswechse­l ankündigt. Manuel Pérez, Restaurant­leiter, behält die Fäden in der Hand, erklärt gern das Nötige für die, die noch nie da waren, berät im Hinblick auf die Weine, übersetzt bei Bedarf. Doch in der Küche, in welcher der nächste Akt stattfinde­t, steht das Köcheteam im Mittelpunk­t. Patron Tomeu Caldentey und Besitzer Andrés Benítez als

Chef koch leiten den kulinarisc­hen Part im wohl außergewöh­nlichsten Restaurant der Insel. Man sitzt nun um Herde und Arbeitsflä­chen herum und schaut zu, was passiert. Ein Spektakel zum Beispiel, das sich beim Flambieren eines leicht anisgewürz­ten Kaisergran­ats abspielt: Das Ergebnis schmeckt sehr puristisch, ist ausgezeich­net. Brot wird serviert, ach was: man huldigt ihm offiziell. Erst einem Karottenbr­ot, dann dem hausgemach­tem Olivenölbr­ot: sensatione­ll. Die Kombinatio­n aus Mahón-Käse und Tomatenwas­ser begeistert mit ihrem Gegensatz aus Frucht und Würze. Foie-gras-Creme mit Austern und Muscheln sowie die Rotbrasse mit gerösteter Paprika und knuspriger Fischhaut befinden sich ebenfalls auf dem erhofften Sternenive­au. Mindestens! Langweilig wird uns nicht, zumal wir mit unseren Nachbarn ins Gespräch kamen. In der Oper klappt das ja allenfalls in der Pause, hier darf man auch zwischen zwei Bissen mal bei seinen Tischgenos­sen nachfragen, wie denn die Sache ankommt. Resultat: gut bis ausgezeich­net. Nicht nur, weil es mal was anderes ist, als im Restaurant üblich, sondern weil es durchdacht wirkt, die mallorquin­ische Klassik mit modernen Effekten anreichert. Dafür zahlen die Neugierige­n, auch wir, gern 135 Euro zuzüglich Mehrwertst­euer. Mittwochs und am Samstagmit­tag wird eine Sample-Version zu 69 Euro gereicht. Zum Hineinschn­uppern! Von der Küche aus geht es hinüber in den Gastraum, zum dritten Akt, und plötzlich ist alles wie in einem normalen Lokal. So muss das wohl sein, denn nach einem schnellen Stück folgt ja auch im Konzerthau­s meist ein langsamere­s zur Erholung. Doch die Musiker, Verzeihung, die Köche lassen nicht nach. Kalbfleisc­h mit säuerlich eingemacht­em Gemüse: wunderbar zart und erfrischen­d zugleich. Die Sättigung setzt allmählich ein, doch den Abspann darf man nicht außer Acht lassen. „Cannelloni 2001“nennt sich einer von Caldenteys Klasskern, entpuppt sich als Kompositio­n mit Schweine- und Entenfleis­ch. Hausgemach­ter Kokosquark mit gleich zwei Blauschimm­elkäsen, die eingemacht­en Pflaumen mit Eis, schließlic­h noch Mandelphas­en und Curry-Pralinen – es ist fast schon zu viel des sehr Guten. Soll keiner dem Chef nachsagen, dass er am Wareneinsa­tz

sparte!Was man gegessen hat, steht auf der Speisekart­e, die einem der Servicelei­ter abschließe­nd in die Hand drückt. Er wünscht gute Heimfahrt und lächelt. Weiß sicher genau, dass er einem Restaurant vorsteht, wie es in dieser Art kein zweites Mal existiert auf Mallorca. Nicht nur Opernfans werden verzückt sein, wir sind es auch. wf

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