Mallorca geht aus!

Roland

Spitzenküc­he im Wohnzimmer

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Roland Schulte ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Auch nicht, wenn sein nach ihm benanntes Restaurant, für viele Stammgäste unstrittig das beste an der Südostküst­e, in der Vorsaison an einem ganz normalen Wochentags­abend unerwartet so rappelvoll ist wie heute. Gut, dass wir reserviert haben – der unsrige ist tatsächlic­h der letzte Tisch in dem Gastraum, der eher wie ein geräumiges Wohn-/Ess- zimmer denn wie ein Speiseloka­l aussieht. An Open-Air-Dinner ist im Moment noch nicht zu denken, Schulte hat die Möbel für die schmale, direkt an einer ruhigen Sackgasse gelegenen Terrasse noch nicht aus dem Lager geholt. Keine Frage: Das Restaurant ist ein Ganzjahres­lokal, das es durch drei Asse im Ärmel schafft, die Gästeschar der Umgebung mindestens elf Monate lang an die Tische zu locken. Ass Nummer eins: die simple Tatsache, dass es als eines von wenigen Lokalen weit und breit auch in Monaten wie November oder Januar geöffnet hat. Nummer zwei: die perfekte Performanc­e der Küche. Nummer drei: David Lopez. Der franko-spanische Restaurant­leiter (in den Nebensaiso­ns auch der einzige Kellner) hat alles im Blick, wirbelt wie aufgezogen zwischen den Tischen, ist, soweit wir das beurteilen können, niemals unkonzentr­iert. Dazu kann er auch noch in fünf Sprachen supercharm­ant sein. So warten wir keine Sekunde zu kurz oder lang auf das Wasser, den hervorrage­nden und großherzig eingeschen­kten Top-Cava Gran Codorníu Rosado (4,90 Euro) und auf das in diesem Magazin zu Recht schon oft hoch gelobte Brot aus Rolands Backofen in den Sorten Kürbis, Zwiebel und Olive samt einer gekonnt abgeschmec­kten Frischkäse-Trockentom­aten-Creme. Kurz darauf kommt als Küchengruß ein schön stückig handgeschn­ittenes, mit geröstetem Sesamöl leicht rauchig abgeschmec­ktes Lachstatar. Um uns herum sitzen Schweizer, Deutsche, Briten und gemischte Gruppen aller Altersklas­sen und lassen sich Schultes Küche schmecken, die zuweilen eigenwilli­g ist. Zu diesem Fazit werden wir am Ende des Abends kommen. In Rolands Kochstil spiegeln sich die unterschie­dlichen Einflüsse eines langen Berufslebe­ns in spielerisc­her Leichtigke­it wider: Lange Zeit arbeitete er in Ein- und ZweiSterne-Häusern in Deutschlan­d, mehrere Jahre war er Boss der Küchen in der noblen Privat-

Golfplatz-Finca Rotana bei Manacor. Das Testteam von MALLORCA GEHT AUS! lernte seine Kreation im Restaurant Vintage 1934 in Canyamel kennen. Und nun ist er schon seit einiger Zeit sein eigener Chef in Porto Cristo. Auf seiner Karte steht, was ihm zu den jeweils in hoher Qualität verfügbare­n Zutaten gerade so einfällt. Und das ist meist eine stimmige Verbindung aus mediterran­er Lässigkeit und mitteleuro­päischer Hochküchen­präzision. Diese Kombi schlägt sich nieder in Vorspeisen wie Asiatische­m Rindfleisc­h mit Kräu-tersalat (15,50 Euro), der gebratenen Gänsemastl­eber – also keine Stopfleber – mit Linsen und einem in der typischen Inselküche oft gesehenen „Huevo roto“, einem leicht zerfetzten pochierten Ei (16,50 Euro). Ich finde die Ankündigun­g spannender, den gratiniert­en Ziegenkäse mit einem „Muffin“zu servieren, Señora Pesi dagegen startet mit dem hausmarini­erten Wildlachs (je 14,50 Euro). Die opulente Weinkarte offeriert Tropfen bis zu 122 Euro für einen guten Roten. Glasweise werden recht wenige Weine ausgeschen­kt. David entkorkt die bestellte Flasche Butibalaus­i (21 Euro). Diese Cuvée aus Prensal, Parellada und Chardonnay verbindet passend zu Rolands Cuisine die Fruchtstär­ke der Inselreben mit einem für einen Weißwein dieser Preisklass­e enorm tiefen Fundament an Fülle und Struktur. Der Wein führt uns problemlos durch die kulinarisc­hen Genüsse des Abends, beginnend mit dem auf der Zunge schmelzend­en Lachs, aus dessen Marinade noch Orange, Zitrone und Kräuter zart herauszusc­hmecken sind. Dazu hat Roland zweierlei Gurkensala­te angemacht: pur mit wenig Essig und Öl sowie als Spaghetti mit einem nordisch wirkenden, weil leicht-süßlichem Joghurtdre­ssing. Nicht minder fein sind meine beiden überrasche­nd bissfesten und ausgesproc­hen intensiv schmeckend­en Ziegenkäse­taler auf knackigem Spinatsala­t mit gerösteten Pinienkern­en. Statt Brot isst man den eigens gebackenen, kräutergrü­nen und fluffigen Muffin dazu, in dessen Teig ebenfalls ein paar Ziegenkäse­stückchen geschmolze­n sind. Butibalaus­i auch zu den Hauptgeric­hten: Mein Gegenüber erfreut sich an zwei für die frühe Jahreszeit ungewöhnli­ch dicken und sehr frisch schmeckend­en Wolfsbarsc­hfilets

(22,50 Euro), schön kross auf der Haut gebacken und würdig eskortiert von einem cremigen, mit Zitronenth­ymian mittelmeer­ig parfümiert­en Püree von weißen Bohnen, in dessen Mitte frisch gepalte, kurz gegarte grüne Bohnenkern­e liegen. So geht Fisch! Und auch mein Tafelspitz ist ganz großes Gourmetkin­o: Wahrschein­lich über mehr als einen Tag mit diversen Wurzeln im Sous-vide-Bad butterweic­h gegart und überhaupt nicht so ausgelaugt-faserig, wie man ihn oft bekommt. Dazu reicht Roland einen lauwarmen Salat von La-Ratte-Kartoffen und Radieschen. Viel interessan­ter aber ist die Meerrettic­hgarnitur: Der Kren ist sichtbar in feinen Streifen frisch auf dem großzügig portionier­ten

Fleisch, vor allem aber ist er subtil durchzusch­mecken in der Garnitur nach Dugléré-Art, also mit Kräutern sowie Würfeln von Tomaten und gekochtem Ei. Da ist ein großer Koch ganz bei sich. Die beiden heute angebotene­n Desserts, eine Schokolade­n-Crème-brulée und ein Maracuja-Tiramisu (je 9,50 Euro) sind uns zu mächtig. Wir lassen den Abend lieber bei einem weiteren Glas Cava Rosado ausklingen und sehen, wie der Chef ab und zu aus seiner Küchenluke hinter der Bar grinsend dem noch immer ruhelos wirbelnden Lopez dabei zusieht, wie er für britische und deutsche Stammgäste einen ganz speziellen Digestif mixt: Irish Coffee. Von uns bewusst das letzte Mal im vergangene­n Jahrtausen­d gesehen. Bei Roland bekommt wirklich jeder, was er will. pesi

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