Miceli
Mallorquinische Finesse mit Werkzeugkasten
Oliven stehen bereit, das Brot (zwei Sorten, hausgemacht) wird gebracht, Olivenöl eingeschenkt, Salz gibt es auch. Was will man eigentlich mehr, wenn man noch die Aussicht auf die Ebene, die ruhige Lage, die günstigen Preise – das Menü mit allem Drum und Dran für 32 respektive 41 Euro – dazurechnet? Ein Restaurant wie dieses würde man sich malen, wenn man nicht nach Fertigstellung des Bildes fürchten müsste, es wäre zu schön. Kann es so ein Etablissement wirklich geben? Eines, in dem die Katze im Innenhof sitzt und in dem die Chefin freudestrahlend an den Tisch tritt, um die Speisen zu beschreiben? Die Sache ist tatsächlich keine Fata Morgana. Schnell vergisst man auch, dass die Anreise von Sóller mühsam und kurvig ist, dass auch der Trip von Palma über die Autobahn und weiter durch die Pampa eine Weile dauert. Parkplätze in der Nähe des Restaurants zu finden, ist ebenfalls eine Herausforderung. Aber egal, denn wir nähmen alle Einschränkungen auf uns, um bei Marga Coll essen zu gehen. So feine Kleinigkeiten nämlich wie jenen Cracker mit einem tomatigen, fruchtigen, sehr aromatischen Kompott findet man nicht häufig. Mallorca in einem, sagte man zur Erklärung. Die cremige Suppe aus violetten Karotten mit einem Schaum aus Ziegenkäse stand dem Auftakt nicht nach, was Frische und Würze anging. Das passende Besteck klaubten wir übrigens aus einer zusammengerollt überreichten Tasche, in der sämtliche Messer, Gabeln und Löffeln des Menüs steckten. Ein Werkzeugkasten! Um das weiche Ei essen zu können, entnahmen wir einen Löffel, mit dem wir auch Kartoffelschaum, ein Geröstel von Buttifarron, Pilze, Artischocken und knusprige, sehr dünne Brotscheiben zum Mund führten. Die Küche empfehle, sagte eine Mitarbeiterin, alles zu verrühren. Doch genau das taten wir nicht, stachen das Ei nur leicht an, genossen erst von diesem mit Crackern, dann wieder Gemüse mit Schaum. Ein wunderbar würziges Gericht, das zum Entdecken einlud und das am besten mit einem kraftvollen Cava (Opus Evolution Gran Reserva zu 34 Euro, also sehr günstig) oder gar einem Champagner Bollinger RD (175 Euro, was Kenner als fair zu würdigen wissen) zu kombinieren wäre. Wer per Rotwein die Insel verlassen wollte, könnte dies erfolgreich tun, indem er beispielsweise in der Rubrik Rioja nachschlüge und den El Puntido (39 Euro) oder einen Amancio
(125 Euro) öffnen ließe. Nach den Jahrgängen muss man, eine Üblichkeit auf Mallorca, fragen. Der Tintenfischeintopf mit eigener Tinte war kraftvoll, fast ein bisschen schwer, sehr intensiv: ein Fischgang, zu dem erdiger Rotwein geradezu unumgänglich schien. Zum Fleischgang dagegen hätte auch Weißwein gepasst, aber leider konnte das mit Garnelen gefüllte Kaninchenfleisch nicht mit den restlichen Speisen mithalten, nicht ansatzweise. Eine ziemlich trockene Angelegenheit, die wohl kaum so gemeint war, wie sie ausgeführt wurde. Doch kleine Ausrutscher passieren in den allerbesten Häusern, man nimmt sie niemandem krumm. Zumal das Dessert einem Sternelokal würdig gewesen wäre. Mangosuppe, Sorbet und die ersten Erdbeeren aus Sa Pobla zogen wir der Ensaimada auf Miceli-Art vor, bekamen eine frühlingshafte Schlemmerei voller Frische und Frucht. Den inzwischen leeren Werkzeugkasten wieder zusammenzurollen, fiel uns schwer, der Abschied auch. Eine Ferienwohnung in Selva, das wäre doch eine Lösung, um die mühsame An- und Abreise nach jeder Mahlzeit zu vermeiden! P.S.: Marga Coll hat übrigens auch das Konzept für die Küche des Fünf-Sterne-Hotels Gran Meliá del Mar entwickelt: „Arrels by Marga Coll“heißt das Ganze. Vielleicht lässt sich im palmanahen Illetas ja auch ein Einblick in ihre Kochkunst gewinnen. wf