Santi Taura
Auch ohne Santi ein Kracher
Das zweite Mal in Folge haben wir Glück: Mit nur einem Tag Vorlauf kommen wir aufgrund einer Absage an einen der begehrten Tische bei Santi Taura. Überhaupt scheint das Vorgehen, einfach öfter einmal
der Insel anzurufen und zu fragen, ob denn nicht vielleicht jemand abgesagt habe, das beste Mittel zu sein, um in den Genuss der SantiShow zu kommen. Im Hauptrestaurant sind die Tische eigentlich immer knapp vier Monate im voraus ausgebucht, und umso mehr erfreut uns zu hören, dass im neuen Restaurant Dins, welches sich im Nebenhaus in einer alten Schreinerei befindet, und das man durch eine Tür in der Küche betreten muss, Reservierungen nur mit einem Monat Vorlauf gemacht werden. Erst einmal sind wir sehr gespannt, ob die Qualität denn darunter leidet, dass der leidenschaftliche Koch und Patron nun nicht mehr voll und ganz am Start ist. Tatsächlich bekommen wir den Chef, der früher an jedem Tisch das wöchentlich wechselnde Menü persönlich erläutert hat, während unseres Besuchs nicht ein einziges Mal zu Gesicht. Stattdessen übernehmen der nicht minder sympathische Sommelier und der Restaurantleiter seine Rolle, und wir fühlen uns auch bei ihnen auf Anhieb bestens aufgehoben. Zur Einstimmung gönnen wir uns ein Gläschen Cava (Vilarnau Brut Reserva, Glas vier Euro) und werfen einen flüchtigen Blick in die äußerst trinkfreundlich kalkulierte und bestens sortierte Weinkarte, welche neben einer breiten Auswahl an Inselweinen auch ausreichend Schätze vom Festland sowie überraschend viele internationale Positionen bietet. Letztendlich begeben wir uns dann aber in die Hände des Sommeliers, sagen ihm, was wir mögen, und er fährt mit dem Clio der Bodega Juan Gil den mit Abstand besten Monastrell aus der Jumilla auf, den wir je im Glas hatten (Flasche 42 Euro). Den Anfang machen wie immer eine handwerklich perfekt gemachte Krokette, heute mit Jamón ibérico, hausgebackenes Brot aus XeixaMehl mit dem hauseigenen Olivenöl und Flor de Sal d’Es Trenc sowie eine Kartoffelsuppe mit Sobrasada-Öl im Chupito-Gläschen als zusätzliches Amuse-Bouche. Auf der Menükarte finden wir keine Beschreibung der Gerichte mehr, sondern nur noch einzeln aufgelistete Zutaten, auf denen die Gerichte basieren. Den Anfang des eigentlichen Menüs (sechs Gänge plus Amuse kosten unglaubliche 40 Euro plus zehn Prozent IVA, und das im Haus filtrierte Wasser taucht auch nicht mehr auf der Rechnung auf) machen somit „Königstrompetenpilze/Tomate/Kürbis“, wobei die Strünke des Pilzes zu bissfesten Nudeln gestiftet, in einem Tomaten-Kürbis-Sugo geschwenkt und mit den sautierten Hüten des Pilzes getoppt wurden. Schon dieser erste Gang zeigt, dass die Qualität – wie eigentlich bei jedem Besuch – noch zu steigen scheint, obwohl der Chef jetzt noch in anderen Töpfen rührt. „Ei/Kartoffel/Artischocken/Botifarro“beschreibt ein winziges Omelette, gefüllt mit einer Mischung aus den restlichen aufgeführten Zutaten. Saftig, mutig abgeschmeckt, einfach und gut. Darauf folgt mit „Kabeljau/Nudeln/Safran“ein absolutes Highlight aus sechs bissfesten, mit einer Fischfarce gefüllten Mini-Cannelloni samt einer meisterhaft ausgeführten, mit Safran verfeinerten Beurre blanc, die so gut ist, dass man am liebsten den Teller ablecken würde. Wir vergessen aber trotz des leichten Schwipses, den uns der seidig weiche Tinto mittlerweile verpasst hat, unsere Manieren nicht und erledigen das Saucenaufsaugen mit dem knusprigen Brot. Weiter geht’s mit „Fang des Tages/Calcots/Spinat/Brot“, besser gesagt mit einer dicken Tranche von der Zahnbrasse, mit einer dicken Knusperkruste versehen, auf einem Süßkartoffelpüree. Dazu gibt’s Spinat-Pesto und zwei ausgelöste Calcots, die nur im Frühjahr erhältlichen katalonischen Frühlingszwiebeln, die traditionell auf offenem Feuer von außen verbrannt sind: Man isst deren saftiges Innere. Danach „Schwein/Kohl/Kräuter“, ein saftiges Stück vom autochthonen schwarzen Schwein auf einem cremigem Coleslaw mit einer Wucht von Jus, die mit frischen Kräutern aromatisiert wurde. Die Frage, ob wir sofort zum Dessert übergehen wollen, verneinen wir und lassen uns vier verschiedene Käse aus der riesigen Auswahl aussuchen (16 Euro) und dazu einen Moscatel de
Marina aus der nicht minder beeindruckenden Karte offener Süßweine empfehlen (2,10 Euro). Zum Abschluss gibt es mit „Mandarine/ Süßkartoffel/weiße Schokolade“noch ein höchst erfrischendes Dessert sowie gute Petit Fours zum Espresso. Und: Wir dürfen sogar noch einmal durch die Küche laufen und einen Blick ins
Dins werfen, wo wir dann doch noch Señor Taura sehen, wie er für nur 16 Gäste in einer offenen Küche kocht und mit Menüpreisen von 80 bis 110 Euro vielleicht doch noch einmal die Michelin-Weihen anvisiert, die ihm bis heute – aus uns nicht ersichtlichen Gründen – verwehrt blieben. coni