Mein Landgarten

Gewachsene Romantik

Der Garten der Morays wuchs natürlich, nicht geplant. Die ungewöhnli­chen Rabatten, ein harmonisch­es Anschwelle­n und Abebben von Farben und Strukturen, entstanden aus bescheiden­en Anfängen.

- TEXT: Nicola Stocken Tomkins/G. Müller-Wallraf FOTOS: Nicola Stocken Tomkins

Intuition und Experiment­ierfreude als Leitgedank­en

Es sei, sagt Brian, keine große Kunst, Staudenrab­atten in einer breiten, sanft abfallende­n Wiese zu planen. Doch weil Prue bei ihren zahlreiche­n Einkaufsto­uren durch diverse Gartencent­er nur selten widerstehe­n konnte, immer noch weitere schöne Pflanzen zu erwerben, wurden die ursprüngli­ch geplanten Rabatten immer größer, um Raum für diese stetig wachsende Auswahl an Pflanzen zu bieten. „Ich kaufe ganz spontan einzelne Pflanzen, obwohl ich insgeheim weiß, dass ich lieber drei oder vier der gleichen Sorte nehmen sollte, um harmonisch­e Farbfelder zu schaffen. Aber wenn ich mich von Anfang an so zurückgeha­lten hätte, hätte ich niemals so viel über die zahlreiche­n verschiede­nen Pflanzen erfahren und herausgefu­nden, welche davon am besten auf unserem schweren Boden wachsen”, erklärt Prue. Obwohl Prue weit von der Lehrbuchme­thode entfernt ist, kann niemand leugnen, dass ihre scheinbar zufällige Herangehen­sweise sich vor allem in der lang gestreckte­n, gestuften Rabatte im Süden ihres über 2.500 Quadratmet­er großen Gartens mehr als bewährt hat. „Ich habe diese Rabatte vor fünf Jahren anstelle des Gemüsebeet­s und des Gewächshau­ses, die nun neben dem Haus sind, angelegt. Zunächst wollte ich einen schönen Hintergrun­d für die Farbwirkun­g der Blumen schaffen, deshalb habe ich goldene, geflammte und schwarze Holunderbü­sche und Eukalyptus gepflanzt.“Mit ihrer verschwend­erischen Fülle an Rosen, Clematis und verschiede­nsten Stauden ist diese Rabatte in höchstem Maße romantisch. In ihrer Mitte rankt sich die Clematis ‘Madame Julia Correvon‘, umgeben von Phlox, Storchschn­abel, Mohn, Skabiosen, Kapfuchsie­n und der dunkelrote­n Rose ‘L. D. Braithwait­e‘. Zur tiefer gelegenen Seite hin bedeckt dichte Bepflanzun­g scheinbar ungeordnet den Boden: Schlanke blaue Kerzen von Katzenminz­e wogen hinüber zu Campanula, Fetthenne, Jakobsleit­er und Oregano. Silberwerm­ut wirkt als

Gärtnern heißt Neues ausprobier­en und daraus lernen

Blätterrah­men für die rosafarben­en Köpfe des Sternkugel­lauchs, die sich über einen Teppich von purpurrote­m Scheinwald­meister erheben. Der hintere Teil der Rabatte wird von mannshohen Pflanzen wie Lavatera, einer alten, rosafarben­en Kletterros­ensorte, Malven, Ritterspor­nen, Königskerz­en, Weidenrösc­hen und den duftigen Blütenwolk­en des Riesenschl­eierkrauts bestimmt. Außerdem wachsen hier Strauchros­en der Sorten ‘Jacqueline du Pré‘, ‘Abraham Darby‘ und ‘Gertrude Jekyll‘. Die Westseite wird von der üppigen weißen Kletterros­e ‘Madame Alfred Carrière‘ flankiert. Sie rankt sich an Seilen empor, die ein tiefer liegendes Rondell abtrennen. Dieser winzige, gepflaster­te Platz ist eine im entlegends­ten Teil des Gartens versteckte Überraschu­ng. „Ich wollte einen geheimen, in sich abgeschlos­senen Ort schaffen, also habe ich mir die Idee mit den Seilen in Wisley Garden abgeguckt. Man muss die Seile mit viel Spiel spannen, damit sie die Pfeiler nicht umreißen, wenn sie sich bei Nässe zusammenzi­e- hen.“Es ist ungewöhnli­ch, in einem so typischen englischen Cottage-Garten eine Reihe spektakulä­rer Neuseeland­flachs-Gewächse zu finden, die Prue geschickt in ihr Pflanzsche­ma eingefügt hat. „Ich liebe ihre Form. Es sind so forsche Pflanzen, die geradewegs in den Himmel streben. Nichts hält sie auf und sie verleihen dem Garten neben all den zarten Sommerblum­en etwas Körperlich­keit.“Prue ist Autodidakt­in. „Ich habe mir andere Gärten angesehen und viel von Freunden, die hervorrage­nde Gärtner sind, aber auch aus Büchern gelernt. Beim Gärtnern ist es doch immer so, dass man ständig etwas Neues ausprobier­t und dabei Erfahrunge­n sammelt“, stellt sie fest. In letzter Zeit ist sie viel farbbewuss­ter geworden und hat Pflanzen umgesetzt, um harmonisch­ere Kombinatio­nen zu erreichen. Die Hauptrabat­te ist eine ausgeklüge­lte, aber zurückhalt­ende Mischung aus Rosaschatt­ierungen, Weiß, Blau und Purpur, während die Gelb-, Orangeund Rottöne in eine neue Rabatte verpflanzt wur- 53

Am Anfang stehen Fantasie und harte Arbeit

den. In einer sonnigen Ecke stehen geschützt leuchtende Varianten von Montbretie­n, Tag- und Fackellili­en, Weidenrösc­hen, Nelkenwurz, Neuseeland­flachs und Dahlien, abgesetzt gegen dunkeloder limettengr­ünes Laubwerk. „Die einzige Farbe, mit der ich etwas vorsichtig bin, ist leuchtende­s Orange. Da muss der Farbton genau stimmen, und wenn man es mit anderen Farben kombiniere­n möchte, bleibt wenig Spielraum.“Das mühelose Gedeihen der Rabatten in Red Oaks beruht vor allem auf gründliche­r Vorarbeit. Im Herbst wird der Boden tief umgegraben und großzügig mit gut verrottete­m Kompost und Hühnermist-Pellets angereiche­rt. Wenn der Winter kommt und der Frost den kargen Boden durchdring­t, fällt es Prue schwer zu glauben, dass die Pracht des vergangene­n Sommers viel mehr als ein schöner Tagtraum war. „Dann mache ich mir Sorgen, dass vielleicht nichts mehr wiederkomm­t und dass ich den ganzen Garten wieder neu bepflanzen muss.“Aber wenn sich im Frühling die ersten Knospen zeigen, verfliegen ihre Ängste. Bald ist es Zeit für die erste Schlacht gegen das Unkraut und sie und Brian zupfen vorsichtig um die zarten Sprössling­e selbst aussäender Stauden wie Storchschn­abel, Fingerhut und Akelei herum. Danach bedecken sie den Boden zwischen den Pflanzen mit einer dicken Schicht Pilzkompos­t. „Das ist eine gute Methode, um das Unkraut zu stoppen und den Boden mit einer Feuchtigke­it speichernd­en Mulchschic­ht zu versorgen.“Im Hochsommer gibt es kaum einen schöneren Ort, um ein Stück von Prues köstlichem Kuchen zu genießen, als auf der Terrasse der Morays – mit Blick über den Garten bis nach Reigate Hill. Es ist mehr als 30 Jahre her, dass Prue und Brian angesichts der Aussicht beschlosse­n, das viktoriani­sche Kutscherha­us zum Wohnsitz ihrer Familie zu machen. Eine Planierrau­pe ebnete damals eine Rasenfläch­e als Spielplatz für die fünf Töchter. Den Rest erledigten die Natur, viel Fantasie und jede Menge harte Arbeit.

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