Gewachsene Romantik
Der Garten der Morays wuchs natürlich, nicht geplant. Die ungewöhnlichen Rabatten, ein harmonisches Anschwellen und Abebben von Farben und Strukturen, entstanden aus bescheidenen Anfängen.
Intuition und Experimentierfreude als Leitgedanken
Es sei, sagt Brian, keine große Kunst, Staudenrabatten in einer breiten, sanft abfallenden Wiese zu planen. Doch weil Prue bei ihren zahlreichen Einkaufstouren durch diverse Gartencenter nur selten widerstehen konnte, immer noch weitere schöne Pflanzen zu erwerben, wurden die ursprünglich geplanten Rabatten immer größer, um Raum für diese stetig wachsende Auswahl an Pflanzen zu bieten. „Ich kaufe ganz spontan einzelne Pflanzen, obwohl ich insgeheim weiß, dass ich lieber drei oder vier der gleichen Sorte nehmen sollte, um harmonische Farbfelder zu schaffen. Aber wenn ich mich von Anfang an so zurückgehalten hätte, hätte ich niemals so viel über die zahlreichen verschiedenen Pflanzen erfahren und herausgefunden, welche davon am besten auf unserem schweren Boden wachsen”, erklärt Prue. Obwohl Prue weit von der Lehrbuchmethode entfernt ist, kann niemand leugnen, dass ihre scheinbar zufällige Herangehensweise sich vor allem in der lang gestreckten, gestuften Rabatte im Süden ihres über 2.500 Quadratmeter großen Gartens mehr als bewährt hat. „Ich habe diese Rabatte vor fünf Jahren anstelle des Gemüsebeets und des Gewächshauses, die nun neben dem Haus sind, angelegt. Zunächst wollte ich einen schönen Hintergrund für die Farbwirkung der Blumen schaffen, deshalb habe ich goldene, geflammte und schwarze Holunderbüsche und Eukalyptus gepflanzt.“Mit ihrer verschwenderischen Fülle an Rosen, Clematis und verschiedensten Stauden ist diese Rabatte in höchstem Maße romantisch. In ihrer Mitte rankt sich die Clematis ‘Madame Julia Correvon‘, umgeben von Phlox, Storchschnabel, Mohn, Skabiosen, Kapfuchsien und der dunkelroten Rose ‘L. D. Braithwaite‘. Zur tiefer gelegenen Seite hin bedeckt dichte Bepflanzung scheinbar ungeordnet den Boden: Schlanke blaue Kerzen von Katzenminze wogen hinüber zu Campanula, Fetthenne, Jakobsleiter und Oregano. Silberwermut wirkt als
Gärtnern heißt Neues ausprobieren und daraus lernen
Blätterrahmen für die rosafarbenen Köpfe des Sternkugellauchs, die sich über einen Teppich von purpurrotem Scheinwaldmeister erheben. Der hintere Teil der Rabatte wird von mannshohen Pflanzen wie Lavatera, einer alten, rosafarbenen Kletterrosensorte, Malven, Ritterspornen, Königskerzen, Weidenröschen und den duftigen Blütenwolken des Riesenschleierkrauts bestimmt. Außerdem wachsen hier Strauchrosen der Sorten ‘Jacqueline du Pré‘, ‘Abraham Darby‘ und ‘Gertrude Jekyll‘. Die Westseite wird von der üppigen weißen Kletterrose ‘Madame Alfred Carrière‘ flankiert. Sie rankt sich an Seilen empor, die ein tiefer liegendes Rondell abtrennen. Dieser winzige, gepflasterte Platz ist eine im entlegendsten Teil des Gartens versteckte Überraschung. „Ich wollte einen geheimen, in sich abgeschlossenen Ort schaffen, also habe ich mir die Idee mit den Seilen in Wisley Garden abgeguckt. Man muss die Seile mit viel Spiel spannen, damit sie die Pfeiler nicht umreißen, wenn sie sich bei Nässe zusammenzie- hen.“Es ist ungewöhnlich, in einem so typischen englischen Cottage-Garten eine Reihe spektakulärer Neuseelandflachs-Gewächse zu finden, die Prue geschickt in ihr Pflanzschema eingefügt hat. „Ich liebe ihre Form. Es sind so forsche Pflanzen, die geradewegs in den Himmel streben. Nichts hält sie auf und sie verleihen dem Garten neben all den zarten Sommerblumen etwas Körperlichkeit.“Prue ist Autodidaktin. „Ich habe mir andere Gärten angesehen und viel von Freunden, die hervorragende Gärtner sind, aber auch aus Büchern gelernt. Beim Gärtnern ist es doch immer so, dass man ständig etwas Neues ausprobiert und dabei Erfahrungen sammelt“, stellt sie fest. In letzter Zeit ist sie viel farbbewusster geworden und hat Pflanzen umgesetzt, um harmonischere Kombinationen zu erreichen. Die Hauptrabatte ist eine ausgeklügelte, aber zurückhaltende Mischung aus Rosaschattierungen, Weiß, Blau und Purpur, während die Gelb-, Orangeund Rottöne in eine neue Rabatte verpflanzt wur- 53
Am Anfang stehen Fantasie und harte Arbeit
den. In einer sonnigen Ecke stehen geschützt leuchtende Varianten von Montbretien, Tag- und Fackellilien, Weidenröschen, Nelkenwurz, Neuseelandflachs und Dahlien, abgesetzt gegen dunkeloder limettengrünes Laubwerk. „Die einzige Farbe, mit der ich etwas vorsichtig bin, ist leuchtendes Orange. Da muss der Farbton genau stimmen, und wenn man es mit anderen Farben kombinieren möchte, bleibt wenig Spielraum.“Das mühelose Gedeihen der Rabatten in Red Oaks beruht vor allem auf gründlicher Vorarbeit. Im Herbst wird der Boden tief umgegraben und großzügig mit gut verrottetem Kompost und Hühnermist-Pellets angereichert. Wenn der Winter kommt und der Frost den kargen Boden durchdringt, fällt es Prue schwer zu glauben, dass die Pracht des vergangenen Sommers viel mehr als ein schöner Tagtraum war. „Dann mache ich mir Sorgen, dass vielleicht nichts mehr wiederkommt und dass ich den ganzen Garten wieder neu bepflanzen muss.“Aber wenn sich im Frühling die ersten Knospen zeigen, verfliegen ihre Ängste. Bald ist es Zeit für die erste Schlacht gegen das Unkraut und sie und Brian zupfen vorsichtig um die zarten Sprösslinge selbst aussäender Stauden wie Storchschnabel, Fingerhut und Akelei herum. Danach bedecken sie den Boden zwischen den Pflanzen mit einer dicken Schicht Pilzkompost. „Das ist eine gute Methode, um das Unkraut zu stoppen und den Boden mit einer Feuchtigkeit speichernden Mulchschicht zu versorgen.“Im Hochsommer gibt es kaum einen schöneren Ort, um ein Stück von Prues köstlichem Kuchen zu genießen, als auf der Terrasse der Morays – mit Blick über den Garten bis nach Reigate Hill. Es ist mehr als 30 Jahre her, dass Prue und Brian angesichts der Aussicht beschlossen, das viktorianische Kutscherhaus zum Wohnsitz ihrer Familie zu machen. Eine Planierraupe ebnete damals eine Rasenfläche als Spielplatz für die fünf Töchter. Den Rest erledigten die Natur, viel Fantasie und jede Menge harte Arbeit.