Tee, Rosen & Radieschen
Leben wie in „Der Doktor und das liebe Vieh“– kann man das als Städterin? Heidi Howcroft erzählt neue Geschichten übers Leben im Gartenparadies England.
Ob die Realität wirklich so schön sein kann wie der Traum, wird oft angezweifelt.
Durch Zufall bin ich in einer Ecke von England gelandet, die für die meisten nur zwischen den Seiten eines Buchs oder im Film existiert. Ich habe die englische Landidylle nicht gesucht, aber gefunden. Während ich in den ersten Jahren keine Ahnung hatte, wie ich mich in dieser fremden Umgebung verhalten sollte, so weiß ich wenigstens jetzt, wie die Regeln sind. Meine anfängliche Begeisterung hat sich nicht gelegt, im Gegenteil, je länger ich hier wohne, desto glücklicher bin ich, das Landleben führen zu können. Nach einem Jahrzehnt ist „The Dairy House“zwar renoviert, aber die Holzbohlen knirschen immer noch. Die alten Fenster sind undicht, die Energiewerte befinden sich auf der untersten Skala und Wärmflaschen sind sommers wie winters im Einsatz. Aber so ist das Leben in einem denkmalgeschützten Haus aus dem 17. Jahrhundert. Rosen schmücken die Fas- sade, aber digitale Signale und WLAN tun sich schwer, durch die dicken, über 350 Jahre alten Natursteinmauern zu dringen. Der Hausgarten hat Gestalt angenommen, aber macht nach wie vor, was er will.
Die „Henne“, geformt aus Buchs – der eigentliche Grund, weswegen ich das Haus gekauft habe – gedeiht und hat Zuwachs bekommen.
In Kugelform geschnitten, schaut der Ableger, der vom jährlichen Schnitt liegen blieb und Wurzeln geschlagen hat, wie ein Ei aus. Das längliche Beet auf der anderen Seite des Buchsvogels bereitet mir seit einiger Zeit Probleme. Anfangs haben sich die Pflanzen ganz diszipliniert verhalten, dann hat sich die Rotbuchenhecke nach vorne ausgedehnt, das Beet verschmälert und die Stauden verdrängt. Das schöne Federgras wurde von meinem Kater zer- stört, der zu gerne dort gekämpft und die Halme ausgeruft hat. Noch setzen sich ein paar tapfere Zwiebeln, Allium aflatuense und Nectaroscordum siculum, mit großen in Dolden hängenden Glocken, durch – aber alles andere hat den Geist aufgegeben. Von all den Bereichen im Garten hat dieser am meisten durch meine lange Abwesenheit im Sommer gelitten. Eine kleinteilige Lösung war
hier falsch, da das Beet hauptsächlich aus der Ferne, nämlich vom Küchenfenster aus, gesehen wird. Ich suchte dafür eine passende Rose, nicht zu steif oder zu formal, eine einfache Blüte, die aber lange hält. Per Zufall fand ich ‚Morning Mist’ bei Castle Gardens in Sherborne.
Eigentlich hätte diese Rose genauso gut ‘Evening Sunset’ heißen können, denn die Farben der Blüte waren wie das Abendrot: ein changierendes warmes Orange, ins Apricot übergehend mit einem Hauch Pink und Bronze dabei.
Remontierend mit großen, orangenen Hagebutten ist die David-Austin-Rose ideal. Wahrscheinlich werde ich Katzenminze dazugesellen. Im Moment halte ich mich aber noch zurück, denn seitdem es Kitty, den schwarzen Kater, nicht mehr gibt, kommen andere Katzen zu Besuch. Würden sie ihre Lieb- lingsdroge entdecken, würde ich sie nicht mehr loswerden. Kitty – zum Schluss hatte er nur mehr einen Zahn – wurde ein alter Herr von weit über 17 Jahren. Er starb, wie er lebte, nämlich im Freien, und hat unter der Rose ‚New Dawn’ seine Ruhe gefunden. Eine Leidenschaft für Gärten und das Grüne ist gewissermaßen eine Voraussetzung für das glückliche Landleben. Sie ist der Zugang zu einer spannenden und auch manchmal frustrierenden Welt, wo Erfolg und Niederlage am gleichen Tag erlebt werden können und bringt, meist bei einer Tasse Tee, auch die Erkenntnis mit sich, dass man noch viel zu lernen hat und dass Schönheit in vielen Formen vorkommt.