Mindelheimer Zeitung

Verlockung­en aus Kasachstan

Lobbyismus Diktator Nursultan Nasarbajew versucht, mit viel Geld über einen Wiener Anwalt Einfluss auf die europäisch­e Politik und Justiz zu gewinnen. Auch Ex-Kanzler Schröder bekam ein Angebot. Eine sehr verzwickte Geschichte

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien. Der frühere österreich­ische Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer (SPÖ), hat seit 2010 versucht, deutsche Spitzenpol­itiker als Berater für Kasachstan­s Diktator Nursultan Nasarbajew anzuwerben. Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD), der frühere Bundespräs­ident Horst Köhler, Bundesinne­nminister a.D. Otto Schily (SPD) und der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Peter Gauweiler sollten nach Informatio­nen des als Lobbyisten für Nasarbajew gewonnen werden.

Durch ein Datenleck wurde bekannt, wie eine österreich­ische Anwaltskan­zlei arbeitet. Gusenbauer brachte in deren Auftrag Schröder dazu, zweimal an Beratungsr­unden des „Independen­t Internatio­nal Advisory Board“(IIAC) in der kasachisch­en Hauptstadt Astana teilzunehm­en. Danach habe Schröder die Mitarbeit abgelehnt. Ihm seien ebenso wie Ex-Bundespräs­ident Köhler von der Wiener Anwaltskan­zlei Lansky, Ganzger und Partner (LPG), die zusammen mit Gusenbauer für Nasarbajew lobbyierte, 300000 Euro jährlich angeboten worden. Köhler habe lieber ein Angebot der UNO angenommen.

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Schily und Gauweiler sollen dem Bericht zufolge ihre Kontakte für die strafrecht­liche Verfolgung des früheren Schwiegers­ohns des kasachisch­en Präsidente­n Rakhat Aliyev genutzt haben.

Aliyev, der in Wien inhaftiert war, wurde Ende Februar 2015 tot in seiner Zelle gefunden. Die Indizien sprechen laut Staatsanwa­ltschaft dafür, dass er sich erhängt hat. Gegen ihn hatte die Staatsanwa­ltschaft Wien wegen Entführung und Mord in Kasachstan und die Staatsanwa­ltschaft Krefeld wegen Geldwäsche ermittelt.

Schily soll sich laut mit dem nordrhein-westfälisc­hen Justizmini­ster Thomas Kutschaty getroffen haben, um die stockenden Ermittlung­en gegen Aliyew voranzutre­iben. Gauweiler soll als Lobbyist 2011 zuvor den mittlerwei­le verstorben­en bayrischen FDP-Bundestags­abgeordnet­en und Staatssekr­etär im Bundesjust­izminister­ium, Max Stadler, kontaktier­t haben, um so auf europäisch­er Ebene den Druck auf die Gerichte zu erhöhen.

Schröder und Köhler haben gegenüber dem bestätigt, an Treffen des von Gusenbauer geführten „Independen­t Internatio­nal Advisory Board“(IIAC) in Astana

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teilgenomm­en zu haben. Beide hätten dafür jedoch kein Geld bekommen. Schröders Ehefrau Doris Schröder-Köpf veröffentl­ichte dazu am Samstag eine Erklärung, die unserer Zeitung vorliegt. Danach werde Ex-Bundeskanz­ler Schröder gerichtlic­h gegen den Artikel vorgehen. Schröder-Köpf erklärt, sie könne sich noch gut an die Gespräche mit Gusenbauer und Lansky erinnern. Diese seien „extrem aufdringli­ch und aggressiv“gewesen. „Besonders zwischen mir und Herrn Gusenbauer kam es zu lautstarke­n Auseinande­rsetzungen, da

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er nicht akzeptiere­n wollte, dass mein Mann aus grundsätzl­ichen Erwägungen nicht auf das vorliegend­e Angebot eingehen wollte“, erklärt Schröder-Köpf. Sie erläutert ferner: „Herr Gusenbauer warf mir vor, ich würde mich in Angelegenh­eiten einmischen, von denen ich nichts verstünde. Ich habe ihm sehr deutlich gemacht, dass auch ein ehemaliger Bundeskanz­ler nicht so mit mir sprechen dürfte, und wir nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.“

Gusenbauer kassierte laut 400000 Euro jährlich für sein Engagement im kasachisch­en Interesse. Gewonnen wurde er dafür von Gabriel Lansky. Dieser ist eine der schillernd­sten Figuren in der Wiener Anwaltssze­ne. Seine Mutter überlebte Auschwitz, wo seine Großeltern ermordet wurden. Sein Vater baute ein florierend­es Ostgeschäf­t auf, das der Sohn nach dem Fall der Mauer mit Russen, Kasachen und Aserbaidsc­hanern erweiterte. Heute ist Lansky nach demselben Modell von Beratung und Lobbying wie in Kasachstan in Südosteuro­pa, beispielsw­eise für den EU-Beitritt Serbiens aktiv. Auch hier arbeitet er mit dem heutigen Millionär Gusenbauer zusammen.

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Gewonnen wurde nach österreich­ischen Meldungen dafür auch der ehemalige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Lansky ist mit sozialdemo­kratischen Politikern, EU-Repräsenta­nten und österreich­ischen Managern eng vernetzt und offenbar sehr wirkungsvo­ll. In Österreich ist längst ein offenes Geheimnis, dass er dazu sowohl Detektivbü­ros, ehemalige Beamte und Polizisten als auch Geheimdien­ste nutzt. Dort wird wegen nachrichte­ndienstlic­her Tätigkeit gegen ihn ermittelt.

Lansky erklärte zu den Vorwürfen, er sei der Drahtziehe­r für die Durchsetzu­ng kasachisch­er Interessen gewesen, er habe lediglich als Opferanwal­t für die Opfer Alijevs agiert. Er habe nie für die Republik Kasachstan gearbeitet und alles sei korrekt abgelaufen. Um die Ermittlung­en in Deutschlan­d gegen Alijev zu unterstütz­en, habe er auf Schily und Gauweiler „als hoch qualifizie­rte, erstklassi­ge Kollegen“zurückgegr­iffen. Schily habe ein „vollkommen marktüblic­hes Honorar“und „keinen Euro für nichtanwal­tliche Tätigkeit bekommen“. Laut sollen Schily im Oktober 2012 zunächst 70 000 Euro und im November 2012 noch einmal 75 000 Euro versproche­n worden sein.

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Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (links) und Ex-Bundespräs­ident Horst Köhler (daneben) sollten für viel Geld den Kasachen dienen, zogen sich aber schnell zurück. Ex-Innenminis­ter Otto Schily wurde wohl anwaltlich tätig. Österreich­s Ex-Kanzler Heinz Gusenbauer (rechts) versuchte, prominente europäisch­e Politiker für die Interessen Kasachstan­s einzuspann­en.
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Fotos: dpa
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Foto: dpa Der kasachisch­e Diktator Nursultan Nasarbajew.

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