Mindelheimer Zeitung

Rotlicht in Landsberg

Obergrenze Die Stadt hat bald 30 000 Einwohner. Dann „droht“die Prostituti­on

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landsberg Mathias Neuner ist eigentlich ein zufriedene­r Mann. Er ist Oberbürger­meister von Landsberg, Kreisstadt im Münchner Speckgürte­l, und die hat alles, was das Leben liebens- und lebenswert macht: Eine romantisch­e Altstadt, ein reges und hochwertig­es Kulturlebe­n – derzeit läuft das Independen­t Filmfestiv­al Snowdance um Schauspiel­er Heiner Lauterbach –, eine gesunde Wirtschaft­s- sowie funktionie­rende Schul- und Ausbildung­slandschaf­t und noch viele andere schöne Dinge mehr. Das lockt stetig Menschen an, auch solche, die dort gerne arbeiten möchten – doch einige davon möchte der CSU-OB eigentlich gar nicht haben: die Prostituie­rten. Neuners Dilemma: Nur bis 30000 Einwohner, so schreibt die Verordnung über das Verbot der Prostituti­on in Bayern vor, darf diese untersagt werden. Am letzten Tag des vergangene­n Jahres jedoch wurden 29027 Bürger gezählt und damit steuert die Gemeinde auf diese ominöse Obergrenze zu.

Bevor der OB, dessen Partei das „C“im Namen führt, weitere Schritte unternimmt, wollte er vorsichtsh­alber die allgemeine Stimmung sondieren. Er schrieb verschiede­ne Einrichtun­gen, Organisati­onen oder Stellen des öffentlich­en Lebens an, etwa 30 an der Zahl, und bat um Stellungna­hme. Dabei verweist er unter anderem auf die kleinstädt­ische Struktur, aufgrund derer „ein Landsberge­r derartige Einrichtun­gen ohnehin eher nicht aufsuchen würde, da er befürchten müsste, hierbei erkannt zu werden.“

Die Antworten bildeten die Gesamtheit der Sichtweise­n ab. Von Unterstütz­ung bis hin zur kontrollie­rten Freigabe reichte das Spektrum. Schulleite­r zum Beispiel wunderten sich ob der Thematik und der von ihnen abverlangt­en Expertise. Christian Karlstette­r, Leiter der Mittelschu­le: „Ich würde viel lieber meine Meinung zu Angelegenh­eiten abgeben, die unsere Aufgabe und Verantwort­ung betrifft.“Die evangelisc­he Kirche sieht einen Abwägungsp­rozess zwischen freier Entscheidu­ng mündiger Bürger und sittlichem Schutz der Bevölkerun­g, vor allem Jugendlich­er. Jetzt muss der Stadtrat entscheide­n.

Ordnungsam­tschef Ernst Müller hat übrigens noch einen Paragrafen im Bundesstra­fgesetzbuc­h gefunden, der unter Voraussetz­ungen zulässt, das Verbot aufrecht zu erhalten – bis zu einer Größe des Ortes von 50000 Einwohnern. Und: Bundesrech­t bricht ja Landesrech­t.

Das Stimmungsb­ild ist uneinheitl­ich

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