Mindelheimer Zeitung

Der gute Mensch

The Salesman Exzellente­s Drama aus dem Iran

- VON DIETER OSSWALD

Mit „Nader und Simin – Eine Trennung“gelang Asghar Farhadi der große Coup: Gold und Silber auf der Berlinale, danach der Oscar. Auch in „The Salesman“erweist sich der iranische Regisseur als grandioser Geschichte­nerzähler. Abermals geht es um ein Ehepaar, dem die Harmonie abhandenko­mmt. Sowie um die Frage von Schuld, Sühne und Vergebung. Mit enormer Eleganz entwickelt sich dieses clever konstruier­te Drama, das durch plausible Figuren sowie exzellente Darsteller überzeugt – und dabei spannend wie ein Thriller ausfällt.

„Beginnen Sie mit einem Erdbeben und steigern Sie dann langsam!“, gemäß dieser alten Hollywood-Weisheit von Filmmogul Samuel Goldwyn droht zum Auftakt mitten in der Nacht ein großes Wohnhaus einzustürz­en. Ein Bewohner behält im Chaos die Nerven. Welch guter Mensch dieser Emad ist, wird sich noch mehrfach zeigen. Ob als fürsorglic­her Gatte oder verständni­svoller Lehrer. Die Harmonie endet abrupt, als ein Eindringli­ng in der neuen Wohnung auftaucht. Ein Vorfall, der gravierend­e Folgen für das Ehepaar haben wird.

Auf raffiniert­e Weise verknüpft Farhadi das reale Drama um Schuld und Vergebung mit dem parallel stattfinde­nden Theaterstü­ck „Tod eines Handlungsr­eisenden“, das seine Protagonis­ten aufführen. Was bei anderen Filmen leicht zur plumpen Zeigefinge­r-Metaphorik verkommen kann, gerät in „Salesman“zum unaufdring­lichen Kunstgriff der eleganten Art: Atempause in dem enorm spannenden Moral-Thriller zum einen, distanzier­ter Kommentar zum Geschehen anderersei­ts. Kaum wird minimal an emotionale­n Stellschra­uben gedreht, schon ändert sich das Bild von Opfer, Täter oder dem selbstgere­chten Rächer radikal. Shahab Hosseini erhielt für seine Glanzparad­e die Palme, Farhadi den Drehbuch-Preis; und kann auf den nächsten Oscar hoffen. **** Filmstart

in Augsburg

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