Ein Lichtertag mit dunklen Seiten
Lichtmess Warum es früher für viele Kinder und Dienstboten keine „gute, alte Zeit“gab und was das mit dem heutigen Tag zu tun hat
Unterallgäu „Maria Lichtmess“am heutigen 2. Februar sagt vielen Menschen nichts mehr. Dabei ist „Liamess“, wie man im Unterallgäu sagt, ein bedeutender Marienfeiertag, der früher in Bayern sogar ein offizieller Feiertag war. Er ist ein Tag der Kerzenweihe in den katholischen Kirchen. Mit Lichtmess endet im kirchlichen Sinne auch der Weihnachtsfestkreis. Deshalb werden nun auch die Krippen abgebaut und in manchen traditionsbewussten Familien verschwindet jetzt erst der Christbaum aus der Stube. Für die Wetterbeobachter ist Lichtmess ein wichtiger „Lostag“mit Signalen für das künftige Wetter. „Ist’s zu Lichtmess licht, geht der Winter nicht“, lautet zum Beispiel so ein Bauernspruch.
Seine größte Bedeutung hatte Lichtmess jedoch einst im bäuerlichen Jahr. An diesem Tag endete und begann früher das Arbeitsjahr für die landwirtschaftlichen Dienstboten („Gesinde“). Die Knechte und Mägde bei den Bauern bekamen ihren Jahreslohn ausbezahlt und durften nun ein paar Tage „schlenkeln“, das heißt: Urlaub machen. An diesem Tag entschied es sich zudem, ob sie bei ihrem Bauern bleiben oder sich einen neuen Dienstherrn suchen mussten. Dafür gab es sogar eigene Dienstboten-Märkte.
Mit dem Blick auf die einstige bäuerlichen Kultur und Arbeitswelt rückt an Lichtmess auch ein besonderes Kapitel ländlichen Lebens in den Mittelpunkt. Es war die Zeit bis vor etwa 70 Jahren, als das Leben auf dem Land überwiegend von der Landwirtschaft geprägt war. Neben wenigen Handwerkern, dem Sägewerk oder einer Brauerei boten nämlich nur die Bauern im Dorf Arbeit und damit ein bisschen Ein- und Auskommen.
Den wenigen Arbeitgebern standen in großer Zahl Kinder und erwachsene Arbeitskräfte gegenüber. Diese stammten meist aus kleineren Anwesen oder aus kinderreichen Taglöhner-Familien. Es gab wenig zu essen und das Wenige musste oft für zehn oder noch mehr hungrige Mäuler reichen. Da war man froh, wenn man einen „Esser“los brachte und dieser sich als Hilfskraft bei einem Bauern wenigstens etwas satt essen konnte.
Folglich war es ganz normal, schon neun- oder zehnjährige Mädchen im Dorf als „Kindsmädla“oder „Kindsmagd“zu verdingen. Dort mussten sie auf kleine Kinder aufpassen, aber auch der Bäuerin zur Hand gehen. Dem Schulalter entwachsen, stiegen auch die Anforderungen und so wurden sie zur Dienstmagd oder zu einem „Dienstmädchen“im Haushalt. Auch viele Buben wurden schon früh aus den armen Familien heraus selbst an auswärtige Bauern als Hilfskräfte verdingt. Später arbeiteten sie meist als Knechte, dienten oft unter härtesten Bedingungen ihren „HerrenBauern“. Aus diesem arbeitsreichen Dienst gab es während des Jahres kein Entrinnen. Ein Wechsel war damals nur zu Lichtmess möglich.
Für die Dienstboten existierte lange Zeit kein Versicherungsschutz bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit. Mancher Dienstbote musste deshalb zum Überleben bis ins Alter hinein arbeiten. Nur wenige hatten das Glück, bei ihrem Bauern quasi Familienanschluss zu bekommen. So sind seinerzeit auch viele alte Knechte einsam und verlassen in einem Bretterverschlag im Stadel, dem „Zuhause“, gestorben. Kein Wunder, dass viele Dienstboten versuchten, durch Einheirat oder den Erwerb einer kleinen „Hoimat“ihre Existenz zu sichern.
Wie rechtlos und ausgeliefert die zahlreichen Dienstboten einst waren, zeigen ein paar Beispiele aus einer Epoche, die man häufig – und
aus der Sicht der „kleinen Leute“wohl zu Unrecht – die „gute, alte Zeit“nannte:
● Kinderarbeit wurde ausdrücklich empfohlen. So hieß es, dass „zur Verbesserung des Gesindewesens ein Hauptaugenmerk darauf gelenkt werden soll, dass Kinder, sobald sie nur einigermaßen heranwachsen, nie unbeschäftigt gelassen werden. Ein einmal zur Arbeit gewöhnter Mensch kann schon von selbst nicht untätig sein. Die Geschäftslosigkeit wird ihm zu einer Art Pein, welche ihm weit beschwerlicher als strengste Arbeit fällt.“
● Harte Arbeit für wenig Lohn. Vor gut 100 Jahren betrug der Jahreslohn für einen Knecht 200 Mark, für eine Magd oder ein Dienstmädchen etwa 170 Mark. Dazu gab es neben Kost und Unterbringung noch ein paar Kleidungsstücke. Die Arbeitszeit richtete sich ausschließlich nach den Anforderungen und Vorgaben des Dienstherrn.
● Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts galt ein körperliches Züchti gungsrecht der „Herrschaft“den Dienstboten gegenüber. Sie durften also wie ein Hund geschlagen werden. Die Strafbestimmungen dieser Zeit sahen vor, dass „mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Geld bis 45 Mark Dienstboten bestraft werden, welche sich zur Arbeitszeit in Wirtshäusern, auf Spielplätzen oder sich in Winkelkneipen herumtreiben oder die sich hartnäckigen Ungehorsam oder Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Dienstherrschaft zuschulden kommen lassen“.
● Fristlose Kündigungsgründe für den Dienstherrn waren unter anderem „wenn der Dienstbote die Behausung zur Nachtzeit heimlich verlässt oder jemand zur Nachtzeit heimlich in die Behausung einlässt, wenn ein weiblicher Dienstbote sich verheiratet oder wenn ein unverheirateter weiblicher Dienstbote sich im Zustande der Schwangerschaft befindet“. An diesem „Zustande“war im Übrigen nicht selten der Bauer selbst beteiligt.
Bereits Neunjährige mussten zum Einkommen beitragen