Strahlendes Erbe im Erdreich
Reaktor Unfall Studenten haben über 30 Jahre nach Tschernobyl die Belastung des Bodens untersucht. Dabei gibt es Auffälligkeiten
Babenhausen Nach über 30 Jahren ist das Reaktorunglück von Tschernobyl in der heutigen Ukraine nicht mehr ständig im kollektiven Bewusstsein präsent. Die Spuren des Super-GAUs sind jedoch weiterhin überall in der Region zu finden. Immer noch ist das strahlende Caesium 137 im Erdreich messbar – und das wird auch noch lang so bleiben; die Halbwertszeit beträgt 30 Jahre.
Die Studenten der Ulmer Hochschule Daniel Kienle und Alexander Kranz haben für eine Studienarbeit im Raum Babenhausen Bodenproben gezogen, untersucht und statistisch ausgewertet. Das Ergebnis zeigt: Die Erde ist auch dort immer noch mit Caesium 137 belastet, im Schnitt mit 60 Becquerel pro Kilogramm. Der Grenzwert, der für die Nahrung relevant ist, beträgt 600 Becquerel. Ohne Tschernobyl wür- de der Wert jedoch null betragen, erklärt Kranz.
Hintergrund ist das Vorhaben von Professor Thomas Raiber, Süddeutschland auf seine Strahlenbelastung hin zu kartografieren. Der Leiter des Instituts für Strahlenmesstechnik vergibt jährlich Studienarbeiten, bei denen Studierende in ihrem Heimatlandkreis oder in Nachbarregionen Proben nehmen und auswerten. Kienle und Kranz, die beide in Vöhringen (Kreis NeuUlm) wohnen, haben den Raum Babenhausen unter die Lupe genommen und an sieben Plätzen insgesamt 40 Proben entnommen. Normalerweise wird bei den Studienarbeiten ein Gebiet nicht so genau untersucht. Jedoch seien im Raum Babenhausen bei einem Wildschwein vor einiger Zeit 1000 Becquerel pro Kilogramm gemessen worden, berichtet Kranz. Grund genug für Professor Raiber, die Region genau- er untersuchen zu lassen. Voraussetzung bei den Bodenproben war, dass es sich um Orte handelt, die seit dem Atom-Unglück im Jahr 1986 möglichst nicht umgegraben wurden, am besten Senken, in die damals Regenwasser hineingeflossen ist. Die Studenten entnahmen je ein Kilogramm Erde in Tiefen zwischen 15 und 25 Zentimetern. Untersucht wurden die Proben mit einem Gamma-Spektrometer. Die Werte fielen dabei höchst unterschiedlich aus: Mal wurden 30, mal an die 130 Becquerel pro Kilogramm in der Erde aus dem Raum Babenhausen gemessen. Im Schnitt kamen 60 Becquerel heraus.
Das sei im Vergleich höher als im Umland, berichten die Studenten. Grund sei, dass es in und um Babenhausen wenige Tage nach dem Super-GAU mehr Niederschläge gegeben habe, sagt Kranz. Auch andere Werte wurden gemessen: Uran 235, Radium 226, Bismuth 211, Plumbum 212 und 214 sowie Kalium 40. „Für uns war aber Caesium interessant, denn das stammt von Tschernobyl“, erklärt Kranz.
Für ihn und Kienle, beide im siebten Semester, bedeutete das viel Arbeit. „So 100 Stunden muss man rechnen“, sagt Kranz. Er und Studienkollege Kienle hätten etwas zu der großen Datensammlung von Professor Raiber beitragen wollen. Bis diese veröffentlicht werde, dauere es aber noch Jahre. Auch das Thema an sich hat die beiden fasziniert. „Die Ukraine ist relativ weit weg. Dass man hier etwas feststellen kann, ist schon beeindruckend“, sagt Kienle.