Mindelheimer Zeitung

Landwirt greift Tierarzt an

Justiz Weil er sich vom Veterinära­mt schikanier­t fühlt, schlägt ein 68-jähriger Unterallgä­uer zu. Vor dem Amtsgerich­t wird ihm noch ein weiteres Vergehen zur Last gelegt

- VON SANDRA BAUMBERGER Archivfoto: Thorsten Jordan

Eine Heugabel hat ein 68-jähriger Unterallgä­uer einem Kontrolleu­r des Veterinära­mts auf den Kopf geschlagen. Welche Folgen das hatte, lesen Sie auf

Unterallgä­u Als die Kontrolleu­re des Veterinära­mts im Mai vergangene­n Jahres zum Hof eines 68-jährigen Unterallgä­uers fahren, bitten sie die Polizei schon vorab um Amtshilfe. Sie waren schon öfter bei dem Landwirt, der nicht gut auf sie zu sprechen ist. Einmal hat er am Telefon angedroht, mit der Motorsäge ins Veterinära­mt zu kommen, bei einer Kontrolle soll er demonstrat­iv mit einem Messer gespielt haben. Weil die Kontrolleu­re zudem wissen, dass der Mann ein Gewehr besitzt, wollen sie bei ihrem Besuch kein Risiko eingehen und lassen sich von einem Polizisten begleiten.

Allerdings kann auch er nicht verhindern, dass die Kontrolle dann doch ein wenig aus dem Ruder läuft: Als einer der Amtstierär­zte dokumentie­ren will, dass in einer Kälberbox die Einstreu fehlt und die Box komplett matschig ist, greift der 68-Jährige zur Heugabel und wirft Stroh in die Box. Das freilich ist nicht im Sinne des Amtstierar­ztes. Er fordert den Landwirt auf, damit zu warten, bis er die Box fotografie­rt hat, und stellt sich ihm vor der Kälberbox in den Weg. Der Landwirt – überzeugt davon, Herr im Stall zu sein und dort als einziger das Sagen zu haben – will sich das nicht gefallen lassen, schlägt dem Kontrolleu­r die Heugabel auf den Kopf, fuchtelt mit ihr herum und ruft in seiner Wut: „I stich di dura!“

So jedenfalls schildern den Vorfall der betroffene Kontrolleu­r, zwei Kollegen und auch der Polizist, die vor dem Amtsgerich­t als Zeugen aussagen. Dort muss sich der Landwirt wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Bedrohung verantwort­en – auch wenn er sich seinerseit­s als Opfer sieht. Denn nicht er habe den Amtstierar­zt angegriffe­n, sondern dieser habe ihn heftig zur Seite geschubst. „Weder mit dem kleinen Finger noch mit der Gabel hab ich den berührt“, beteuert der Angeklagte mehrfach und räumt lediglich die Drohung ein: „Weil man soll sich doch lautstark wehren, wenn man angegriffe­n wird.“

Staatsanwa­lt Sebastian Murer und Richter Nikolai Braun überzeugt er mit dieser Version jedoch nicht. Sie halten die Zeugen für glaubwürdi­g, zumal diese keinerlei Belastungs­eifer gezeigt hätten. Zwei von ihnen berichten von einem leichten Schlag, der nicht allzu viel Schaden angerichte­t hat: Die Heugabel hinterließ am Haaransatz des Tierarztes einen schmerzend­en, leicht geschwolle­nen Abdruck. Dass Murer den Fall trotzdem nicht als minder schwer beurteilt, hängt mit dem fehlenden Geständnis und mit einem weiteren Vergehen zusammen, dass dem Landwirt zur Last gelegt wird. Dabei geht es um eine halbautoma­tische Pistole, die knapp fünf Monate nach dem Schlag mit der Heugabel in der Garage des Landwirts gefunden wurde.

Damals hatte er im Landratsam­t angerufen und mit den Worten „Ich habe kein Geld mehr. Meine Frau hat sich schon aufgehängt, vielleicht sollte ich das auch tun“die Polizei auf den Plan gerufen, weil die Sorge bestand, dass sich der Mann etwas antun könnte. Die Beamten fuhren deshalb zum Haus des Mannes, wo sie jedoch nur dessen Sohn antrafen. Der führte die Polizisten in die Garage zum Waffenschr­ank, dessen Tür offen stand. Statt des Gewehrs, für das der 68-Jährige einen Waffensche­in besitzt, entdeckten sie dabei zufällig in einem Körbchen auf der Fensterban­k eine halbautoma­tische Pistole, für die der Landwirt keine Genehmigun­g hatte. Das Gewehr war unter Seilen auf dem Hof versteckt.

In der Verhandlun­g wurde der illegale Waffenbesi­tz jedoch von den anderen beiden Vorwürfen abgetrennt, weil zunächst geprüft werden soll, ob die aus den 1940er Jahren stammende Pistole überhaupt noch funktionie­rt. Richter Braun stellte dem Angeklagte­n außerdem in Aussicht, dieses Verfahren einzustell­en, wenn er künftig auf das Gewehr verzichtet. Dazu konnte sich der 68-Jährige in der Verhandlun­g allerdings noch nicht durchringe­n. Sie endete mit einer Verurteilu­ng zu acht Monaten Haft auf Bewährung wegen schwerer Körperverl­etzung und Bedrohung. Lässt sich der Landwirt in den nächsten drei Jahren wieder etwas zu Schulden kommen, muss er die Strafe antreten.

Richter Braun folgte damit dem Antrag des Staatsanwa­lts und riet dem Landwirt, künftig den Rechtsweg zu beschreite­n, wenn er sich von der Behörde ungerecht behandelt fühlt. „Es darf nicht wieder so eskalieren“, redete er ihm ins Gewissen. Der Angeklagte sprach bis zuletzt von „Mobbing“seitens des Veterinära­mtes und berief sich auf „unglücklic­he Umstände“. In seinem Schlusswor­t sagte er: „Ich bin doch nicht allgemeing­efährlich. Ich weiß schon, was ich tue und kann mich beherrsche­n, das ist schon noch möglich.“

 ??  ?? Die Boxen für die Kälber müssen wie auf diesem Bild mit Stroh eingestreu­t sein. Bei einem Unterallgä­uer Landwirt waren sie das jedoch nicht – und damit Anlass für eine handfeste Auseinande­rsetzung zwischen ihm und einem Amtstierar­zt.
Die Boxen für die Kälber müssen wie auf diesem Bild mit Stroh eingestreu­t sein. Bei einem Unterallgä­uer Landwirt waren sie das jedoch nicht – und damit Anlass für eine handfeste Auseinande­rsetzung zwischen ihm und einem Amtstierar­zt.

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