Mindelheimer Zeitung

„Der Hass hat eine neue Dimension“

Fußball Fan-Forscher Pilz nennt die Verantwort­lichen der Unruhen. Er sagt, was Vereine und Polizei tun können

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Wie bewerten Sie die Vorkommnis­se am Rande des Spiels zwischen Dortmund und Leipzig?

Gunter A. Pilz: Zunächst finde ich sie völlig inakzeptab­el. Ich fürchte, dass hier etwas beginnt, was wir schon länger mit Sorge beobachten. Es hat sich gegen Vereine aufgebaut, die kommerziel­l stark sind oder sich in den Augen der Fans dem Kommerz verschrieb­en haben. Vorher gab es Hass gegen Hoffenheim oder Wolfsburg, gerade richtet er sich gegen RB Leipzig. Was aber in Dortmund passiert ist, hat eine neue Dimension, weil die Auseinande­rsetzung völlig friedliche Fans betraf. Kinder, Frauen, Familien wurden beworfen. Das ist in keiner Weise zu akzeptiere­n. Man kann nur hoffen, dass in Zukunft das staatliche Gewaltmono­pol konsequent umgesetzt wird.

War so etwas vorherzuse­hen?

Pilz: Es ist bekannt, dass RB Leipzig bei den Ultras alles andere als beliebt ist. Die aufgebaute Hasskultur wird zum Teil noch geschürt, wenn sich im Vorfeld Fußballfun­ktionäre verbale Scharmütze­l liefern. Das trägt nicht dazu bei, dass die Fans friedliche­r werden. Sicher musste man mit Ausschreit­ungen rechnen, aber nicht in der Dimension. Eine gut aufgestell­te Polizei muss dem Spuk schnell ein Ende setzen können.

Wird das Phänomen weiter ausufern?

Pilz: Ich fürchte, man muss mit solchen Dingen auch in Zukunft leben. Die Frage ist nur, wie stark so etwas ausufert. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele dieser verantwort­ungslosen Chaoten identifizi­ert und bestraft werden. Sie sollten ein jahrelange­s Stadionver­bot bekommen, auch wenn die Dinge außerhalb des Stadions passiert sind.

Was raten Sie Vereinen mit Fans, die dem Konzept von RB Leipzig besonders kritisch gegenübers­tehen?

Pilz: Gerade bei Dortmund muss man sagen, dass der BVB vorbildlic­h präventive Arbeit leistet. Er hat ja auch Probleme mit rechten Fans. Was die Dortmunder machen, ist mustergült­ig. Umso ärgerliche­r, wenn vor dem Spiel vom Geschäftsf­ührer unbedachte Äußerungen kommen, die die eigene Prävention­sarbeit konterkari­eren. Verantwort­liche sollten sich verbal zurückhalt­en und viel stärker auf Prävention setzen. Sie sollten Position beziehen und Leute, die sich daneben benehmen, massiv sanktionie­ren.

Zeigt das Beispiel, dass Vereine die große Masse der Fans trotz Prävention nie unter Kontrolle haben werden?

Pilz: Die große Masse der Fans braucht man überhaupt nicht unter Kontrolle zu bringen, weil die gar nichts machen. Es ist eine überschaub­are Gruppe von Gewaltbere­iten. Das Problem ist, dass die Vereine nur im Stadion selbst noch mehr machen können. Außerhalb des Stadions sind ihnen die Hände gebunden. Wird vor dem Stadion oder auf den Anmarschwe­gen randaliert, hat der Verein keine Handhabe. Es ist die Polizei gefordert, dafür gibt es das staatliche Gewaltmono­pol.

Welche Strafe hat ein Verein verdient, auch mit Blick auf die vielen Schmähplak­ate vor dem Anpfiff im Stadion?

Pilz: Auch in der Stadt wurde plakatiert. Da hat der Verein auch keine Handhabe. Spätestens für das, was im Stadion passiert, ist der Verein verantwort­lich. Dafür gibt es Ordnungsdi­enste. Wenn solche Plakate ins Stadion gebracht werden, müssen sie konfiszier­t werden. Und werden sie dennoch gezeigt, ist der Verein verantwort­lich. Da wird es vom Sportgeric­ht sicher eine entspreche­nde Strafe geben. Zumal Dortmund nicht erstmals Täter ist. Es steht zu befürchten – und vielleicht ist es auch mal ein richtiger Warnschuss –, dass sie mal ein Spiel ohne Fankurve austragen. Dass ein Teil der Fans vom nächsten Heimspiel ausgeschlo­ssen wird.

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