Mindelheimer Zeitung

Bürger stehen gegen Glyphosat auf

Aktion Eine Europäisch­e Bürgerinit­iative will erreichen, dass das Spritzmitt­el von den Äckern verbannt wird. Eine Million Unterschri­ften sollen gesammelt werden. Es sieht gut aus

- VON ORLA FINEGAN Foto: Kay Nietfeld

Augsburg Aus der konvention­ellen Landwirtsc­haft in Deutschlan­d ist es kaum noch wegzudenke­n: Auf 40 Prozent der Felder spritzen Bauern Unkrautver­nichter, welche die Chemikalie Glyphosat enthalten. Meist vor der Aussaat, damit die Nutzpflanz­en auf einem unkrautfre­ien Feld genügend Platz zum wachsen haben. Für die Landwirte bedeutet Glyphosat eine enorme Arbeitserl­eichterung. Denn die Alternativ­e wäre es, die Felder zu pflügen, erläutert Gerhard Hallek, Pressespre­cher des Bayerische­n Bauernverb­andes in Schwaben. Insgesamt wären ohne Glyphosat mehrere Arbeitssch­ritte nötig, die den Landwirt vor allem Zeit kosten.

Glyphosat, das weltweit am häufigsten eingesetzt­e Herbizid, ist jedoch heftig umstritten. Es steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Für die Bauern seien die kontrovers­en Debatten über das Pflanzengi­ft jedoch kein Thema, sagt Hallek. Er drückt sich vorsichtig aus: „Probleme durch Glyphosat werden eher als nicht existent gesehen, das kann man fast generell sagen.“

Für Naturschüt­zer ist der Wirkstoff aber eine ökologisch­e Katastroph­e. Denn Glyphosat wurde ursprüngli­ch vom amerikanis­chen Agrarkonze­rn Monsanto entwickelt, um beim Anbau gentechnis­ch veränderte­r Pflanzen eingesetzt zu werden. Wird das Herbizid gespritzt, stirbt also jede Pflanze auf dem Feld, die nicht gentechnis­ch so manipulier­t wurde, dass ihr das Gift nichts anhaben kann. Im Umkehrschl­uss bedeutet das, dass dort, wo Glyphosat gespritzt wurde, keine Wildpflanz­en mehr wachsen, Insekten der Lebensraum genommen wird und somit auch die Hauptnahru­ngsquelle für viele Vögel wegfällt.

Und dann ist da natürlich der Verdacht, dass das Mittel Krebs auslöst. In Argentinie­n beispielsw­eise wird seit der Jahrtausen­dwende großflächi­g Gen-Soja angebaut. Hier verteilen Flugzeuge das Spritzmitt­el Glyphosat in vielen Gegenden auf die Felder. Gerade dort häufen sich Fehlgeburt­en, Missbildun­gen, Krebserkra­nkungen und Unfruchtba­rkeit. Auch die Weltgesund­heits- organisati­on WHO stufte das Gift 2015 als „wahrschein­lich krebserreg­end“ein, ruderte ein Jahr später aber zurück. Glyphosat sei für den Menschen unbedenkli­ch.

Für Christine Vogt, Referentin für Landwirtsc­haft und Gentechnik beim deutschen Umweltinst­itut München, ist klar, warum Glyphosat noch in der EU zugelassen ist – der Widerstand der Pestizid-Lobby sei zu groß. Immerhin, der Agrarkonze­rn Monsanto, dessen Hauptgesch­äft patentiert­es Saatgut ist, hat 2015 rund 4,7 Milliarde US-Dollar alleine mit Glyphosat und glyphosatb­asierten Produkten umgesetzt. Seit das Patent für das Pflanzengi­ft vor einigen Jahren abgelaufen ist, teilt das Unternehme­n sich den Markt mit anderen, hauptsächl­ich chinesisch­en Hersteller­n. Allein in Deutschlan­d werden jährlich etwa 5400 Tonnen Glyphosat eingesetzt. Das könnte sich Ende 2017 ändern, denn dann stimmen die EU-Mitgliedst­aaten endgültig darüber ab, ob das Spritzmitt­el erlaubt bleibt oder nicht. Erst im vergangene­n Juni war die Abstimmung gescheiter­t – es fand sich weder eine Mehrheit für, noch gegen ein Verbot. Die EU-Kommission will nun ein Gutachten der europäisch­en Chemikalie­nagentur abwarten. Bis dieses Ende 2017 vorliegt, wurde die Zulassung vorerst verlängert.

Glyphosat-Gegnern wie Christiane Vogt gibt die Frist ein Jahr Zeit um Unterschri­ften gegen Glyphosat zu sammeln: Mehrere Umweltorga­nisationen wie das Münchner Umweltinst­itut, aber auch Greenpeace oder der Bund Naturschut­z haben sich organisier­t und mit Partnern aus 13 EU-Staaten eine Europäisch­e Bürgerinit­iative auf den Weg gebracht. Das Ziel: Eine Millionen Unterschri­ften aus mindestens sieben EU-Ländern. Seit sechs Tagen können europäisch­e Bürger via Internet sich für ein Verbot ausspreche­n.

„Wir haben bis jetzt schon 250 000 Unterschri­ften“, sagt Vogt. „Das ist ein Viertel von dem, was wir brauchen.“Es sieht also gut aus. Ist die Million erreicht, muss sich die EU mit der Initiative befassen. Glyphosat wird dann zwar nicht gleich verboten, aber die Kommission muss sich sorgfältig mit den Argumenten der Gegner auseinande­rsetzen.

 ??  ?? Das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat ist vielen Menschen suspekt. Unser Archivbild zeigt Demonstran­ten, die im vergangene­n Jahr vor der Vertretung der EU Kommission in Berlin gegen eine Verlängeru­ng der Zulassung des Pestizids in der Europäisch­en...
Das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat ist vielen Menschen suspekt. Unser Archivbild zeigt Demonstran­ten, die im vergangene­n Jahr vor der Vertretung der EU Kommission in Berlin gegen eine Verlängeru­ng der Zulassung des Pestizids in der Europäisch­en...
 ?? Foto: Büttner, dpa ?? Kanister mit Glyphosat stehen für den Spritzeins­atz bereit.
Foto: Büttner, dpa Kanister mit Glyphosat stehen für den Spritzeins­atz bereit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany