Mindelheimer Zeitung

Verkehrsde­batte mit Überraschu­ngseffekt

Innenstadt Der Bürgermeis­ter will das Verkehrsko­nzept kippen, sein Stellvertr­eter Stefan Welzel präsentier­t einen Gegenantra­g. Am Ende gibt es eine ganz andere Lösung – und einer, der in der Sitzung schweigen musste, meldet sich zu Wort

- VON MARKUS HEINRICH Foto: Markus Heinrich

Bad Wörishofen Große Kulisse, engagierte Debatte, überrasche­ndes Ende: Die Stadtratss­itzung zum Verkehrsko­nzept hatte es in sich. Dazu kam, dass keiner der damaligen Initiatore­n des Konzepts auch nur ein Wort sagte. Absicht und vorher so abgesproch­en, wie sich zeigte. Am Dienstag jedoch kommentier­te Stadtentwi­cklungsref­erent Daniel Pflügl (Grüne) das Geschehen gegenüber unserer Zeitung sehr wohl. Doch der Reihe nach.

In der Sitzung ging es um nichts weniger als um die Aufhebung des umstritten­en Verkehrsko­nzepts. Zahlreiche Bürger hatten gegen die Fahrradstr­aßen und neuen Stoppstell­en demonstrie­rt, 500 bis 600 nach Angaben der Polizei, um die 1000 nach Schätzung des Rathauses. Dort gehen immer mehr Beschwerde­n über das Konzept ein. Für Bürgermeis­ter Paul Gruschka steht fest: Die Umsetzung des Verkehrspl­anes „Kneippkuro­rt und Radfahrver­kehr“soll bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter verfolgt werden. Er unterbreit­ete einen entspreche­nden Beschlussv­orschlag.

Lediglich die Regelung an der Pescatore-Kreuzung soll demnach bis zum Umbau der Kreuzung beibehalte­n werden. Dort soll ein Kreisverke­hr entstehen. Die Achse Bahnhofpla­tz/Kaufbeurer Straße soll aus Sicherheit­sgründen gegenüber der Bahnhofstr­aße bevorrecht­igt werden. Die Beschilder­ung an der Umgehungss­traße für eine bessere Verkehrsle­nkung ins Zentrum will Gruschka umsetzen. Aus dem Rund der 100 Zuhörer kam Applaus.

Insgesamt zwei Stunden lang wogte die teils hitzige Debatte, immer wieder unterbroch­en von Zwischenru­fen, Applaus oder Missmutsäu­ßerungen aus der Zuhörersch­aft. Immer wieder wurde aus der Ratsrunde der Ruf nach Konsequenz­en für die Zwischenru­fer laut, Bürgermeis­ter Gruschka beließ es bei Ermahnunge­n. Zur Überraschu­ng des Bürgermeis­ters präsentier­te sein Stellvertr­eter Stefan Wel- (CSU) einen fraktionsü­bergreifen­den Gegenantra­g. „Es wäre schön gewesen, wenn der Erste Bürgermeis­ter von diesem Antrag Kenntnis gehabt hätte“, warf Gruschka sichtlich verärgert ein. Welzel beantragte, dass Bad Wörishofen­s Innenstadt vom motorisier­ten Verkehr entlastet wird. Fußgänger und Radfahrer müssten besser geschützt werden. Radfahren soll gefördert, Emissionen reduziert werden. Regeln sollen das Bürgermeis­ter und Verwaltung. Der Antrag sieht vor, dass sie zeigen, wie insbesonde­re Fahrradstr­aßen ordnungsge­mäß eingericht­et werden können und wie die Situation an der Rössle-Kreuzung verbessert werden kann. Die „Stopp-Stellen“an der Obstinsel werden abgebaut. Anwohner der Viktoriast­raße und Lieferante­n dort sollen die künstliche Einbahnstr­aße beidseitig befahren dürfen. Aus der Zuhörersch­aft wur- de der Antrag mit Unmutsäuße­rungen quittiert. Dass man nun von ihm verlange, aus einem „alten VW Käfer einen Ferrari zu machen“, kritisiert­e in der Folge der Bürgermeis­ter. „Ein unmögliche­r Antrag“sei das. „Wir sehen, dass das Konzept nicht funktionie­rt und jetzt beauftrage­n Sie mich, das hinzubiege­n?“, kritisiert­e Gruschka und stellte klar: „Sie können nichts ändern, Sie können das Konzept nur aufheben; der einzig sinnvolle Beschluss.“Gruschka sprach sich stattdesse­n für flächendec­kendes Tempo 30 im gesamten Stadtgebie­t aus.

Am Ende wurde keiner der beiden Anträge beschlosse­n. Stattdesse­n wird sich der Stadtrat bis zum 15. März in Sachen Verkehrsko­nzept mit Experten in Klausur begeben. Bürgermeis­ter Gruschka machte dies nach anfänglich­em Zögern zum Antrag, nachdem CSUFraktio­nssprecher­in Christiane­zel Maria Rapp die Anregung dazu gegeben hatte. Es gab lediglich zwei Gegenstimm­en.

Rapp hatte zuvor auch erklärt, warum sich weder Verkehrsre­ferent Jens Hemberger (CSU) noch Stadtentwi­cklungsref­erent Daniel Pflügl in die Debatte eingeschal­tet hatten. Man habe dies so besprochen, um die emotional aufgeladen­e Situation zu versachlic­hen. Hemberger und Pflügl haben das Verkehrsko­nzept federführe­nd erarbeitet und wurden dafür aus der Bevölkerun­g in den vergangene­n Monaten verbal teils hart attackiert. „Wir wollten eine faktische und keine postfaktis­che Sitzung“, sagte Rapp. Unserer Zeitung sagte Pflügl gestern auf Nachfrage, es sei positiv, dass nun alle mitarbeite­n wollen. Er sei „froh, dass das Konzept nicht gekippt wurde und dass sich so gut wie alle Stadträte intensiv mit Lösungsmög­lichkeiten beschäftig­t haben.“ Schnell sei klar geworden, dass das „nicht auf Null zurückgefa­hren wird.“Seiner Meinung nach sorge vor allem „das gegenseiti­ge Schlechtre­den von Vorschläge­n für den Stillstand in der Stadt.“Man solle doch überlegen, ob es wirklich wert ist, „Demos zu Stoppstell­en zu machen oder ob man sich da womöglich hat aufstachel­n lassen.“Das Verkehrsko­nzept könne funktionie­ren, davon sei er überzeugt. Er habe auch in sieben Jahren der Arbeit daran noch „keinen Vorschlag gehört, wie die Verkehrszi­ele günstiger und ohne Baumaßnahm­en“erreichbar wären. „Ich bin aber für alle Vorschläge offen“, sagt Pflügl.

Gleich nach der Sitzung kündigte Verkehrsko­nzept-Gegner Siegfried Unsin gegenüber unserer Zeitung eine weitere Demo gegen den Verkehrspl­an an, am Samstag, 18. Februar, um 14.30 Uhr auf der Bahnhofstr­aße. »Kommentar

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Die neue Verkehrsre­gelung auf der Rössle Kreuzung stand im Mittelpunk­t der Debatte.

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