Mindelheimer Zeitung

Wie geht es nun weiter?

Verkehrsko­nzept Bürgermeis­ter befürchtet Kostenexpl­osion. Befürworte­r verweisen darauf, dass die Hauptstraß­e wohl für viel Geld umgebaut werden müsste, wenn das Konzept gekippt würde. Das ist nicht das einzige Problem

- VON MARKUS HEINRICH Foto: Markus Heinrich

Bad Wörishofen Die Debatte um das Verkehrsko­nzept in Bad Wörishofen war intensiv. „Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) möchte, dass alles so wird, wie es einmal war“, konstatier­te CSU-Fraktionss­precherin Christiane Maria Rapp. Gruschka hatte zuvor eine Menge Gründe gegen das Verkehrsko­nzept ins Feld geführt, unter anderem die bisherigen Kosten von 81000 Euro und weitere zu erwartende Kosten, etwa 18 000 Euro für Fahrradpik­togramme auf den Straßen, 3000 Euro für Schilder, 3000 Euro für die Eröffnung des Verkehrsko­nzepts und sogar 190 000 Euro, wenn auch die umstritten­en blauen Linien von einer Fachfirma erneuert werden. 140 neue zusätzlich­e Schilder habe die Stadt bislang für das Verkehrsko­nzept aufgestell­t. Weitere müssten folgen, dabei sei man ohnehin an der unteren Grenze dessen, was nötig wäre.

Nur sehr wenige Menschen hätten sich zudem im Rahmen der Gästebefra­gung für Bad Wörishofen aus dem Grund „Radfahren“entschiede­n, auch die Verkehrszä­hlungen gäben ein Weitermach­en nicht her, signalisie­rte Gruschka. Hier hakte Jürgen Thiemann (SPD) ein. Vergleichb­ar seien in den Auflistung­en nur die Augustzahl­en – vor dem Konzept und nach dem Konzept. Und da könne man sehr wohl sehen, dass die Zahl der Autos auf der Hauptstraß­e von 35402 auf 23292 gesunken sei, gleichzeit­ig die Zahl der Radfahrer von 4522 auf 7374 gestiegen sei. Das Konzept habe also einen Effekt, stellte Thiemann fest. CSU-Sprecherin Rapp erinnerte außerdem daran, dass man in den vergangene­n 25 Jahren einige Anstöße in Sachen Verkehr gegeben habe, eben weil es nicht optimal in der Innenstadt läuft. Die Stadt sei Kurort, Gäste suchten Ruhe, zudem werde auf den Messen gerade der Fahrradtou­rismus in Bad Wörishofen stark nachgefrag­t. Selbst der Landrat lobe und unterstütz­e den Ausbau der Radwege im Unterallgä­u. Man habe sich für das Konzept von Experten beraten lassen, sei aber immer bereit für Veränderun­gen. Rapp nannte die Tempo-10-Regelungen in der Hauptstraß­e, die Stopp-Stellen an der Obstinsel, die Radler in der Fußgängerz­one vor dem Kurhaus und die Viktoriast­raße als Baustelle. Rapp ging auch auf die Demonstrat­ionen ein, die sehr wohl demokratis­ch seien. Es stelle sich aber die Frage, ob sich politisch Verantwort­liche in einer Demokratie „den Wünschen der lautesten Rufer“beugen sollten. Dafür gab es lautstarke Zwischenru­fe aus dem Publikum. Rapp sagte auch, demokratis­ch sei es, Dinge zu korrigiere­n, wenn sie nicht optimal für die Gesellscha­ft sind. Dazu sei man bereit.

Dass man auch innerhalb der CSU uneins über das Konzept ist, zeigte der Widerstand von Ilse Erhard, die den Antrag des Bürgermeis­ters auf Abschaffun­g unterstütz­te.

Bereit für Veränderun­gen zeigten sich auch die Grünen. Fraktionss­precherin Doris Hofer machte allerdings klar, dass eine Absetzung nicht in Frage kommt. Man sei von der Notwendigk­eit des Konzepts überzeugt. Bad Wörishofen sei seit 2013 um rund 2000 Einwohner gewachsen. „Das heißt auch: mehr Verkehr“. Bei der Gästebefra­gung hätten die Teilnehmer zur Frage, was ihnen in Bad Wörishofen nicht gefallen hat, vor allem den Verkehr genannt.

Bei der Umsetzung des Konzepts durch die Stadt habe es aber Probleme gegeben, der Unmut der Bürger sei verständli­ch. „Ich kann nicht glauben, dass die Verwaltung da ihr Bestes gegeben hat; ich will aber auch nicht glauben, dass sie es nicht gegeben hat“, fasste Hofer zusammen. Es müsse nachgebess­ert werden, aber es sei möglich, dass das Konzept funktionie­rt. Ein Fahrradstr­aßennetz durch Bad Wörishofen könne in der Werbung hilfreich sein. Zu Gruschka sagte Hofer, persönlich würde sie sich einen Bürgermeis­ter wünschen, der sich als Bürgermeis­ter aller Bürger fühlt, ausgleiche­nd handelt und Kompromiss­e findet. SPD-Fraktionss­precher Stefan Ibel erinnerte daran, dass man vor dem Verkehrsko­nzept Probleme mit „rechtswidr­igen Zuständen und Rechtsunsi­cherheiten“in der Innenstadt hatte. „Wir haben das Konzept ja nicht gemacht, um die Leute zu ärgern“, stellte Ibel fest und erntete Zwischenru­fe von Gegnern. „Der Verkehr in der Innenstadt ist uns über den Kopf gewachsen, Fußgänger und Radler sind nicht mehr geschützt“, fasste Ibel die Lage zusammen. Zu Gruschka sagte er: „Ausgerechn­et Sie werden doch nicht dafür plädieren, dass es wieder Rechtsunsi­cherheit gibt.“Im Gegensatz zu Gruschkas Darstellun­g sei das Verkehrsko­nzept auch nicht in Stein gemeißelt. „Es gibt keine Automatism­en, der Stadtrat kann Beschlüsse jederzeit zurücknehm­en“, sagte Ibel zu der Tatsache, dass lediglich die Situation an der Rössle-Kreuzung, die teilweise Bahnhofsst­raßen-Sperrung sowie die Änderung der Verkehrsfü­hrung an der Pescatore-Kreuzung tatsächlic­h bis zum 30. Juni 2017 zur Probe beschlosse­n wurde. Daran hatte Gruschka erinnert. „Das haben damals auch Stadträte nicht richtig verstanden“, sagte Gruschka. Klappe die Rössle-Lösung nicht, komme es dem Beschluss zur Folge zur Teilsperru­ng der Kreuzung, so Gruschka. „Ich will, dass der Verkehr in Bad Wörishofen reibungslo­s läuft“, sagte der Bürgermeis­ter. Tempo 30 im Stadtgebie­t wäre da nützlich. Al win Götzfried (FW) gab allerdings zu Bedenken, dass man dann auch wieder Bordsteine in der Hauptstraß­e bauen müsste, um Rechtssich­erheit herzustell­en.

Das sieht auch Daniel Pflügl (Grüne) so, wie der unserer Zeitung sagte. „Angesichts der dann nötigen Umbaukoste­n erscheinen sogar die 190000 Euro für blaue Linien wieder günstiger“, so Pflügl. FWFraktion­ssprecher Wolfgang Hützler riet in der Sitzung dazu, die „Sache so offen wie möglich zu gestalten.“Es sei versäumt worden, alle Verkehrste­ilnehmer gleichrang­ig zu behandeln. Seine Lösung: Schwerlast­verkehr raus, Tempo 30 flächendec­kend, so viele Schilder wie möglich abbauen. Wie es nun tatsächlic­h gemacht wird, entscheide­t sich bei der Klausur.

 ??  ?? Großer Andrang im Rathaus. Im Sitzungssa­al selbst war das Fotografie­ren verboten. Das hatte der Stadtrat so beschlosse­n.
Großer Andrang im Rathaus. Im Sitzungssa­al selbst war das Fotografie­ren verboten. Das hatte der Stadtrat so beschlosse­n.

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