Mindelheimer Zeitung

Vielfältig­e Hilfe

Hilfe Einst Verband für Kriegsopfe­r, heute Sozialverb­and für alle: Der VdK hat sich gewandelt. Die Mitglieder­zahlen steigen – auch, weil er Hilfe in fast allen Lebenslage­n bietet

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Die Angebote des Sozialverb­andes VdK haben sich in den 70 Jahren seines Bestehens sehr gewandelt. Wie der Verband im Unterallgä­u hilft, lesen Sie auf

Der VdK feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Sie selbst kommen aus Pfaffenhau­sen, engagieren sich hier im Unterallgä­u für den VdK, sind aber auch seit einigen Jahren stellvertr­etender VdK-Landesgesc­häftsführe­r in Bayern. Welche Rolle spielt der Sozialverb­and Ihrer Meinung nach in der heutigen Gesellscha­ft?

Herbert Lochbrunne­r: Der VdK versteht sich als größte Bürgerbewe­gung Deutschlan­ds – oder wie Horst Seehofer in seiner Laudatio beim Festakt sagte: als „Schutzmach­t der kleinen Leute“. Unsere Stärke liegt darin, unabhängig zu sein. Wir setzen uns für den Erhalt des Sozialstaa­ts ein, der unserer Meinung nach der Garant für inneren Frieden und Sicherheit ist.

War das schon immer das Ziel des VdK, dessen Abkürzung ja eigentlich für „Verband der Kriegsbesc­hädigten, Kriegshint­erbliebene­n und Sozialrent­ner Deutschlan­ds“steht?

Lochbrunne­r: Ursprüngli­ch ging es darum, die Not nach dem Zweiten Weltkrieg zu lindern und die vielen Kriegsopfe­r zu versorgen, also die Verwundete­n, Witwen und Waisen. Der VdK war eine Selbsthilf­eorganisat­ion, um Ansprüche dieser Menschen gegenüber dem Staat durchzuset­zen.

Und heute?

Lochbrunne­r: Wir sind schon längst ein moderner und schlagkräf­tiger Sozialverb­and. Als in den 80er Jahren die Mitglieder­zahlen immer stärker schrumpfte­n, haben wir uns geöffnet für andere Mitglieder. Wir haben seit einiger Zeit einen Mitglieder­zuwachs zu verzeichne­n – das geht natürlich auch mit höher werdenden Fallzahlen einher. Im Landkreis Unterallgä­u gibt es momentan 7628 VdK-Mitglieder, in Schwaben mehr als 70000, in Bayern rund 660000 und bundesweit sind es etwa 1,8 Millionen.

Wer kann bei Ihnen Mitglied werden?

Lochbrunne­r: Jeder. Wir vertreten die Rechte der Sozialvers­icherten und eines jeden Einzelnen – beispielsw­eise wenn es um Rente, Schwerbehi­nderung-, Kranken-, Pflege- oder Unfallvers­icherung geht oder um Arbeitslos­engeld.

Muss man bereits im Vorfeld Mitglied gewesen sein, um Ihre Hilfe in Anspruch nehmen zu können?

Lochbrunne­r: Nein, das ist anders als bei vielen Versicheru­ngen. Auch wer aktuell ein Problem hat, kann beitreten und ihm oder ihr wird geholfen. Unser Wunsch ist, dass die Leute auch später dabei bleiben. Der Beitrag beträgt sechs Euro im Monat – egal, wie viel man verdient. Es gilt das Prinzip: Einer für alle, alle für einen.

Wo brauchen die Menschen Hilfe?

Lochbrunne­r: Im Pflegevers­icherungsb­ereich sind die Fallzahlen gestiegen – hier haben wir eine Erfolgsquo­te von 40 Prozent bei den Klagen. Um den Grad einer Behinderun­g oder Streitigke­iten mit der Krankenver­sicherung geht es häufig, zum Beispiel bei Arbeitsunf­ähigkeit oder bei der Versorgung mit Hilfsmitte­ln. Die Krankenkas­sen versuchen zu sparen. Manche rufen die Versichert­en nur an und geben ihnen mündlich eine Absage. Allein der Brief an die Krankenkas­se, dass der VdK den Versichert­en nun vertritt, bewirkt da schon viel. Beratungst­hema Nummer eins ist aber die Rentenvers­icherung und dabei die Erwerbsmin­derungsren­te.

Wie können Sie in solchen Fällen helfen?

Lochbrunne­r: Wir bieten den Service, Rentenbesc­heide zu überprüfen. Oft bemerkt man nämlich erst beim Rentenantr­ag, dass etwas fehlt, schließlic­h werden die Erwerbsbio­grafien immer zerrupfter. Die sogenannte Armutsgefä­hrdungsquo­te ist auch in Bayern sehr hoch, vor allem bei alleinsteh­enden Frauen über 65 – sie ist hierzuland­e die höchste in ganz Deutschlan­d. Die durchschni­ttliche Rente einer Frau in Schwaben liegt bei 550 Euro. Im Unterallgä­u gibt es rund 770 Menschen, die zusätzlich zur Rente eine Grundsiche­rung bekommen. Das Problem bei vielen Menschen ist aber: Die Rente ist niedrig, liegt aber gerade noch über dem Grundsiche­rungsbetra­g von rund 750 Euro.

Was bedeutet das für den Einzelnen?

Lochbrunne­r: Mit zunehmende­m Alter steigen die Gesundheit­skosten. Da stellt sich ein Rentner am Monatsende die Frage: Kaufe ich mir was zu essen oder Medikament­e? Wir sagen immer: Armut macht krank und Krankheit macht arm. Es gibt viel verschämte Altersarmu­t, gerade auf dem Land.

Können Sie auch etwas zum Landkreis Unterallgä­u sagen?

Lochbrunne­r: Hier ist kein sozialer Brennpunkt, aber ein Querschnit­t aller Probleme.

Haben sich die Probleme der Menschen im Lauf der Zeit verändert?

Lochbrunne­r: Die Fallhöhen sind sehr hoch und werden immer extremer. Ein Unfall, eine Krankheit – und schon ist das Leben auf einmal auf den Kopf gestellt. Da verliert man als 50-Jähriger seinen Job, dann kommt eine Krankheit dazu. 15 Monate mit Arbeitslos­engeld I sind schnell vorbei, das Ersparte ist schnell aufgebrauc­ht.

In diesem Jahr wird der Bundestag neu gewählt. Inwieweit werden Sie konkret in den Wahlkampf eingreifen?

Lochbrunne­r: Wir geben keine Wahlempfeh­lung ab, aber haben für das Bundestags­wahljahr 2017 unsere Kampagne „Soziale Spaltung stoppen!“gestartet. Darin fordern wir konkrete Verbesseru­ngen in den Bereichen Rente, Gesundheit, Pflege, Armut und Behinderun­g – und geben aber auch eine Erklärung, wie diese Maßnahmen finanziert werden können, zum Beispiel über Steuererhö­hungen bei Spitzenver­dienern, für große Schenkunge­n und Erbschafte­n. Das Problem in der Politik ist, dass Arbeit immer mehr besteuert und Besitz immer mehr entsteuert wurde. Interview: Melanie Lippl

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Archivfoto: Wild Isolation, Krankheit und Armut machen auch im Unterallgä­u Senioren zu schaffen. In vielen Fällen kann der Sozialverb­and VdK Hilfe leisten.
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H. Lochbrunne­r

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