Mindelheimer Zeitung

Die Karrierepo­lizistin

Porträt Cressida Dick ist die erste Frau an der Spitze von Scotland Yard. Sie gilt als zäh, teamfähig und umsichtig. Nur ein Ereignis überschatt­et ihren Lebenslauf

- Kathrin Pribyl Foto: Getty Images

Als Cressida Dick vor drei Jahren Großbritan­niens größte Polizeibeh­örde verließ, hatte sie den Wunsch begraben, jemals an deren Spitze zu stehen. Nun hat sich ihre Hoffnung mit etwas Verspätung doch noch erfüllt. Die 56-jährige kehrt nach einem Intermezzo im Außenminis­terium als Chefin zur Londoner Metropolit­an Police zurück. Damit ist sie in der 188-jährigen Geschichte von Scotland Yard die erste Frau, die der legendären Behörde mit ihren rund 43000 Mitarbeite­rn vorsteht.

Bürgermeis­ter Sadiq Khan nannte die Entscheidu­ng historisch. Doch während Politiker und Kollegen ihre Erfahrung loben, ihre direkte Art und den kühlen Kopf, den sie sich selbst unter Druck bewahrt, überschatt­et ein Ereignis den sonst makellosen Lebenslauf der Karrierepo­lizistin. Zwei Wochen nach den Terroransc­hlägen 2005 in London, bei denen 52 Menschen getötet wurden, erschossen Spezialbea­mte unter Einsatzlei­tung von Cressida Dick einen unschuldig­en Brasiliane­r. Die Ermittler hatten ihn irrtümlich­erweise für einen der Täter gehalten.

Eine Untersuchu­ng ergab zwar, dass Dick keine persönlich­e Schuld treffe. Trotzdem verurteilt­e die Familie des Opfers ihre Ernennung nun scharf. Cress, so ihr Spitzname, ist als Tochter eines Akademiker-Ehepaars in Oxford aufgewachs­en und hat am dortigen College Land- und Forstwirts­chaft studiert. 1983 trat sie als Bobby, wie die britischen Polizisten mit den glockenför­migen Helmen genannt werden, in die Behörde ein und ging zunächst auf Streife in London. Ihr Talent fiel schnell auf und so wurde sie 1993 in ein Förderprog­ramm aufgenomme­n, was ihr bald ihre erste Führungsro­lle bescherte. Im Jahr 2001 legte sie eine Karriere-Pause ein, um sich in einem Master-Kurs für Kriminolog­ie in Cambridge weiterzubi­lden. Sie schloss als Beste ihres Jahrgangs ab und kehrte als Commander zur Polizei zurück. Unter Fachleuten gilt sie als eine der talentiert­esten Ermittleri­nnen ihrer Generation. Zudem als jemand, der sich nicht davor drückt, auch unbequeme Wahrheiten auszusprec­hen. So meinte sie einmal, dass es unwahrsche­inlich sei, dass die Polizei je frei von Rassismus sein würde. Damit reagierte sie auf die schlampige Aufklärung eines Mordes an einem schwarzen Teenager, dessen Fall sie neu aufrollen ließ.

Die Aktion brachte Dick viel Anerkennun­g ein. Zäh, fair, schnörkell­os, teamfähig und umsichtig: So wird die alleinsteh­ende, kinderlose Spitzenbea­mtin beschriebe­n – alles Eigenschaf­ten, die sie jetzt brauchen wird. Denn Scotland Yard ist nicht nur für die Sicherheit der gut acht Millionen Einwohner Londons verantwort­lich, sondern auch für den Anti-Terror-Kampf im gesamten Land – und das alles mit einem massiv gekürzten Budget. Die erste große Herausford­erung für die Neue zeichnet sich bereits ab. Dieses Jahr wird Donald Trump zum Staatsbesu­ch nach London kommen, Hunderttau­sende haben bereits angekündig­t, gegen ihn auf die Straße zu gehen. Die aufmerksam­en Blicke werden dann auch auf Cressida Dick gerichtet sein.

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