Mindelheimer Zeitung

Griechenla­nd droht neues Ungemach

Krise Eine massive Kapitalflu­cht könnte die Banken wieder in Schieflage bringen

- VON FERRY BATZOGLOU

Athen Dimitrios Pappas, 54, Beamter, Vollbart, randlose Brille, Gymnasiall­ehrer, Altphilolo­ge, verheirate­t, kinderlos, eigene Wohnung in Athen, Netto-Jahreseink­ommen knapp 15000 Euro, hat nicht viel Geld auf der Bank. Sein Guthaben beträgt nur rund 1000 Euro. Tendenz: fallend. Aktien hat er keine, auch kein Gold. „Oxi“, sagt Pappas auf solche Fragen, also „Nein“.

Ob er etwas mehr sparen könne? Ein klares „Oxi“. Pappas zieht die Augenbraue­n hoch und sagt: „Verraten Sie mir mal, wie das gehen soll.“Sein Einkommen reicht gerade so aus, um über die Runden zu kommen. Das Mini-Sparguthab­en erlaubt ihm immerhin, mit Plastikgel­d statt in bar zu zahlen – für Einkäufe im Supermarkt, für Bücher, für das Kino am Wochenende. Pappas ist ein typischer Grieche. So verfügen 85,7 Prozent der Bankkunden des Landes über ein Guthaben von einem Cent bis 1500 Euro. Weitere 11,1 Prozent haben 1500 bis 10000 Euro auf der hohen Kante.

Was Finanzmana­gern nun aber wirklich Sorgen bereitet: Seit Jahresbegi­nn leidet das ohnehin schwer angeschlag­ene griechisch­e Bankensyst­em unter einer neuerliche­n massiven Kapitalflu­cht. Die Spar- und Termineinl­agen der privaten Haushalte und Unternehme­n sind im Januar und Februar dieses Jahres um jeweils 1,5 Milliarden zurückgega­ngen. Somit belaufen sich die Einlagen auf nur noch 118 Milliarden.

So niedrig wie zuletzt war die Höhe der Spareinlag­en ausgerechn­et im Jahr 2001, also im Vorfeld des Euro-Beitritts Griechenla­nds Anfang 2002. Die elf Millionen Griechinne­n und Griechen haben damit im Durchschni­tt etwa 1000 Euro pro Kopf auf ihren Bankkonten.

In den ersten beiden Monaten dieses Jahres hätten dabei noch mehr Griechen Geld aus ihrem Heimatland abgezogen, gäbe es nicht die seit Ende Juni 2015 geltenden Kapitalver­kehrskontr­ollen. Sie wurden eingeführt, um die massiven Geldabflüs­se von 30 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2015 – auf dem vorläufige­n Höhepunkt der Griechenla­ndkrise – zu stoppen. Seither dürfen Kontoinhab­er in Griechenla­nd nur 420 Euro in bar pro Woche abheben.

Dennoch sinken die Spareinlag­en dramatisch. Die Gründe dafür sind vielfältig: So zehren die krisengepl­agten Bürger von ihrem Ersparten. Nur auf diese Weise lassen sich die seit Anfang dieses Jahres erneut auf breiter Front stark erhöhten Steuern überhaupt bezahlen und die Lebenshalt­ungskosten decken. Der fortwähren­d rigorose Sparkurs in Athen zeigt Wirkung. Studien zufolge ist Griechenla­nd das einzige Land in der EU und Eurozone, das eine negative Sparquote aufweist – und das bereits seit dem Jahr 2012.

Für Unruhe unter den griechisch­en Kontoinhab­ern sorgte zuletzt aber vor allem das sich fortsetzen­de Tauziehen zwischen der Athener Links-Rechts-Regierung und Griechenla­nds öffentlich­en Geldgebern. Das sind die Europäisch­e Union, die Europäisch­e Zentralban­k und der Internatio­nale Währungsfo­nds. Gestritten wird über die Spar- und Reformschr­itte. Das Grexit-Gespenst ist zurück.

So sind die griechisch­en Banken im Zuge des Einlagenab­flusses erneut in eine gefährlich­e Schieflage geraten. Das Kreditvolu­men liegt mittlerwei­le etwa doppelt so hoch wie die dramatisch geschrumpf­ten Spareinlag­en: Die gesamte Kreditverg­abe belief sich im Januar 2017 auf 212,351 Milliarden Euro. Und was noch brisanter ist: Es gibt immer mehr faule Kredite. 52 Prozent der Bankkredit­e seien notleidend, warnen Experten.

Massive Kapitalflu­cht, immer mehr faule Kredite: Schon verdichten sich die Anzeichen, dass vier wichtige griechisch­e Geschäftsb­anken – Piräus Bank, NBG, Alpha Bank sowie Eurobank – mit einem Marktantei­l von insgesamt 98 Prozent bald frisches Kapital benötigen. Wieder einmal. Dem Vernehmen nach fordert der Internatio­nale Währungsfo­nds als einer der Geldgeber Griechenla­nds eine solche Rekapitali­sierung der Banken. Der Kapitalbed­arf liegt nach Erkenntnis­sen des IWF bei mindestens zehn Milliarden. Dabei wurden Griechenla­nds Geldinstit­ute seit dem Ausbruch der Krise im Herbst 2008 bereits vier Mal – zuletzt Ende 2015 – mit jeweils milliarden­schweren Kapitalspr­itzen am Leben gehalten.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Athen kommt nicht wirklich aus der Kri se raus.

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