An den Haaren herbeigezogen
Steile Thesen Ich will nicht ausschließen, dass in dieser Medienkolumne schon die ein oder andere steile These zu lesen war. Aber was mancher Kollege in den vergangenen Wochen geschrieben hat, war steiler. So verglich Spiegel OnlineKolumnist Jan Fleischhauer Äpfel mit Birnen, beziehungsweise SPDKanzlerkandidat Martin Schulz mit US-Präsident Donald Trump.
Er schrieb: „Man muss genauer hinsehen, um die Parallelen zu entdecken. Da sind die Haare als Unterscheidungsmerkmal, um mit dem Offensichtlichsten zu beginnen. Trump trägt sie auf dem Kopf, Schulz im Gesicht.“Schön zu sehen auf dem Foto nebenan.
Dabei gelte, so Fleischhauer, dass Politik mit Bart in Deutschland nicht funktioniere. „Aber so etwas ignoriert Schulz einfach, so wie Trump alle Witze über seine Frisur ignoriert hat.“Dieser Vergleich ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen, meinen Sie nicht? Zugegebenermaßen ist er sehr unterhaltsam.
Nicht aus einer Kolumne, sondern aus einem Kommentar stammen weitere steile Thesen. Darunter die, dass deutsche Medienhäuser insbesondere Journalisten mit türkischen Wurzeln aus der Türkei berichten lassen. „Können ,Türken’ nur über die Türkei schreiben?“, fragte Michael Martens in der rhetorisch, schrieb von einer „Herkunftsgettoisierung im deutschen Journalismus“und schloss: „Die Verlage schulden den Lesern Journalisten, nicht Türken vom Dienst“.
Der Kommentar wurde in der Medienbranche heftig diskutiert, denn er erschien nur zwei Tage, nachdem bekannt geworden war, dass der deutsch-türkische WeltKorrespondent Deniz Yücel in der Türkei unter anderem wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Polizeigewahrsam genommen wurde. Der Kommentar wurde so verstanden (und konnte so verstanden werden), dass die Welt eine Mitschuld an Yücels Schicksal trägt.
Wer in der Google-Suche „Kolumne steile Thesen“eingibt, landet übrigens unter anderem beim Washington Post-Kolumnisten Dana Milbank. Der wurde über die USA hinaus bekannt, weil er im Oktober 2015 schrieb: „Ich bin so sicher, dass Trump nicht nominiert wird (als Präsidentschaftskandidat der Republikaner, die Red.), dass ich meine Wörter essen werde, falls er es doch wird.“Er werde also die Zeitungsseite essen, auf der seine Kolumne gedruckt ist.
Milbank, ein so unterhaltsamer wie kenntnisreicher Reporter und (Buch-)Autor, hielt Wort. Leser schickten ihm Rezepte, Milbank beriet sich mit einem Koch. Es gibt ein Video davon, wie er sich seine Kolumne schmecken lässt. Er trinkt dazu Trump-Wein. Das war im Mai 2016. Seitdem hat er weitere witzige, bissige, kluge Kolumnen über den US-Präsidenten geschrieben.
In einer ging es Mitte Februar darum, wie man mit Trump umgehen könne, „abgesehen davon, hochprozentigen Alkohol zu trinken“. Sein Rat: „Um gegen Trumps alternative Fakten anzukämpfen, abonnieren Sie Ihre Lokalzeitung.“Sogar den Kauf des Konkurrenzblattes New
York Times empfahl er.