Mindelheimer Zeitung

Die Vogelgripp­e Gefahr ist noch nicht vorbei

Epidemie Seit November gilt in Bayern die Stallpflic­ht für Geflügel. Aber immer wieder gibt es Landwirte, die die Vorschrift ignorieren. Wie groß das Infektions­risiko tatsächlic­h ist und warum die Frühlingss­onne jetzt helfen könnte

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Nur wenige Menschen dürften derzeit so empfinden wie Florian Paletta. Der ist nämlich froh, dass es draußen noch immer nasskalt und ungemütlic­h ist und sich der Frühling noch nicht so recht blicken lässt. Der Grund für Palettas derzeitige Vorliebe für kühle Temperatur­en ist die Stallpflic­ht für Geflügel, die in Bayern wegen der Vogelgripp­e seit mittlerwei­le einem Vierteljah­r gilt. „Bei dem Sauwetter bleiben die Hühner gerne drin. Wenn es warm ist, wollen sie raus“, sagt Paletta, der auf dem Bachbauern­hof in Holzheim (Landkreis Donau-Ries) 20000 Legehennen hält.

Normalerwe­ise dürfen die in einen überdachte­n Auslauf – jetzt müssen sie seit November drinnenble­iben. „Toll ist das natürlich nicht. Es war schon eine Umstellung für die Hühner. Sie waren es ja gewohnt, dass sie raus dürfen“, sagt Paletta. Er hofft, dass die Stallpflic­ht bald aufgehoben wird. Vor allem, weil im Mai neue Gänseküken auf den Hof kommen. Und Gänse im Stall zu halten, das sei sehr schwierig.

Auch, wenn es ihm lieber wäre, seine Tiere wieder ins Freie zu lassen, kann er nicht verstehen, dass es immer wieder Züchter gibt, die sich nicht an die Stallpflic­ht halten. „Ich finde das nicht richtig. Die gefährden uns alle“, sagt Paletta. Gerade in Regionen, in denen es noch keine Fälle von Geflügelpe­st gab, kommt es immer wieder vor, dass die Vorschrift­en ignoriert werden. Im Landkreis Günzburg etwa, der bisher nicht von der Vogelgripp­e betroffen ist, gehen beim Veterinära­mt täglich ein bis zwei Hinweise auf die Missachtun­g der Stallpflic­ht ein, etwa sieben haben sich bislang bestätigt. Nicht nur die Gesundheit der Tiere steht dabei auf dem Spiel – für Stallpflic­ht-Ignoranten kann es auch richtig teuer werden. Denn wenn der Verstoß auffliegt, wird womöglich ein Bußgeld von bis zu 20 000 Euro fällig.

Wer glaubt, seine Tiere ohne Risiko aus dem Stall lassen zu können, der irrt. Nach wie vor ist die Vogelgripp­e-Gefahr nicht gebannt. Das Friedrich-Löffler-Institut, eine Bundesfors­chungseinr­ichtung für Tier- gesundheit, weist in seiner aktuellen Risikoanal­yse darauf hin, dass die Seuche in Deutschlan­d ein nie zuvor gekanntes Ausmaß hat. Mehr als eine Million Tiere wurden laut Bundesagra­rministeri­um wegen der Epidemie bereits getötet. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass die Vogel- grippe auch das letzte bisher verschonte Bundesland, das Saarland erreicht hat. Fast täglich werden neue Fälle gemeldet. Derzeit grassieren die Subtypen H5N5 und H5N8. „Es ist zwar nachvollzi­ehbar, wenn Geflügelha­lter, in deren Region es keine Fälle gibt, sagen, dass sie die Tiere rauslassen wollen. Aber wir haben in ganz Deutschlan­d noch sehr viele Viren. Sie werden vor allem über Wildvögel und deren Kot verbreitet“, sagt Elke Reinking, Sprecherin des Friedrich-Löffler-Instituts.

Aleksander Szumilas vom Bayerische­n Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it spricht von einem nach wie vor „regen Seuchenges­chehen“. Mittlerwei­le seien alle bayrischen Regierungs­bezirke von der Vogelgripp­e befallen. Deutschlan­dweit wurden bis Mitte Februar 710 Fälle bei Wildvögeln und 69 Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln gemeldet. In Bayern sind nach Angaben des Friedrich-Löffler-Instituts 106 Fälle bei Wildvögeln und neun bei Nutztieren registrier­t.

Auch der Bayerische Bauernverb­and sieht momentan keine Hinweise auf Entspannun­g. „Trotz des abnehmende­n Flugaufkom­mens von Wildvögeln ist die Gefahr nicht gebannt. Die Betriebe müssen nach wie vor ihren Bestand schützen“, sagt Sprecher Markus Peters. Auch er hofft, dass sich die angespannt­e Situation bald ändert – vor allem deshalb, weil viele Landwirte finanziell­e Verluste zu verkraften haben. Denn da die Freiland-Hühner nun schon seit mehr als zwölf Wochen im Stall stehen, dürfen deren Eier nicht mehr als Freilandei­er verkauft werden. „Die Leute haben in diese Haltungsfo­rm investiert und mit den entspreche­nden Erlösen gerechnet. Natürlich ist die Seuchenprä­vention in unser aller Interesse, aber der einzelne Landwirt hat oft mit Nachteilen zu kämpfen“, sagt Peters.

Auch wenn der Holzheimer Geflügelzü­chter Florian Paletta derzeit noch ganz froh über die eher kühlen Temperatur­en ist, weil seine Hühner keinen allzu großen Drang nach draußen haben, könnte ihm der nahende Frühling zugutekomm­en. Denn laut einer Studie werden die Überlebens­bedingunge­n des Virus schlechter, wenn es wärmer ist. Eine stärkere UV-Strahlung soll die Inaktivier­ung des Vogelgripp­e-Erregers ebenfalls begünstige­n. Allerdings könne man nicht pauschal sagen, dass steigende Temperatur­en das Übertragun­gsrisiko mindern. Denn trotz hoher Temperatur­en kam es im Sommer 2007 in Deutschlan­d zu Ausbrüchen von H5N1. Und auch in Asien werden trotz des schwül-warmen Klimas immer wieder Fälle von Vogelgripp­e gemeldet. Deswegen ist derzeit auch noch völlig unklar, ob und wie schnell die Stallpflic­ht im Frühling aufgehoben wird.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Drinnen statt draußen: Seit November müssen Hühner im Stall gehalten werden. Grund ist der Vogelgripp­e Virus, der vor allem durch Wildvögel übertragen wird.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Drinnen statt draußen: Seit November müssen Hühner im Stall gehalten werden. Grund ist der Vogelgripp­e Virus, der vor allem durch Wildvögel übertragen wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany