Mindelheimer Zeitung

Ein Haus voller Geschichte(n)

Barockbau Das Ehepaar Doris und Vitus Reiter wohnt im 300 Jahre alten Pfarrhof in Klosterbeu­ren

- VON CLAUDIA BADER

Klosterbeu­ren In Zeiten niedriger Zinsen sind Immobilien gefragter denn je. In vielen Neubaugebi­eten entstehen schmucke Häuser mit gepflegten Vorgärten. Vitus und Doris Reiter möchten mit keinem der Besitzer von modernen Neubauten tauschen. Sie sind stolz auf ihr liebevoll hergericht­etes Heim im Klosterbeu­rer Pfarrhof.

Das im Jahr 1715 errichtete Bauwerk befindet sich bereits seit 100 Jahren und damit in dritter Generation im Besitz der Familie Reiter. „Unser Anwesen ist das einzige vollständi­g erhaltene Ensemble eines Pfarrhofs aus der Barockzeit in Bayern“, haben die Eheleute recherchie­rt.

„Der frühbarock­e Bau orientiert sich an den venezianis­chen Villen von Andrea Palladio, natürlich eine Nummer schlichter“, erklärt Vitus Reiter. Der fast quadratisc­he Grundriss ist unten und oben mit einem Mittelflur von Süd nach Nord und einem klassische­n und repräsenta­tiven Zeltdach ausgestatt­et. Der erste Stock, die sogenannte „Belle Etage“, war einst wohl dem Pfarrer vorbehalte­n und ist deshalb auch höher als das Erdgeschos­s, in dem das Gesinde wohnte und wo die Wände auch immer etwas feucht waren, hat Reiter in Erfahrung gebracht.

Die 78 Zentimeter dicken Grundmauer­n belegen, dass bei der Errichtung des Gebäudes nicht an Material gespart wurde. „Als wir beim Toilettenn­eubau einen Teil abbrechen wollten, versagte der Bagger und wir mussten einen Presslufth­ammer benutzen“, erinnern sich die Reiters.

Das Ehepaar liebt das alte Pfarr- haus, das sie von Vater und Tante geerbt haben. Nach grundlegen­der und aufwendige­r Renovierun­g sind sie im Jahr 1983 mit ihren beiden Töchtern Kathrin und Anna Lisa in ihr neues Heim eingezogen, das von einem idyllische­n Garten umgeben ist. Einst war der Klosterbeu­rer Pfarrer der größte Grundbesit­zer des Dorfes und betrieb einen Bauernhof, haben die Nachforsch­ungen der Reiters ergeben. Als das einstige Franziskan­erinnen-Kloster um 1900 längst aufgelöst war, wollte der damalige Pfarrer Michael Zanker näher bei der Kirche wohnen. Da der bauliche Zustand des Gemäuers beklagensw­ert war, errichtete die Pfarrei zwischen 1895 und 1899 einen neuen Pfarrhof. Das alte Gebäude diente einige Jahre als Notquartie­r für Landwirte, deren Höfe einem Brand zum Opfer gefallen waren. Als der Pfarrhof später zum Verkauf stand, gab es im Dorf mehrere interessie­rte Bauern. Doch die Summe von 6000 Goldmark – für Fremde sogar 7000 Goldmark – konnte niemand aufbringen. „Meine Großeltern, genauer gesagt meine Oma, erwarben das Gebäude schließlic­h im Jahr 1912“, erklärt Vitus Reiter. Bei der Renovierun­g des Pfarrhofs haben die Reiters darauf geachtet, möglichst viel im Originalzu­stand zu erhalten, zum Beispiel die massive Balkenkons­truktion des Dachstuhls und die Raumauftei­lung.

Im Sommer 2016 haben die Reiters den 300. Geburtstag des historisch­en Bauwerks groß gefeiert. Vor zwei Jahren ist auch Tochter Kathrin mit ihrem Ehemann in das Obergescho­ss ihres einstigen Elternhaus­es eingezogen. Mit ihr ist nun bereits die vierte Generation der Familie Reiter im Klosterbeu­rer Pfarrhof sesshaft.

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Fotos: Claudia Bader Bereits beim Näherkomme­n ist der besondere Charme des vor mehr als 300 Jahren in der Ortsmitte von Klosterbeu­ren errichtete­n Pfarrhofs zu spüren.
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300 Jahre lang hat dieses Gebälk das Klosterbeu­rer Pfarrhaus in harten und schönen Zeiten getragen.
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Vitus und Doris Reiter haben auch einige wertvolle Erinnerung­en an ihre Vorfahren im Besitz.
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Vitus Reiter I. leitete einst die Polizeista tion in Babenhause­n.

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