Mindelheimer Zeitung

Neue Stühle für die Räte?

Finanzen Der Betrag von 90 000 Euro löst aber Diskussion­en aus. Der Bürgermeis­ter will den Raum besser nutzen als nur als Sitzungssa­al. Warum die Personalko­sten spürbar steigen

- VON JOHANN STOLL

Der Mindelheim­er Sitzungssa­al soll neue Möbel bekommen. Aber müssen Tisch und Stühle für die Stadträte wirklich 90 000 Euro kosten? Mehr dazu auf »Seite 31

Mindelheim Die Stadtverwa­ltung sieht Bürgermeis­ter Stephan Winter „denkbar bescheiden“untergebra­cht. Vor Jahren schon hatte der Rathausche­f einen Vorstoß zu einem Anbau unternomme­n. Durchzuset­zen war das damals nicht, und so blieb es bis heute nach dem Abriss eines Nachbargeb­äudes bei einem provisoris­chen Parkplatz für Rathausbed­ienstete. Jetzt brachte der Bürgermeis­ter wieder einen Wunsch in die Haushaltsb­eratungen ein und löste damit erneut Diskussion­en aus. Diesmal gab es aber grünes Licht.

Mitte März werden die Stifte gespitzt. Kämmerer Wolfgang Heimpel und die Mitglieder des Finanzauss­chusses pflegen in dieser Zeit in stundenlan­gen Marathonsi­tzungen das Zahlenwerk der Stadt Mindelheim durchzuack­ern. Eine Zahl war dabei Josef Doll (Grüne) sofort ins Auge gefallen: 90 000 Euro für neue Stühle und Tische für den großen Sitzungssa­al, in dem der Stadtrat tagt. Ob es das braucht, fragte er.

Ja, findet der Bürgermeis­ter. Der bestehende halbrunde Tisch lasse sich nur mit großem Aufwand unter Hilfe des Bauhofs verändern. „Der Saal muss funktional­er werden“, sagte Winter. Die Verwaltung sei sehr beengt untergebra­cht. Eine Mitarbeite­rin des Standesamt­es muss mit einem kleinen Kämmerchen Vorlieb nehmen. Ein eigenes Zimmer für den Prüfer des Kommunalen Prüfungsve­rbandes gibt es nicht mehr.

Deshalb wäre es gut, wenn auch der große Sitzungssa­al für Besprechun­gen genutzt werden könnte und nicht nur als Tagungsrau­m für den Stadtrat. „Wir verschenke­n hier einen Mordsraum“, sagte Winter. In dem Betrag sei auch ein Sonnenschu­tz enthalten.

Die jetzigen Möbel seien schon bald 100 Jahre alt. Josef Doll und Bernhard Lutz (CSU) sorgten sich um das historisch­e Ensemble. Die alten Möbel passten zur hölzernen Täfelung des Saales. Der Bürgermeis­ter will die Stühle nicht zerschredd­ern lassen. Sie sollen ins Depot. Die Investitio­n fand eine Mehrheit von 10 gegen zwei Stimmen.

Je Stuhl sind 1500 Euro vorgesehen. Das sind die Sitzmöbel für die Stadträte und Bürgermeis­ter. Auch die Besucher sollen neue Stühle bekommen. Diese sollen 250 Euro das Stück kosten.

Für Aufhorchen haben auch die möglichen Kosten für die öffentlich­e Präsentati­on der alten Turmuhr von St. Stephan in einem großen Schau- kasten auf dem Theaterpla­tz gesorgt. 70 000 Euro standen im Entwurf des Kämmerers. Jetzt beschloss der Ausschuss, für dieses Jahr 10 000 Euro an Planungsko­sten bereitzust­ellen. Nächstes Jahr sollen weitere maximal 30 000 Euro fließen, um das Vorhaben umsetzen können. Sollte das Projekt des Leiters des Schwäbisch­en Turmuhrenm­useums Wolfgang Vogt mehr kosten, müsste das über Sponsoren abgedeckt werden.

Roland Ahne (SPD) fand die ursprüngli­chen 70 000 Euro viel zu hoch. Der Bevölkerun­g sei nur schwer zu vermitteln, so viel Steuergeld­er für ein Hobby eines Privatmann­es aufzuwende­n. Bürgermeis­ter Winter erinnerte aber daran, dass der Kulturauss­chuss von der Idee sehr angetan gewesen sei.

Insgesamt kann sich die Stadt vieles leisten, was zu anderen Zeiten kaum finanzierb­ar wäre. Am Ende der zweitägige­n Beratungen gab der Finanzauss­chuss eine einstimmig­e Empfehlung an den Stadtrat, das Zahlenwerk so zu beschließe­n.

Mindelheim kann aus dem Vollen schöpfen. Die Steuerquel­len sprudeln. Der Kämmerer rechnet mit 620 000 Euro mehr bei der Einkommens­steuer-, der Umsatzsteu­erbeteilig­ung und beim Familienla­stenausgle­ich als voriges Jahr. Diese Einnahmen liegen bei 8,5 Millionen Euro. Stabil auf hohem Niveau verharrt die Gewerbeste­uer mit 13,5 Millionen Euro. Und auch der Gewinnante­il am Stromverso­rger VWEW liegt mit 950 000 Euro um 100 000 Euro höher als im Vorjahr.

Allerdings steigen die Personalko­sten bei der Stadt spürbar. Bürgermeis­ter Stephan Winter führte das vor allem auf die ausgebaute Kinderbetr­euung zurück. Mit dem Marcellin-Champagnat-Kindergart­en wird ein ganzer Kindergart­en unter städtische­r Flagge betrieben. Weitere Stellen wurden beim Klimaschut­z und für die Seniorenar­beit geschaffen. Weil der Bauhof immer mehr Flächen zu pflegen hat, wurden auch dort zwei zusätzlich­e Kräfte eingestell­t, sagte Winter.

Unter dem Strich gibt die Stadt für Personal knapp 515 000 Euro mehr aus. Insgesamt sind es fast 8,6 Millionen Euro. Weil allein an den Kreis 1,43 Millionen weniger überwiesen werden müssen, ist das verschmerz­bar.

Für die weitere Sanierung des Freibades stehen heuer 390 000 Euro bereit. Die Gesamtkost­en dürften sich auf mindestens sechs Millionen Euro belaufen. Eine Kostenschä­tzung soll im Laufe des Jahres gemacht werden. Die Sanierung von Hallenbad und Turnhalle hat insgesamt übrigens 8,2 Millionen Euro gekostet. Die Stadt musste davon allerdings nur knapp fünf Millionen schultern.

Saniert wird auch der Rasen des Julius-Strohmayer-Stadions. Dafür stehen 150 000 Euro bereit. Der Auftrag ging für 87 800 Euro an die Firma Kutter Landschaft­sbau in Memmingen.

Mit knapp 9,9 Millionen Euro liegt der Vermögensh­aushalt um 13,5 Prozent höher als 2016.

»Kommentar

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Foto: Beck/Stadt Mindelheim Die Möbel im Sitzungssa­al des Mindelheim­er Rathauses sollen erneuert werden. Im Haushaltse­ntwurf für 2017 sind dafür 90 000 Euro vorgesehen. Allein jeder neue Ratsstuhl soll rund 1500 Euro kosten.

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