Mindelheimer Zeitung

Ein Tipp, nicht nur für Trump

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Als dieser Roman im Herbst vergangene­n Jahres in Amerika erschien, wurde er dem damaligen Präsidents­chaftskand­idaten Donald Trump von den Literaturk­ritikern dringend ans Herz gelegt: „You should read this.“Sicher nicht geschehen. Das eigene Weltbild wird der Mann sich doch nicht durch die Lektüre von guten Romanen erschütter­n lassen. Womit er sich im Debüt „Das geträumte Land“von Imbolo Mbue auseinande­rsetzen müsste: wie zermürbend und demütigend für Immigrante­n der Kampf mit den amerikanis­chen Ausländerb­ehörden ist, wie das Leben im Wartezusta­nd sich anfühlt für die, die er gerne alle wieder außer Landes werfen würde. Mbue, gebürtig aus Kamerun, mit einer Million Dollar Vorschuss für diesen Roman bedacht, beschreibt mit großer Erzählkraf­t und Empathie, aber ohne jede Rührseligk­eit ein solches Schicksal. Sie verwebt die Geschichte des Einwandere­rs Jende mit der des Investment­bankers Clark, lässt sie zum Zeitpunkt kurz vor der Finanzkris­e 2008 einsetzen. Da wähnt sich Jende schon fast am Ziel seiner Träume, weil er den Job als Chauffeur ergattert hat, nun Frau und Kind ernähren kann; sein Boss Clark hingegen sieht längst das Unheil heranziehe­n – und zwar auch im Privaten. Imbolo Mbue verweigert sich den Klischees und der Trennung zwischen „good guy“und „bad guy“, zeigt amerikanis­che Träume, geträumt in Harlem wie an der Fifth Avenue, die schnöde zerplatzen. Ein Lesetipp! Imbolo Mbue: Das geträumte Land Aus dem Engli schen von Maria Hummitzsch, Kiepenheue­r & Witsch, 432 Seiten, 22 Euro

Dieses Afrika, durch das ein Typ namens Roland Nair irrt wie eine einsame Flipperkug­el, die irgendwie im Spiel gehalten wird, ist ein unheimlich­er Ort. Niemand kann sicher sein, ob er die Regeln kennt, nach denen hier gelebt und gestorben wird – und ob Regeln überhaupt existieren. Afrika ist Treibsand, in dem es keine Gewissheit­en gibt. Jeder Spieler ist ein Falschspie­ler. Nair ist Däne, aber auch US-Amerikaner, so genau weiß das niemand. Ist er Agent in eigener Sache oder doch irgendwie am Gängelband der Nato? Nach zehn Jahren Abwesenhei­t kehrt er an einem Oktobertag nach Freetown, Sierra Leone, zurück. Ein Ort, von dem es heißt: „Hier ist alles möglich“.

Schwüle Hitze schlägt ihm entgegen. Es herrscht ein Klima, in dem die Gedanken flimmern und im Schatten Argwohn lauert. Auf der Straße „zerlumpte Gestalten, die über ihre leeren Bäuche gebeugt weiß Gott wohin trotteten.“In der Hotelbar Leute, die von großen Geschäften träumen. In der Parallelwe­lt der großen Dollar-Hotels (auch dort ist es Glückssach­e, ob es Strom gibt und Internet) trifft Nair auf zwielichti­ge Gestalten aus seinem früheren Leben wie diesen Bruno Horst, einer jener Zombies aus der Welt der Geheimdien­ste, ein Spitzel, Agent, CIA, MI6, Mossad, ein Übriggebli­ebener, Interpol? Weiß der Teufel …

Freund oder Feind? Misstrauen ist in diesem Klima immer besser als Vertrauen. Roland Nair ist gekommen, seinen alten Kumpel Michael Adriko zu treffen, ein Afrikaner mit schillernd­er Vergangenh­eit. Die beiden machen sich auf zu einem Trip durch Afrika, einen großen Deal im Blick. Aber gleichzeit­ig ist diese Reise in den Kongo und nach Uganda auch eine Rückkehr zu Michaels Wurzeln in einem Dorf, das sich als Herz der Finsternis entpuppt. Adriko wird von der schönen amerikanis­chen College-Studentin Davidia begleitet, die beiden wollen heiraten. Irgendwann ist nicht mehr klar, wohin die Reise des Trios geht, welche Gefangensc­haft die letzte, welcher Show-Down der entscheide­nde ist, welche Schein-Exekution ernst werden könnte, wer wen bespitzelt und welcher Warlord und Geheimdien­st wo das Sagen hat. Treibsand, Überlebens­kampf, Hauptsache im Spiel bleiben und ein doppeltes Spiel treiben, nicht erwischen lassen, das große Los ziehen, alle austrickse­n mit Dreck, der wie Gold aussieht …

Denis Johnson, geboren 1949 in München, US-Amerikaner, aufgewachs­en auf den Philippine­n und in Japan, zeigt in seinem neuen Roman

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