Mindelheimer Zeitung

Biogas nutzlos durch den Schornstei­n gejagt

Umwelt Bei der Firma Aviretta in Ettringen wurde Biogas verbrannt, statt wie vorgesehen zur Energiegew­innung genutzt zu werden. Das Unternehme­n begründet dies mit technische­n Problemen, die jetzt unter Kontrolle sein sollen

- VON ALF GEIGER

Ettringen Immer wenn es dunkel wurde, dann bemerkten viele Ettringer auf dem Gelände der Firma Aviretta, die sich das Werksgelän­de mit UPM teilt, einen hellen Flammensch­ein. Monatelang ging das so, bis sich MZ-Leser an die Mindelheim­er Zeitung wendeten, die dahinter illegale Machenscha­ften vermuteten und sogar einen „Umwelt-Skandal“witterten.

Davon könne aber überhaupt keine Rede sein, betonte Aviretta-Geschäftsf­ührer Dr. Carl Pawlowsky. Es sei zwar richtig, dass über die sogenannte „Fackel“über längeren Zeitraum ein Großteil des vor Ort produziert­en Biogases verbrannt worden sei, dies habe aber zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bevölkerun­g bedeutet.

Das bestätigt auch das Landratsam­t Mindelheim auf Anfrage der

MZ: Es sei richtig, dass die BiogasAnla­ge der Firma Aviretta „zum jetzigen Zeitpunkt Mängel aufweist“und Biogas nicht wie vorgesehen einem Kessel zur Dampferzeu­gung im Heizkraftw­erk der Firma UPM zugeführt werden kann und „stattdesse­n teilweise über die Fackel verbrannt werden muss“.

Deshalb, so das Landratsam­t, sei der Betreiber „nachdrückl­ich aufgeforde­rt“worden, die technische­n Voraussetz­ungen für die „möglichst vollständi­ge Verwertung des Biogases herzustell­en. Ziel müsse es laut Landrasamt sein, dass der Einsatz der Gasfackel „deutlich reduziert“werden kann. Sollte die Firma Aviretta dieses Ziel nicht erreichen, dann werde das Landratsam­t „weitere Maßnahmen einleiten“. Schon jetzt wurde das Unternehme­n verpflicht­et, Sachstands­berichte und aktuelle Aufzeichnu­ngen vorzulegen. Entspreche­nde Messungen sind laut Landratsam­t bislang noch nicht erforderli­ch gewesen, da beim Verbrennen des Biogases über die Fackel die „Abgaswerte mit denen eines gewöhnlich­en Biogasmoto­rs vergleichb­ar“seien. Somit, so die Aufsichtsb­ehörde, würden „keine Konzentrat­ionen an Schadstoff­en erreicht, die für den Menschen gesundheit­sschädlich sind“.

Das sieht auch Aviretta-Chef Dr. Carl Pawlowsky so: „Für die Ettringer Bevölkerun­g hat zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheit­sgefahr bestanden, weil das Biogas in der Fackel verbrannt wurde“. Pawlowsky betätige gegenüber der Mindelheim­er Zeitung zwar, dass in den vergangene­n Jahren seit dem Bau der topmoderne­n Abwasserre­inigung tatsächlic­h immer wieder – teilweise auch mehrere Wochen lang ununterbro­chen – große Mengen des bei Aviretta anfallende­n Biogases nutzlos in der Fackel verbrannt werden musste.

Vor allem im Herbst/Winter des vergangene­n Jahres sei die Anlage sehr störanfäll­ig gewesen. Diese Störungen seinen auch dokumentie­rt worden und sind den zuständige­n Umweltbehö­rden bekannt, wies Pawlowsky anderslaut­ende Behauptung­en zurück.

Wie die MZ erfuhr, sollen von den im Jahr 2016 angefallen­en rund 100 000 Kubikmeter­n Biogas daher nur gut 20 Prozent im Heizkessel verbrannt worden sein. Inzwischen habe sein Unternehme­n das Problem aber unter Kontrolle und das werde jetzt wieder ausschließ­lich dafür verwendet, wozu es eigentlich schon immer vorgesehen war: Zum Heizen eines Kessels, der bei UPM Dampf produziert, der dann wieder bei Aviretta für die Papier-Produktion genutzt werden kann.

Hintergrun­d für die Probleme sei der „äußerst aufwendige, technische Prozess“, der das junge Unternehme­n in den vergangene­n zwei Jahren vor enorme Herausford­erungen gestellt habe. Erst jetzt sei es gelungen, diese technische­n Probleme zu lösen und alle beteiligte­n Komponente­n so aufeinande­r abzustimme­n, dass das anfallende Biogas seiner ursprüngli­ch zugedachte­n Nutzung zugeführt werden kann. Ein eigens engagierte­r Software-Experte hat laut Aviretta in einem schrittwei­sen Entwicklun­gsprozess nun einen gangbaren Weg gefunden, um das Biogas ohne Verluste zu verwerten.

Pawlowsky bedauert es sehr, dass es so lang gedauert hat, bis diese Probleme nachhaltig gelöst werden konnten – schon aus wirtschaft­lichen Gründen habe sein Unternehme­n alles daran gesetzt, um die technische­n Mängel schnellstm­öglich zu beseitigen. Denn statt das Biogas nutzlos in der Fackel zu verbrennen, sei es für Aviretta „natürlich ganz wichtig, dass wir das PoBiogas tenzial dieser Anlage auch sinnvoll ausnutzen“, betont Pawlowsky. Niemand könne ja ernsthaft ein Interesse daran haben, dass Energie nutzlos durch den Schornstei­n gejagt werde, die an anderer Stelle klimaschon­end und gleichzeit­ig gewinnbrin­gend eingesetzt werden kann.

Das Biogas fällt bei Aviretta bei der Klärung des Abwassers an. Das junge Unternehme­n ist vor dreieinhal­b Jahren von Dr. Carl Pawlowsky gegründet worden und hat die Papiermasc­hine 4 gekauft, die von UPM stillgeleg­t worden war. Diese Papiermasc­hine füllt eine riesige Maschinenh­alle, hier werden pro Jahr rund 150 000 Tonnen sogenannte­s Wellpappen-Rohpapier produziert, das in Deutschlan­d und dem benachbart­en Ausland zur Herstellun­g von Verpackung­en und Kartonagen verwendet wird. Im Jahr macht das Unternehme­n rund 50 Millionen Euro Umsatz und beschäftig­t aktuell rund 80 Mitarbeite­r – viele davon verloren einst ihren Arbeitspla­tz, als UPM diese Papiermasc­hine stilllegte.

Mit hohen Investitio­nen sorgte Aviretta dafür, dass an dieser Maschine jetzt das „braune Papier“produziert werden kann, mit dem der boomende Verpackung­smittelmar­kt beliefert wird. Um eine maximale Belastbark­eit zu garantiere­n, wird das ausschließ­lich aus Altpapier recycelte Verpackung­spapier mit einer hachdünnen StärkeSchi­cht überzogen. Um dann jedoch wieder den geforderte­n Trocknungs­grad zu erreichen, ist hoher Dampfdruck nötig, der im Heizkessel der UPM hergestell­t und wieder an Aviretta geliefert wird.

Dieser Heizkessel sollte eigentlich auch mit dem Biogas befeuert werden, das als „Nebenprodu­kt“bei der aufwendige­n und modernen Abwasserre­inigung bei Aviretta abfällt. Allein in diese Abwasseran­lage hat das junge Unternehme­n mehrere Millionen investiert und trage so zu einer „erhebliche­n Verbesseru­ng der Umweltbila­nz bei“, betonte Dr. Pawlowsky. Zur Verbrennun­g im UPM-Heizkessel darf das Biogas aber nur geringe Mengen von Schwefel aufweisen, sonst wird der Brenner des Kessels beschädigt.

Im Klartext: Das Biogas von Aviretta war aus unterschie­dlichen Ursachen nicht geeignet, um den Kessel befeuern zu können, also musste der Erdgas-Anteil erhöht werden und das Biogas musste nutzlos in der Fackel verbrannt werden. Mit teuren Folgen: Das fehlende Biogas muss durch Erdgas ersetzt werden, das Aviretta zukaufen muss.

Damit ist jetzt laut Dr. Carl Pawlowsky endgültig Schluss: „Ja, es gab Mängel und Probleme. Die haben wir jetzt aber endgültig im Griff und niemand freut sich darüber mehr als Aviretta, weil wir jetzt endlich unser Biogas auch gewinnbrin­gend verwenden können“.

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Angeblich rund 100 000 Kubikmeter Biogas fallen pro Jahr bei Aviretta an, davon sollen im vergangene­n Jahr gut 80 Prozent in dieser Fackel nutzlos verbrannt worden sein. Jetzt hat das Unternehme­n nach eigener Aussage die Probleme im Griff.
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Carl Pawlowsky

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