Mindelheimer Zeitung

Widerstand gegen Wohnungspa­kt

Projekt Der Freistaat steckt 120 Millionen Euro in den Bau von Wohnraum für Flüchtling­e und Bedürftige. Schnell soll es gehen, günstig soll es sein – das kommt nicht überall gut an

- VON BARBARA WILD Foto: Barbara Wild

Kaisheim/Augsburg Bürgermeis­ter Martin Scharr hat nicht damit gerechnet, dass der Widerstand in seinem Dorf so heftig ausfallen würde. 750 Unterschri­ften gegen eine vom Freistaat geplante Wohnanlage für anerkannte Flüchtling­e und Menschen mit geringem Einkommen liegen bei ihm auf dem Tisch. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Thema solche Emotionen hochspült“, sagt Bürgermeis­ter Scharr.

44 Personen will die Regierung von Schwaben im Auftrag des Freistaate­s in Kaisheim (Landkreis Donau-Ries) unterbring­en. Im Rahmen des Wohnungspa­ktes Bayern sollen neue Häuser dafür gebaut werden. Doch die Anwohner und weitere Bürger der knapp 4000 Einwohner starken Gemeinde fünf Kilometer nördlich von Donauwörth wollen das Vorhaben verhindern.

Einer davon ist Harald Miller. Sein Haus grenzt direkt an das etwa 3000 Quadratmet­er große Grundstück, auf dem die Regierung die drei Mehrfamili­enhäuser mit elf Appartemen­ts in Schnellbau­weise hochziehen will. Es wäre einfacher Standard: 45 Quadratmet­er, zwei Schlafzimm­er, Wohnküche und Bad. Pro Einheit sollen vier Personen unterkomme­n. Das Konzept wird bayernweit in gleichem Stil umgesetzt und soll vor allem eines sein: günstig und schnell realisierb­ar. Deshalb plant die Regierung erst einmal auf staatseige­nen Grundstück­en, auf denen bereits Baurecht besteht.

Für Flüchtling­e, die meist schon seit Monaten in Mehrbettzi­mmern und Gemeinscha­ftsbad auf dem Gang leben, sind die bescheiden­en Wohnungen wohl eine echte Verbesseru­ng und bieten zumindest etwas mehr Privatsphä­re. Für Harald Miller und die anderen Mitglieder der frisch gegründete­n Bürgerinit­iative in Kaisheim birgt die vermeintli­che Enge nur Stoff für Probleme. „Wenn die Flüchtling­e auf so wenig Platz leben, dann wird es Konflikte geben, und sie werden ihr Leben in den öffentlich­en Raum verlagern“, sagt Miller. Er sieht die Folgen schon vor seinem inneren Auge: Streiterei­en vor der neu sanierten Dorfwirtsc­haft, Zank und Prügeleien auf offener Straße ähnlich wie es jüngst im nahegelege­nen Donauwörth zwischen Äthiopiern vorgekomme­n ist, die derzeit in der Erstaufnah­meeinricht­ung feststecke­n. In den Augen der Bürgerinit­iative ist eine Integratio­n der Ausländer nicht möglich, wenn man sie in großen Gruppen in ein Wohnprojek­t steckt. Noch dazu wäre es für sie schwierig, von einem Dorf wie Kaisheim mit wenig Freizeitan­ge- boten und schlechter Busverbind­ung zu einer Arbeitsste­lle zu kommen oder die Kinder in die Schule zu bringen.

Noch mehr Argumente gegen die Planungen der Regierung von Schwaben wurden auf einer eigens einberufen­en Bürgervers­ammlung verlesen. Und so schwenkte auch Bürgermeis­ter Scharr (PWG), der den staatliche­n Wohnungsba­u in seinem Dorf anfangs für ganz annehmbar und auch als Chance für lokale Bedürftige hielt, um und stellte sich öffentlich mit seinem Gemeindera­t im Rücken gegen das Projekt.

Kaisheim ist mit seinem vehementen Widerstand aufgrund sozialer Bedenken keine Ausnahme. Auch in Augsburg gibt es Protest – wenn auch aus Umweltschu­tzgründen. Dort plant die Regierung auf der sogenannte­n Flugplatzh­eide gleich im großen Stil günstigen Wohnraum für Flüchtling­e und Bedürftige. 308 Bewohner sollen in 77 Wohnungen unterkomme­n. Doch nun will eine Naturschut­zallianz verhindern, dass der Freistaat eine der wichtigste­n Biotopfläc­hen im Augsburger Stadtgebie­t zumindest teilweise zupflaster­t. Es läuft eine Petition im Landtag und eine Bürgerbefr­agung. Und auch in der lokalen Politik mehren sich die Zweifel, ob angesichts des nachlassen­den zur Verfügung. Bis 2019 sollen im Freistaat 900 günstige Appartemen­ts entstehen, die etwa zu einem Drittel auch an Einheimisc­he mit geringem Einkommen vermietet werden können.

In Schwaben sind aktuell zwei Neubauten in Pfaffenhof­en an der Roth (15 Wohnungen) und in Immenstadt (zwei Wohnungen für insgesamt 20 Bewohner) realisiert. In Schwabmünc­hen werden ab August 2017 acht Wohnungen hochgezoge­n und in Syrgenstei­n ist ein Neubau mit 15 Wohnungen für insgesamt 84 Bewohner geplant. Die Gemeinde im Landkreis Dillingen hatte sich sogar aktiv darum bemüht, dass der Freistaat dort günstigen Wohnraum schafft. Acht weitere Kommunen in Bayern tun das ebenfalls.

Für die Kaisheimer ist das ein Hoffnungss­chimmer. „Man soll dann da bauen, wo es auch passt und die Voraussetz­ungen stimmen“, sagt Harald Miller. Aber das sei eben nicht in Kaisheim.

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