Kneipp darf keine „softe Wellness Religiosität“sein
Tourismus Einer der höchsten Kirchenmänner des Bistums über den Umgang mit Kneipps Erbe – und dessen Zukunft. Was Harald Heinrich eng mit Bad Wörishofen verbindet und wie er selbst auf einen heilenden Pfarrer reagieren würde
Der 120. Todestag Kneipps nähert sich und in Bad Wörishofen wird einmal mehr über den Umgang mit Kneipps Erbe diskutiert, zuletzt im Kurausschuss. Es fiel auf, dass Sie bei einer Grundsatzpredigt in Bad Wörishofen mehrmals auf Pfarrer Sebastian Kneipp hingewiesen haben. Können Sie Defizite in der Wahrung des Kneippschen Erbes feststellen? Harald Heinrich: Das würde ich mir nicht anmaßen. Ich bin natürlich kein Manager, aber ich bin überzeugt, dass es speziell für einen Kurort wie Bad Wörishofen darum geht, sich zu profilieren. Was ist das Alleinstellungsmerkmal, das Profil? Das fragen sich doch alle Tourismusorte. Da würde ich positiv sagen, dass Pfarrer Kneipp ein besonderes Geschenk für Bad Wörishofen ist. Kneipp jedoch auf eine softe Wellness-Religiosität zu reduzieren, dazu brauche ich nicht nach Wörishofen fahren, das können andere auch. Bei meiner Predigt kamen mir manche Gedanken zu Pfarrer Kneipp spontan. Mir war es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die Ordnungstherapie nach Pfarrer Kneipp einmal einfach gesagt mit dem christlichen Glauben zu tun hat. Deshalb wäre es wünschenswert, dass die Pfarreiengemeinschaft auch Impulse gibt, wenn es um das Profil in Bad Wörishofen geht. Es gibt jetzt schon eine Vielfalt
an geistlichen Angeboten in der Pfarreiengemeinschaft und es gibt eine lebendige Kurseelsorge, das gefällt mir sehr. Gibt es Grenzen dafür, was zu Pfarrer Kneipp passt und was nicht?
Heinrich: Ja. Ich meine schon. Eine Rückbesinnung auf Kneipp verlangt Konsequenzen für Angebote im Rahmen der Ordnungstherapie. Wir müssen uns die Frage stellen, ob es Dinge gibt, die nicht in seinem Sinne sind, und das nicht nur, weil Pfarrer Kneipp sie im 19. Jahrhundert nicht gekannt hat, sondern weil sie wirklich nicht passen. Gleichzeitig sollten wir nicht kleinkariert sein. Wenn jemand Yoga als entspannend betrachtet, dann soll er das machen. Ich denke, was meiner Seele nicht guttut, tut auch meinem Körper nicht gut. Religion, richtig verstandener Glaube, tut der Seele gut – und damit auch dem Körper. Vor 20 Jahren, im großen Kneippjahr 1997, spielten Sie selbst Pfarrer Kneipp. Worin beeindruckt Sie Pfarrer Kneipp?
Heinrich: (lacht) Das war damals ein Trick von Monsignore Baumgärtner. Er hat mich etwas überrollt, als er nur ungenau andeutete, dass da mal so eine Veranstaltung sei, bei der ich Pfarrer Kneipp spielen solle. Vor dem nachgespielten Einzug war ich dann zwei Stunden in der Maske, ich bekam dicke Augenbrauen und die Nase wurde verstärkt. Dann setzte ich mich in eine Kutsche. Ich war selten so nervös, besonders als ich die vielen Menschen im Klosterhof sah. Dennoch habe ich gerne diese kernige Persönlichkeit Sebastian Kneipp gespielt. Mich beeindrucken seine nüchterne Sicht des Menschen und sein tiefes Anliegen, den Menschen zu helfen. Seine innerste Motivation war das Heil der unsterblichen Seele, wie er es selbst einmal formuliert hat. Seine Sicht, dass dazu auch die Leiblichkeit gehört, war im 19. Jahrhundert ziemlich modern. Leib und Seele sind von Gott geschaffen und das nicht in einer Abstufung. Auch seine Gestalt des irgendwie typischen schwäbischen Landpfarrers des 19. Jahrhunderts beeindruckt mich. Pfarrer Kneipp stand mit beiden Beinen in dieser Welt. Es ist kaum umstritten, dass Sebastian Kneipp vom damaligen Augsburger Bischof Peter von Richarz nach Wörishofen strafversetzt wurde, da er an früheren Kaplansstellen schon mit therapeutischen Maßnahmen auffiel. Hat Augsburg inzwischen seinen Frieden mit dem vielleicht etwas unkonventionellen Pfarrer geschlossen? Heinrich: Auf jeden Fall. Pfarrer Kneipp ist ja von mehreren Seiten angeschwärzt worden. Es ist aber auch ungewöhnlich, wenn ein Priester zum Therapieren beginnt. Ich wäre heute als Generalvikar auch skeptisch, wenn ein Pfarrer anfangen würde, zu heilen. So etwas ist für eine Aufsichtsbehörde wie das Bischöfliche Generalvikariat nicht so
einfach einzuschätzen. Aber man hat Pfarrer Kneipp auch in der Kirche schon zu Lebzeiten zunehmend wertgeschätzt. Die Verleihung des Titels Monsignore und die Papstaudienzen bei Leo XIII. sind dafür ein eindeutiger Beleg. Kneipp wollte immer treuer Diener seiner Kirche sein. Aber es war eben ein Mann mit Rückgrat, dem die Menschen wichtiger waren als ein vermeintlicher Gehorsam. Was kann die Kirche im 21. Jahrhundert von Pfarrer Kneipp lernen?
Heinrich: Pfarrer Kneipp war ein Phänomen seiner Zeit, das man nicht einfach so kopieren kann. Für die Kirche ist es aber, ebenso wie für die Welt, wichtig, dass es immer wieder Persönlichkeiten gibt, die für eine Sache einstehen. Kneipp hat sich von niemandem abbringen lassen. Er war genial. Er war Priester, Pfarrer und Therapeut. Letztlich muss die Kirche auch immer wieder darauf schauen, wo die Nöte der Menschen sind und sich fragen: „Wo können wir helfen?“. Sie besuchen Bad Wörishofen öfter, nicht nur zur Visitation wie kürzlich. Was gefällt Ihnen an der Kneippstadt? Heinrich: Seit ich in Bad Wörishofen Benefiziat war, ist die Stadt mir ein Stück Heimat geworden. Ich kenne mich hier gut aus. Ich finde Wörishofen eine sehr schöne Stadt. Mir gefallen besonders die Landschaft und die beiden Kirchen St. Justina und die Klosterkirche. Richtig gelungen ist auch der Kurpark – zu allen Jahreszeiten ein besonderer Ort, vor allem dann, wenn die Rosen blühen! Interview: Bernhard Ledermann