Die Klangzauberer
Jazz I Wie „Camerata Bavarese“das Publikum Teil der Musik werden ließ
Sontheim Jazz isch 2017 ist wie immer zu schnell vorbei, doch am Sonntagabend bekam es einen umwerfend schönen Abschluss: „Camerata Bavarese“waren zu Gast und schlugen den Bogen zum Eröffnungsabend mit Younee. Wie die Pianistin suchen auch die Musiker rund um Gitarrist Sigi Schwab nach musikalischen Traditionen, „bohren Löcher hinein“, wie Schwab erklärte, und versuchen diese mit Neuem zu füllen.
Ihre Stücke beschäftigen sich mit Bach oder Händel, erinnern an Gershwin oder Quincy Jones, sind Hommage und Aufbruch zugleich. Schwab, der pointiert und so herrlich gelassen durch den Abend führte, erklärte mit einem Augenzwinkern, dass man sich wegen Klaus Hampl, diesem Klangzauberer und Ausnahmeklarinettist, eben zur Klassik habe zurückwenden müssen, um diesen Romantiker für das gemeinsame Projekt zu gewinnen.
Hampl bringt aber nicht nur die klassischen Stücke, nein, er verkörpert auch den Klang, diese klaren Melodielinien, wie Perlen reihen sich die Töne aneinander, zwingen dazu, dass man ihnen folgt.
Tommi Müller, der Bassist im Quartett und wie Hampl aus dem Allgäu, bettet diese klare Linie von Hampls Spiel ein, umgarnt sie mit diesem vollmundig tiefen Klang, weich fallen die Klarinettentöne hinein, poetisch.
Und dann ist Müller auch immer für einen Scherz zu haben. Als Schwab sein Stück „No more Love Songs“ankündigte, sagte er, dass man nun einen herausragenden Bassist erleben könne, da meinte Müller trocken: „Ja ja, der kommt gleich noch.“Man nahm diesen Musikern die Freude auf der Bühne vom ersten Ton an ab, war sofort gefangen in diesem magischen Klang aus Gitarre und Bass, Klarinette und Schlagzeug und angesteckt von der Gelassenheit.
Schwab gelang es immer wieder, in seinen kurzen Ansprachen, das Publikum zu einem Teil des Geschehens zu machen.
Nicht oft gelingt diese Einheit aus Zuhörer und Musikern so deutlich. „Es macht unheimlich viel Freude, diese junge Musik vor Ihnen zu spielen und zu merken, dass Sie sie mögen“, erklärte Schwab, der doch schon so viel Applaus und Auszeichnungen in seinem Leben geerntet hat, doch Camerata Bavarese ist als Formation ein Beleg dafür, dass Musik um der Musik willen einfach eine andere Atmosphäre zu schaffen vermag.
Schwab und seine Gitarre verschmelzen auf der Bühne beim Spiel, da passt kein Windhauch dazwischen, Schwab ist durch und durch Musik. Ihm zu folgen wie er die Musik Überhand gewinnen und zu einem zentralen Ereignis werden lässt, macht demütig.
Aber nun fehlt noch einer, um das Quartett zu vervollkommnen: Der aus Indien stammende Percussionist Ramesh Shotham kommt zwar ursprünglich aus der Rockecke (Gott sei Dank habe er den Jazz für sich entdeckt, meinte Schwab), doch selten war ein Schlagzeug sanfter und beruhigender. Shotham, der weltweit auf Jazzfestivals unterwegs und Teil der WDR-Big-Band ist, trommelte und spielte. Er war nie nur Rhythmusgeber einer Band, sondern immer Teil des Gefüges.
Camerata Bavarese berührte mit traumhaft schönen Melodien („Incantation“!), erzeugte Gänsehaut mit Hampls Klarinettenklängen („Invention Nr. 1“von Bach), brachte die Klassik und den Jazz zusammen mit absolut brillanten Musikern. Als Zugabe spielten die vier „Lascia ch’io pianga“von Händel und hinterließen das Publikum mit einem Hauch Wehmut, dass dieses Konzert zu Ende gehen musste und gleichzeitig dem Glück, an diesem Abend Teil der Musik geworden zu sein.