Die Medaillensammlerin ist müde
Biathlon Laura Dahlmeier will sich nach einem erfolgreichen Winter erst einmal treiben lassen und „ein paar Sechstausender“besteigen. Die Zuneigung ihrer Fans treibt seltsame Blüten
Garmisch Partenkirchen Die Sonne scheint über der Zugspitze und auf dem sattgrünen Rasen des Kurparks Partenkirchen präsentiert die erfolgreichste deutsche Biathletin die Trophäen eines harten, aber höchst erfolgreichen Winters. Ruhig und konzentriert wie in der Loipe arbeitet Laura Dahlmeier den Pressetermin ab. Zuerst sitzt sie auf einem mit einer weißen Tischdecke überzogenen Biertisch, dann auf einem grauen Stein, dann wieder schultert sie ihre sechs WM-Medaillen wie einen Beutel. Geduldig erfüllt Laura Dahlmeier auch die ausgefallensten Fotografen-Wünsche und schaut zwischen zwei Bäumen durch. Die Garmischerin lächelt beständig, obwohl sie zuvor schon gesagt hat: „Ich bin müde, ich freue mich auf die Pause.“Aber der Termin zählt auch zu ihren Aufgaben. Das weiß sie. Mit fünf Gold- und einer Silbermedaille war die 23-Jährige von der Biathlon-Weltmeisterschaft im österreichischen Hochfilzen zurückgekehrt. Am Ende der Saison holte sie sich zudem drei Kristall-Kugeln, darunter auch die wertvollste Trophäe als Gesamt-Weltcupsiegerin. Seitdem wollen alle Laura haben.
Dahlmeier wirkt einerseits zufrieden, aber auch erschöpft. „Nein, ich bin noch nicht wieder regeneriert“, sagt sie mit einem matten Lächeln auf den Lippen. Ihre grandiosen Erfolge kann die Garmischerin noch nicht einordnen. Sie wird oft darauf angesprochen. „Aber hundertprozentig realisiert habe ich es noch nicht. Mir wird erst Stück für Stück bewusst, dass ich im Winter ein paar Rekorde gebrochen habe.“
Nach dem Rücktritt von Magdalena Neuner im Jahr 2012 hat Deutschland wieder eine überragendende Skijägerin. In Hochfilzen räumte Dahlmeier ab wie zuvor keine andere Biathletin, mit einer Medaille bei jedem der sechs Starts. „Das i-Tüpfelchen war der GesamtWeltcup. Wenn man das schafft, gerade mit 23 Jahren, dann ist das was ganz Besonderes.“
Das sehen auch ihre Fans so, vor denen sich die Sportlerin kaum noch retten kann. Pro Tag kommen zwischen fünf und sieben Briefe oder Geschenke. Wenn Laura Dahlmeier die Präsente aufzählt, fühlt man sich wie einst in der Rudi-Carrell-Show „Am laufenden Band“. Dem Gewinner wurden auf einem Förder- band mögliche Gewinne gezeigt und behalten durfte er, was er sich merken konnte. Die Aufzählung begann meist mit: „Eine Waschmaschine, ein Fragezeichen...“Laura Dahlmeier hat ebenfalls einiges zu bieten: „Ein selbst gebasteltes BiathlonSpiel, ein Biathlon-Poker, ein Biathlet rein aus Nudeln gebastelt, selbst gemachte Marmelade, eine Kerze, ein Kasten voll Tee aus der Schweiz, von Kindern selbst gemachte Bücher.“
Die Sportlerin ist überwältigt vom Zuspruch: „Es ist wirklich der Wahnsinn und ich komme dem gar nicht hinten nach.“Dahlmeier meint das Beantworten der FanPost. Deshalb hilft im elterlichen Haus in Garmisch, in dem sie sich im ersten Stock eine eigene Wohnung eingerichtet hat, der fünf Jahre jüngere Bruder. Pirmin bessert sich als persönlicher Fan-Beauftragter sein Taschengeld auf.
Doch manchmal wird die Zuneigung der Fans der Biathletin zu viel. „Viele Menschen aus ganz Deutschland fragen: Laura können wir mal Kaffee trinken gehen?“Aber so viel Kaffee könne sie gar nicht trinken, wie die Anhänger ihr auftischen wollen.
Dabei hat die 23-Jährige, die aus Garmisch stammt, aber für den SC Partenkirchen startet, keine Allüren. „Laura ist nahbar und bodenständig“, charakterisiert Michael Maurer seine erfolgreichste Sportlerin unter 1900 Vereinsmitgliedern im SCP. Immerhin gehören Skistars wie Felix Neureuther oder die inzwischen zurückgetretene Maria Riesch ebenfalls dem Verein an. Doch der Klub-Präsident sagt auch: „Laura Dahlmeier ist vom Charakter ganz anders als Maria Riesch.“Michael Maurer beschreibt die Biathletin: „Schickimicki ist nichts für die Laura. Sie fühlt sich in den Bergen wohl.“Deshalb suchte sich die 23-Jährige für diesen Sommer wieder ein ausgefallenes Ziel aus. Im Juni ist ein Flug nach Südamerika geplant. „In Peru stehen ein paar Sechstausender an, mal sehen ob das klappt“, erzählt Laura Dahlmeier in einem Tonfall, als würde sie einen Spaziergang im Kurpark ankündigen. Bereits im vergangenen Jahr war sie in Nepal unterwegs gewesen. Die Berge, die Einsamkeit, die Herausforderung und die Menschen dort interessieren sie. In der Ferne weiß niemand, wer sie ist und was sie macht. „Den Sherpas musste ich mit Händen und Füßen erklären, dass wir im Kreis laufen und schießen und nicht auf Tiere schießen.“
Zuvor, im April, will sie sich noch treiben lassen und etwas mit ihren „Spezln“in Garmisch unternehmen. Am 1. Mai beginnt das Training für den olympischen Winter mit den Spielen im Februar 2018 in Pyeongchang als Höhepunkt. Laura Dahlmeier weiß, dass sie nach der überragenden Saison 2016/17 als Topfavoritin nach Südkorea reist. Beim Weltcup konnten sich die Biathleten dort bereits umsehen. „Die Strecken passen“, erzählt die Gesamt-Weltcupsiegerin.
Mit der Loipenpräparierung hapert es allerdings ebenso wie mit der Begeisterung. Mit Biathlon kann die Bevölkerung nichts anfangen. „Es war seit langem das erste Rennen, wo ich keine einzige Autogrammkarte hergegeben habe. Ich bin nirgends angesprochen worden. Biathlon ist dort wirklich ein Fremdwort.“Wenn jemand das ändern kann, dann scheint die fünffache Weltmeisterin aus Garmisch wie geschaffen für die Aufgabe.