Steuerskandal: Jetzt wird’s ernst
Justiz Die Ermittlungen stehen unmittelbar vor dem Abschluss. In den nächsten Tagen wird Chef-Ermittler Christoph Ebert entscheiden, ob und gegen wen Anklage wegen des Verdachts der Untreue erhoben wird
Türkheim Die Ermittlungen rund um den Türkheimer Steuerskandal stehen unmittelbar vor dem Abschluss. Derzeit prüft noch immer der Verteidiger des Hauptverdächtigen die Unterlagen und hat angesichts der Fülle des Materials noch einmal einen Aufschub von der Staatsanwaltschaft genehmigt bekommen. Dann wird es aber ernst: In den nächsten Tagen will ChefErmittler Dr. Christoph Ebert von der Memminger Staatsanwaltschaft endgültig entscheiden, ob und gegen wen Anklage erhoben wird.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft zeichnet sich ein Schaden im knapp siebenstelligen Bereich ab, also rund eine Million Euro. Insgesamt haben die vier Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Türkheim durch nicht erlassene Bescheide fast drei Millionen an Gewerbe- und Grundsteuer verloren. Durch die Systematik des kommunalen Finanzausgleichs werden jedoch die Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinden abgefedert.
Am Rande der Bürgerversammlung in Irsingen hatte Kämmerer Claus Hiemer auch Stellung zur Frage, ob der entstandene Sachschaden möglicherweise durch Versicherungen abgedeckt sei Hiemer räumte ein, dass zumindest für einen Teil des Schadens tatsächlich die Versicherungen der Gemeinde einspringen müssten – wie die Versicherungen am Ende aber wirklich übernehmen werden, sei noch nicht abzusehen. Er sei „tagelang damit beschäftigt“, die Anfragen der Versicherungen zu jedem Einzelfall zu beantworten. „Wir werden bestimmt nicht alles ersetzt bekommen, aber wir werden einen Teil abdecken können“, so Hiemer. Angesichts der laufenden Ermittlungen sei jetzt Geduld gefragt: „Jeder wird sich seiner Verantwortung stellen müssen. Und das werden wir auch tun“, so Hiemer.
Wie berichtet, konzentrieren sich die Ermittlungen der Memminger Fahnder auf eine Person, einen Sachbearbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim. Hier hatten sich laut Oberstaatsanwalt Ebert die Anzeichen verdichtet, dass der Verdächtige vorsätzlich gehandelt habe und damit auch wegen Untreue angeklagt werden könnte.
Die Vorgesetzten des Sachbearbeiters müssen aus strafrechtlicher Sicht wohl keine Konsequenzen fürchten, da sie offenbar sofort gehandelt hatten, als sie Verdacht geschöpft haben.
Offen ist jedoch, ob im Türkheimer Rathaus nicht jemand früher hätte etwas davon bemerken können oder müssen, dass in den Jahren 2001 bis 2010 zu wenig Gewerbesteuerbescheide erlassen worden waren.
Diese Frage wird vor allem dann wichtig, wenn im Nachgang des Ermittlungsverfahrens noch Schaviel densersatzansprüche durch den Staat an die beteiligten Personen gestellt werden sollten. Dann wäre auch die Frage nach einer möglichen Fahrlässigkeit zu klären.
Der Schaden an nicht eingeforderter Grundsteuer wird mit 237 620 Euro beziffert, die von den VG-Gemeinden von 2002 bis 2011 an Grundsteuer nicht eingetrieben wurden. Weil die Fälle verjährt sind, können die Steuern nicht nachträglich berechnet werden. Da die Disziplinarbefugnisse hinsichtlich des Sachbearbeiters bei der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen wurden, ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das derzeit ruht.