Die Frage der Woche Tempo 30 in der ganzen Stadt?
So, liebe Tempo-30-Gegner, jetzt erst einmal beruhigen, durchschnaufen und in aller Ruhe lesen. Sie werden sehen: Alles gar nicht so schlimm. Sie werden auch etwas davon haben, wenn der Vorschlag des Umweltbundesamtes umgesetzt wird. Um es gleich einmal vorneweg zu nehmen: Sie werden gesünder und entspannter. Woher ich das weiß? Aus England. Dort nämlich haben einige Städte das Tempo „20 miles per hour“ausprobiert, was unserem Tempo 30 entspricht. Dabei gab es einige Aha-Effekte:
1. Die durchschnittlichen Fahrzeiten haben sich bei Tempo 30 nur um 40 Sekunden verlängert. Das britische Verkehrsministerium hat herausgefunden, dass sich durch das Langsamerfahren das Stop-and-go vermindert und der Verkehrsfluss sich verbessert habe.
2. Die Luft wird besser – allerdings nicht direkt, weil Autos mit 20 km/h weniger unterwegs sind, sondern weil sich durch den verlangsamten Verkehr deutlich mehr Menschen auf das Fahrrad wagen oder zu Fuß gehen. Das wiederum sorgt dafür, dass die Bürger sich mehr bewegen, ergo gesünder werden, ergo weniger das Gesundheitssystem belasten. 3. In Sachen Verkehrssicherheit gibt es leider keine verwertbaren Zahlen aus Großbritannien. Allerdings ist die Rechnung da ganz klar: Bei Tempo 30 hat ein Auto einen über zehn Meter kürzeren Bremsweg als bei Tempo 50. Ein paar Meter, die lebensentscheidend sein können. Deshalb gilt vor vielen Schulen und Kindergärten bereits Tempo 30. Kinder halten sich aber nicht nur in solchen Zonen auf. Zum Schutze der schwächeren Verkehrsteilnehmer ist es nur sinnvoll, Autos in Städten langsam fahren zu lassen. Und für alle, die schnell fahren wollen, gibt es ja noch Landstraßen und Autobahnen.
Sollte jemand die Absicht haben, die Stadt als Lebensraum attraktiver zu machen, dann gäbe es da durchaus ein paar Ideen. Autofreie Plätze und Straßen; mehr kleine Parks und breite Gehsteige, Pissoirs und öffentliche Toiletten; Auflagen gegen den Bau einfallsloser teuerer Wohnelendstotgeburten; Aufenthaltsqualität, die nicht an Konsum gekoppelt ist; billigen öffentlichen Nahverkehr; Fahrradstraßen statt nur Wegekosmetik; weniger Amtskleinlichkeit gegenüber Bewohnern, Märkten, Existenzgründern, Stadtindianern und kleinen Läden; intelligentes Leerstand-Management … Je kleinteiliger und vitaler das Quartiersleben, desto überflüssiger Autofahrten.
Was dagegen keine gute Idee wäre: Mit der volks- und umweltpädagogischen Generalbremse die ganze Stadt auf Tempo 30 kleinbeglücken zu wollen. Damit würde man nicht nur die Mobilität in Wohngebieten und auf Hauptverkehrsachsen absurd gleichschalten. Sondern auch ein Klima schaffen, das mehr Frust und Blockwartmentalität, mehr Aggressivität und Kontrollwahn auf die Straßen bringt. Denn solange das Auto – und die Elektromobilität und das autonome Fahren werden es auch in Zukunft stadttauglich halten – für den Organismus Stadt schwer verzichtbar ist, muss es auch sinnvoll eingesetzt werden können. Also eher das Gegenteil von Rasenmäherprinzip: Dort, wo Autos stören oder vor Kindergärten gefährlich werden, klare Ansage: Langsam oder am besten gar nicht hier rumfahren. Dort, wo es Straßen hergeben, dem Verkehrsfluss so wenig als möglich in den Weg stellen. Tempo zulassen auf Ring-, Hauptund Umgehungsstraßen, auf Tangenten, in Tunnels – lieber 80 als 50 km/h, solange ausgeschöpft worden ist, was an Entlastung für direkte Anwohner drin ist.