Mindelheimer Zeitung

Alkoholisi­ert und aggressiv

Justiz Ein 25-Jähriger steht wegen Missbrauch des Polizeinot­rufs vor Gericht. Im Mittelpunk­t steht ein anderes Problem

- VON JENS REITLINGER

Memmingen In einer Nacht im Mai des vergangene­n Jahres geht ein Notruf bei der Bad Wörishofer Polizei ein. Der spätere Angeklagte meldet, er halte einen Dieb fest, der ihm Geld gestohlen habe. Als die Streife eintrifft, ist ihm der Täter angeblich entkommen. Anwohner geben gegenüber der Polizei an, von keiner Straftat auf der Straße Kenntnis genommen zu haben. Doch der junge Mann gibt nicht auf: Kurz darauf wählt er erneut den Notruf, die Prozedur wiederholt sich. Wie sich erst später herausstel­lt, stritt sich der 25-Jährige zu dieser Zeit mit einem ehemaligen Freund, der ihm in seiner damaligen Wohnung in der Kneippstad­t angeblich 1000 Euro in bar gestohlen haben soll. Mithilfe des Notrufs wollte der junge Mann mutmaßlich die Verhaftung des Bekannten erreichen. Für den missbräuch­lichen Gebrauch des Polizeinot­rufs wurde der Mann vom Amtsgerich­t Memmingen bereits im Juli 2016 verurteilt.

Im erstinstan­zlichen Urteil von einem Jahr Freiheitss­trafe spielten auch zahlreiche andere Delikte eine Rolle, die das Hauptprobl­em des jungen Mannes offenlegen: Drogen. Bereits im frühen Jugendalte­r habe er zu trinken begonnen, später auch über Jahre hinweg illegale Drogen konsumiert, wie der medizinisc­he Sachverstä­ndige Andreas Küthmann dem Schöffenge­richt unter dem Vorsitz von Richter Klaus Mörrath berichtete.

Wie ein roter Faden ziehen sich Prügeleien unter Alkohol- und Drogeneinf­luss seit 2010 durch das Vorstrafen­register des Angeklagte­n. Allein in der Nacht des Mindelheim­er Lumpenball­s im Februar 2016 wurde er zweimal straffälli­g. Zunächst attackiert­e er einen anderen Ballgast, der bereits durch eine andere Handgreifl­ichkeit am Kopf verletzt worden war. Vor dem Mindelheim­er Forum kam es zu einer erneuten Körperverl­etzung, als er einem früheren Bekannten unvermitte­lt und grundlos mit der Faust ins Gesicht schlug. Zum Zeitpunkt des Anklagedel­ikts stand zudem eine Bewährungs­strafe aus einem früheren Urteilsspr­uch offen.

In der Berufungsv­erhandlung vor dem Memminger Landgerich­t zeigte sich der Mann reuig. Seit seiner jüngsten Verurteilu­ng habe er einen Lebenswand­el vollzogen, wie auch sein Verteidige­r Peter Schreiner betonte: „Er will etwas aus sich machen, kein Verlierer mehr sein.“Er sei in eine andere Stadt gezogen, gehe einer geregelten Arbeit als Verkäufer nach und führe ein abstinente­s Leben. Für Letzteres konnte er jedoch abgesehen von vereinzelt­en Beratungsg­esprächen keine Nachweise vorlegen, obwohl ihm Gutachter Küthmann nach eigener Aussage dringend dazu geraten hatte. Zudem stellte sich im weiteren Verlauf der Verhandlun­g heraus, dass der Angeklagte durchaus noch gelegentli­ch Alkohol trinkt.

„Ihre Abhängigke­it haben Sie genauso wenig unter Kontrolle wie ihre Aggression­en,“sagte Richter Mörrath, der mit seinem Urteil die Unterbring­ung des 25-Jährigen in einer Entzugsans­talt anordnete. Für seinen angebliche­n Lebenswand­el könne er keine Belege vorweisen. „Jemanden wie Sie, der sich regelmäßig Mut antrinkt und dann gewalttäti­g wird, bezeichnet man im Volksmund schlicht und einfach als Schlägerty­p,“sagte Mörrath abschließe­nd.

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