„Es gibt nur einen Herrgott“
Religion Als die Ökumene noch in den Kinderschuhen steckte, verliebten sich Ursula und Ernst Schönhaar. Seit über 40 Jahren sind sie evangelisch verheiratet. Über eine glückliche Ehe, die aus katholischer Sicht wild ist
Bad Wörishofen/Kaufbeuren Ökumenische Trauungen sind heute eine Selbstverständlichkeit. Doch noch in den 1970er Jahren gab es Pfarrer, die sich dagegen sträubten. Und so musste sich manch ein Paar entscheiden, ob es evangelisch oder katholisch heiratet. So auch Ursula und Ernst Schönhaar. Letzterer prägte über Jahre als Leiter die Beruflichen Schulen Bad Wörishofen, war zuletzt sogar als Kandidat für das Bürgermeisteramt der Kneippstadt im Gespräch. Mittlerweile ist Schönhaar im Ruhestand und blickt im Lutherjahr zurück. Denn auch dazu gibt es Außergewöhnliches zu berichten.
Die Schönhaars verliebten sich in einer Zeit, in der die Ökumene noch in den Kinderschuhen steckte und erlebten deshalb einige Vorbehalte. Bis heute ist Ursula Schönhaar katholisch geblieben – auch wenn sie sich zwischenzeitlich stark in der Dreifaltigkeitskirche engagiert.
Rückblende: In den 1970er Jahren war die Kaufbeurer Altstadt mit ihren honorigen Geschäftsleuten überwiegend evangelisch. Viele Familien sahen es deshalb gerne, wenn ihre Sprosse sich auch wieder einen evangelischen Partner suchten. Doch die Liebe geht ihre eigenen Wege. Während ihrer Lehrzeit zum Industriekaufmann lernten sich Ursula und Ernst Schönhaar 1969 bei der Firma Momm kennen.
Die junge Ursula war damals voll in der katholischen Kirche engagiert. Sie lebte mit ihrer Familie unweit von St. Ulrich, in der sich damals der beliebte Kaplan Lidl um die Jugend kümmerte. „Ich habe eine Jugendgruppe geleitet, im Chor gesungen und mit den Kolpingbuben Tanzkurse gemacht“, erinnert sie sich. Der ein oder andere hatte dabei auch ein Auge auf sie gewor- fen. Doch der Funke wollte bei ihr nicht überspringen. Als klar war, dass sie mit Ernst Schönhaar ihren Mann fürs Leben gefunden hat, nahm es ihr der ein oder andere schon ein wenig übel, „dass da ein Evangelischer kommt und mich wegnimmt“, bekennt sie heute. In ihrer Familie war es aber glücklicherweise kein Problem, ausgerechnet einen Evangelischen als ihren Herzbuben erkoren zu haben. „Mein Papa war katholisch und meine Mama evangelisch.“Eine Mischehe war also nichts Neues für die Familie Quell. Schönhaars hingegen waren überzeugte Protestanten. „Aber mein Vater war sehr liberal“, sagt Ernst Schönhaar. Er hatte nichts gegen die künftige Schwiegertochter einzuwenden – schließlich war „ich ja auch ein wohlerzogenes gut situiertes Beamtentöchterchen“, schmunzelt Ursula Schönhaar. „Eher die Tanten und Onkels haben ein wenig gestichelt“, erinnert sich Ernst Schönhaar. Ein Vorteil für das Paar war sicher auch, dass sich beide Eltern schon gut kannten und teilweise miteinander zur Schule gegangen waren.
Ursula Quell hätte dennoch gerne ökumenisch geheiratet. Doch der damalige Pfarrer von St. Ulrich verweigerte ihr die dafür nötige Dispens. Eine katholische Hochzeit kam für den Bräutigam nicht in Frage.
Denn die Zeremonien der Katholiken sind ihm fremd und deshalb „fühle ich mich dort nicht Zuhause und an meiner Hochzeit wollte ich nichts machen, bei dem ich mich nicht wohlfühle“. So ließ sich das Paar evangelisch trauen. „Aus Sicht der katholischen Kirche leben wir immer noch in wilder Ehe“, witzelt Ursula Schönhaar. Heute könnten sie die Trauung wahrscheinlich nachholen. Doch darüber hat das Paar nie nachgedacht.
Vielmehr freut sich Ursula Schönhaar, dass sie in der evangelischen Dreifaltigkeitsgemeinde von Anfang an ganz herzlich aufgenommen worden ist. „Viele wissen bis heute nicht, dass ich katholisch bin.“Ihre beiden Kinder hat sie evangelisch erzogen. Als die Tochter drei war, rief der damalige Pfarrer in der Dreifaltigkeitskirche Krabbelgottesdienste ins Leben. Ursula Schönhaar machte gerne mit und auch Kinder-Bibeltage hat sie schon gehalten. Ein Stimmrecht hat sie allerdings nicht in der evangelischen Kirche. Dazu – oder wenn sie ein offizielles Amt übernehmen möchte – müsste sie konvertieren. Ursula Schönhaar hat sich mit dem Gedanken schon ernsthaft befasst, ihn letztlich aber verworfen. „Ein Schublädle in meinem Herzen ist einfach katholisch.“
Und so leben Schönhaars weiter die Ökumene. Ernst Schönhaar verbrachte erst eine Pilgerreise mit dem katholischen Stadtpfarrer Bernhard Waltner – und war begeistert. Mit seiner Frau zusammen freut er sich, dass das Verhältnis der Konfessionen untereinander immer besser werde. „Eine Brücke zwischen der evangelischen und katholischen Kirche zu bauen, damit sie wieder zusammenkommen“– das sehen beide als religiösen Auftrag. Denn schließlich „gibt es nur einen Herrgott“.
„Ein Schublädle in meinem Herzen ist einfach katholisch.“ Ursula Schönhaar „Katholisch zu heiraten, wäre für mich auf gar keinen Fall in Frage gekommen.“ Ernst Schönhaar