Die dunkle Seite einer Mindelheimerin
Buch Wer Tina Schlegel kennenlernt, kann kaum glauben, welch grausame Szenen sie schreiben kann. Nun ist ihr neuer Krimi erschienen
Mindelheim Tina Schlegel hat immer gern an ihrem zweiten Buch gearbeitet, doch diese zwei Tage waren eine Qual für sie. Ihr Lektor – von Berufswegen bekannt für Fragen, die ins Detail gehen – hatte viel von dem gelobt, was sie geschrieben hatte, aber da sagte er am Telefon zu ihr: „Die knifflige Stelle am Ende geht nicht.“Da sei er sich mit dem Verlag einig. Tina Schlegel war wie vor den Kopf gestoßen. Sie telefonierte lange mit ihm, hatte aber keine Idee, wie sie den Text verändern sollte, ohne gleich das halbe Buch umschreiben zu müssen. „Lassen Sie es ruhen“, riet ihr der Lektor. „Dann war ich zwei Tage lang verzweifelt“, schildert die Mindelheimerin. Am zweiten Tag stand sie in der Küche – und zack! – war die Idee da. Sofort rief Tina Schlegel ihren Lektor an, sprudelte los und setzte sich an den Schreibtisch. Mit der Version, in der das Buch in diesen Tagen erschienen ist, ist die Mindelheimerin sehr zufrieden.
Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Tina Schlegel ihre Bücher über den Konstanzer Kommissar Paul Sito verfasst hat. Damals lebte sie noch am Bodensee. 2015 erschien der erste Band „Schreie im Nebel“. Nach den genauen Verkaufszahlen hat sich Tina Schlegel nie erkundigt, aber offensichtlich kam das Buch gut an: Sonst hätte der Verlag wohl keinen zweiten Band der Mindelheimer Autorin veröffentlicht.
„Spannendes Feedback“hat Tina Schlegel von ihren Lesern bekommen. So manchen habe es gewundert, wie sie, die zierliche, zart wirkende Frau, nur so grausame Szenen schreiben kann. „Aber ich will ja, dass etwas von dem Buch im Gedächtnis bleibt“, erklärt sie. „Ich brauchte den Widerspruch zwischen den poetischen Szenen und der rohen Gewalt.“Das schönste Kompliment, das sie über ihr Buch zu hören bekam: „Dass ich eine eigene Sprache mit Wiedererkennungswert habe.“Sie ist stets auf der Suche, die richtige Melodie zu finden, „sodass man gerne den nächsten Satz lesen will“. Für ihren neuen Krimi verspricht sie einen „ganz langen Showdown und ein paar Szenen, die man in Erinnerung behält“. Es geht um einen Serienmörder: ein Fall, der die Menschen am Bodensee einen Sommer lang in Atem hält.
Seit vergangenem Jahr hat Tina Schlegel an den mehr als 360 Seiten über Kommissar Sito gearbeitet. Der Leser hat es leichter, wenn er den ersten Band kennt – er muss ihn aber nicht zwingend gelesen haben. Ein Rätsel wird trotz einiger Hinweise auch am Ende von „Die dunkle Seite des Sees“bleiben. Eine Auflösung kommt, verspricht Schlegel: „Manche Autoren wissen ja nicht, wo es hingeht, aber da kann ich alle beruhigen.“
Zwar habe sie die Geschichten schon vor vielen Jahren geschrieben, erklärt sie. Die aktuelle Überarbeitung nehme dennoch viel Zeit in Anspruch. „Ich bin heute näher dran an den Personen“, sagt sie. „Die Figuren haben mehr Tiefe bekommen.“Wichtig ist ihr, auch Nebenfiguren eine Geschichte zu geben. Sie mag „keine Hohlkörper“, sagt Tina Schlegel.
Wenn ihre Tochter in der Schule ist, setzt sich die Mindelheimerin an ihren Schreibtisch im Wohnzimmer, mit Blick auf den Garten. Sie freut sich darauf, den Film in ihrem Kopf aufs Papier zu bringen – eine Leidenschaft, die sie schon als Kind entwickelte und die sie in ihrer Ausbildung an der Filmhochschule noch perfektionierte.
Derzeit arbeitet sie am dritten Band ihrer Bodensee-Krimis, hat aber auch noch andere Buch-Projekte am Laufen: eine Krimireihe mit einer weiblichen Ermittlerin, zwei Romane und eine Kinderbuchserie. Und vielleicht ist ja bald mal ein Mindelheim-Krimi in der Mache. Das Aufeinandertreffen der verschiedenen Zeiten in der Stadt fasziniert Tina Schlegel. „Die Spannung baut sich über den Winter auf und eskaliert beim Frundsbergfest …“, beginnt sie zu sinnieren. „Die dunkle Seite des Sees“dürfte nicht das letzte Buch gewesen sein, das man von Tina Schlegel zu lesen bekommt. Lesung Tina Schlegel liest aus „Die dunkle Seite des Sees“am Mittwoch, 26. April, um 19.30 Uhr bei Bücher Thurn in Mindelheim.